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Strom für 1.500 Haushalte aus Mais, Gülle und Stallmist

Die Westewitzer Biogasanlage versorgt das Fachkrankenhaus Bethanien mit Wärme und produziert Strom und Dünger. Doch es gibt durchaus auch Nachteile.

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Landwirt Sven Krawczyk vor seiner Biogasanlage auf dem Landgut in Hochweitzschen. Zu sehen ist die erste Gärstufe der Anlage sowie das Förderband, über das die Anlage gefüttert wird.
Landwirt Sven Krawczyk vor seiner Biogasanlage auf dem Landgut in Hochweitzschen. Zu sehen ist die erste Gärstufe der Anlage sowie das Förderband, über das die Anlage gefüttert wird. © Lars Halbauer

Von Rasmus Wittrin

Region Döbeln. Die tägliche „Futterration“ der Biogasanlage in Hochweitzschen klingt nicht sonderlich appetitlich: 13 Tonnen Hühnermist, 18 Tonnen Maissilage, drei Tonnen Grassilage und sechs Kubikmeter Gülle. Doch was daraus entsteht, ist beachtlich.

Mit dem in der Anlage hergestellten Gasgemisch wird ein Blockheizkraftwerk betrieben, das genug Strom für etwa 1.500 durchschnittliche Zwei-Personen-Haushalte produziert. Die Abwärme als Nebenprodukt reicht aus, um den Großteil des Wärmebedarfs des Fachkrankenhauses Bethanien und der Wohnanlagen des benachbarten Pflegeheims „Die Brücke“ zu decken.

Übrig bleibt ein Güllegemisch – und selbst das wird als Dünger weiterverwendet. Wie funktioniert dieser Kreislauf? Sven Krawczyk, Geschäftsführer des Bioenergiezentrums und Gesellschafter des Landgutes Westewitz mit einer landwirtschaftlichen Nutzfläche von über 400 Hektar, hat Antworten.

Der Computer zeigt in Echtzeit den Füllstand der Biogasanlage.
Der Computer zeigt in Echtzeit den Füllstand der Biogasanlage. © Lars Halbauer
Der flüssige Gärrest wird als Dünger gestreut. Vergorener Hühnermist stinkt weniger als unvergorener.
Der flüssige Gärrest wird als Dünger gestreut. Vergorener Hühnermist stinkt weniger als unvergorener. © Lars Halbauer
Zwei dieser Verbrennungsmotoren treiben Generatoren an. Sie erzeugen Wärme und Strom.
Zwei dieser Verbrennungsmotoren treiben Generatoren an. Sie erzeugen Wärme und Strom. © Lars Halbauer

Ausgangsstoffe einer Biogasanlage sind organische Abfälle und landwirtschaftliche Produkte, erklärt Krawczyk. Seine eigene Anlage füttert – das ist der Fachbegriff – er mit Mais- und Grassilage, Schweine- und Rindermist, Gülle sowie Hühnermist, was er teilweise aus Fremdbetrieben bezieht.

Es ist auch möglich, fast ausschließlich Maissilage zu verwenden. Das habe aber mehrere Nachteile, so Krawczyk. So müsse etwa künstlich hergestellter Stickstoff beigefügt werden, weil die Bakterien, die die organischen Materialien zersetzen, sonst verkümmern. „Das ist so, als würde man ein Kind nur mit Toastbrot füttern“, sagt Krawczyk.

Pflanzenmix gegen "Vermaisung"

Zudem ist die Nutzung von Mais in Biogasanlagen ein häufiger Kritikpunkt. So verdränge die Energiepflanze andere Pflanzen wie Getreide, die für die Nahrungsmittelversorgung wichtig sind, schreibt das Bundesumweltamt. Der Anbau von großen Mais-Monokulturen lauge zudem den Boden aus und erschwere die Schädlingsbekämpfung. Experten sprechen hier von „Vermaisung“.

Um dem entgegenzuwirken, hat Krawczyk mit seinen Mais-Zulieferbetrieben vereinbart, dass jeweils maximal ein Viertel der Anbaufläche für Mais verwendet werden soll. Zusätzlich sollen vier verschiedene Früchte angebaut werden, deren Anbau auf den Feldern rotierend erfolgt. Dadurch sollen es Schädlinge schwerer haben und eine einseitige Nährstoffnutzung im Boden verhindert werden, die den Boden auslaugen und starke Düngung erforderlich machen kann.

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Ist das „Futter“ zubereitet, muss es der immer hungrigen Biogasanlage zugeführt werden. Die Anlage braucht stündlich Nachschub. Ein Computer steuert die Fütterung automatisch über ein Fließbandsystem, erklärt Krawczyk.

Bakterien zersetzen organische Stoffe

Die Anlage besteht aus drei großen, runden grünen Behältern. Zwei haben einen Durchmesser von gut 17 Metern und sind sechs Meter hoch, der dritte ist fünf Meter hoch mit einem Durchmesser von rund 20 Metern. Direkt gefüttert wird nur der erste, die anderen beiden sind miteinander verbunden und werden mit den Gärresten der ersten Anlage versorgt. So können unterschiedliche Gärprozesse betrieben und die Energieausbeute erhöht werden, erklärt Torsten Krawczyk, Bruder von Sven Krawczyk. Die Geschwister leiten den Hof gemeinsam.

Drinnen zersetzt ein bestimmtes Bakterienmilieu bei Temperaturen von etwa 40 Grad Celsius und unter Luftabschluss das organische Futter. Dieser Prozess heißt Vergärung. Kurzfristige Futterumstellungen sind laut Sven Krawczyk nicht möglich, da sich die Bakterien an ihr Futter anpassen. „Eine Biogasanlage muss sich daran gewöhnen, was sie zu fressen kriegt“, so der Landwirt. Weil die Bakterien unter Luftabschluss arbeiten müssen, treten normalerweise keine unangenehmen Gerüche aus.

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So entstehen verschiedene Gase, hauptsächlich Methan. Der Anteil schwankt laut Bundesumweltamt je nach Futter in der Regel zwischen 50 und 75 Prozent. Daneben werden unter anderem Kohlenstoffdioxid sowie in geringen Mengen Stickstoff, Sauerstoff und weitere Gase gebildet. Krawczyk: „Ich nehme biologische Stoffe, um damit chemische herzustellen.“

Gas für Blockheizkraftwerk

Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, wie dieses Gasgemisch weiterverwendet werden kann. Die Biogasanlage von Krawczyks wurde 2004 gebaut, als Investition in die Zukunft in Zeiten niedriger Preise für landwirtschaftliche Produkte. Damals sei es noch üblich gewesen, das Gasgemisch in einem Blockheizkraftwerk zu verbrennen, um Strom und Wärme zu gewinnen, sagt Krawczyk. Ein anderes, neueres Verfahren ist die Veredelung des Gasgemisches, indem das Methan herausgefiltert und dann in das normale Gasnetz eingespeist wird.

Die Krawczyks betreiben mit dem Gasgemisch ein Blockheizkraftwerk. Zwei große Motoren mit einer Leistung von jeweils 350 Kilowatt treiben einen Stromgenerator an. Neben dem Strom entsteht sehr viel Abwärme.

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Bis auf Wartungspausen laufen die Motoren durchgängig. Allerdings nicht immer zu gleicher Leistung: Ist der Strombedarf gerade gering, zum Beispiel in der Nacht, kann Krawczyk die Leistung drosseln. Das trotzdem entstehende Gas wird dann in einem Gasspeicher zwischengelagert. Besteht höherer Strombedarf, werden die Motoren wieder hochgefahren.

Dieses Vorgehen heißt Flexibilisierung, sagt Krawczyk. Um den Spielraum noch zu vergrößern, soll ein weiterer Motor mit einer Leistung von 350 Kilowatt angeschafft werden.