Strom für 1.500 Haushalte aus Mais, Gülle und Stallmist
Die Westewitzer Biogasanlage versorgt das Fachkrankenhaus Bethanien mit Wärme und produziert Strom und Dünger. Doch es gibt durchaus auch Nachteile.
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Von Rasmus Wittrin
Region Döbeln. Die tägliche „Futterration“ der Biogasanlage in Hochweitzschen klingt nicht sonderlich appetitlich: 13 Tonnen Hühnermist, 18 Tonnen Maissilage, drei Tonnen Grassilage und sechs Kubikmeter Gülle. Doch was daraus entsteht, ist beachtlich.
Mit dem in der Anlage hergestellten Gasgemisch wird ein Blockheizkraftwerk betrieben, das genug Strom für etwa 1.500 durchschnittliche Zwei-Personen-Haushalte produziert. Die Abwärme als Nebenprodukt reicht aus, um den Großteil des Wärmebedarfs des Fachkrankenhauses Bethanien und der Wohnanlagen des benachbarten Pflegeheims „Die Brücke“ zu decken.
Übrig bleibt ein Güllegemisch – und selbst das wird als Dünger weiterverwendet. Wie funktioniert dieser Kreislauf? Sven Krawczyk, Geschäftsführer des Bioenergiezentrums und Gesellschafter des Landgutes Westewitz mit einer landwirtschaftlichen Nutzfläche von über 400 Hektar, hat Antworten.
Ausgangsstoffe einer Biogasanlage sind organische Abfälle und landwirtschaftliche Produkte, erklärt Krawczyk. Seine eigene Anlage füttert – das ist der Fachbegriff – er mit Mais- und Grassilage, Schweine- und Rindermist, Gülle sowie Hühnermist, was er teilweise aus Fremdbetrieben bezieht.
Es ist auch möglich, fast ausschließlich Maissilage zu verwenden. Das habe aber mehrere Nachteile, so Krawczyk. So müsse etwa künstlich hergestellter Stickstoff beigefügt werden, weil die Bakterien, die die organischen Materialien zersetzen, sonst verkümmern. „Das ist so, als würde man ein Kind nur mit Toastbrot füttern“, sagt Krawczyk.
Pflanzenmix gegen "Vermaisung"
Zudem ist die Nutzung von Mais in Biogasanlagen ein häufiger Kritikpunkt. So verdränge die Energiepflanze andere Pflanzen wie Getreide, die für die Nahrungsmittelversorgung wichtig sind, schreibt das Bundesumweltamt. Der Anbau von großen Mais-Monokulturen lauge zudem den Boden aus und erschwere die Schädlingsbekämpfung. Experten sprechen hier von „Vermaisung“.
Um dem entgegenzuwirken, hat Krawczyk mit seinen Mais-Zulieferbetrieben vereinbart, dass jeweils maximal ein Viertel der Anbaufläche für Mais verwendet werden soll. Zusätzlich sollen vier verschiedene Früchte angebaut werden, deren Anbau auf den Feldern rotierend erfolgt. Dadurch sollen es Schädlinge schwerer haben und eine einseitige Nährstoffnutzung im Boden verhindert werden, die den Boden auslaugen und starke Düngung erforderlich machen kann.
Ist das „Futter“ zubereitet, muss es der immer hungrigen Biogasanlage zugeführt werden. Die Anlage braucht stündlich Nachschub. Ein Computer steuert die Fütterung automatisch über ein Fließbandsystem, erklärt Krawczyk.
Bakterien zersetzen organische Stoffe
Die Anlage besteht aus drei großen, runden grünen Behältern. Zwei haben einen Durchmesser von gut 17 Metern und sind sechs Meter hoch, der dritte ist fünf Meter hoch mit einem Durchmesser von rund 20 Metern. Direkt gefüttert wird nur der erste, die anderen beiden sind miteinander verbunden und werden mit den Gärresten der ersten Anlage versorgt. So können unterschiedliche Gärprozesse betrieben und die Energieausbeute erhöht werden, erklärt Torsten Krawczyk, Bruder von Sven Krawczyk. Die Geschwister leiten den Hof gemeinsam.
Drinnen zersetzt ein bestimmtes Bakterienmilieu bei Temperaturen von etwa 40 Grad Celsius und unter Luftabschluss das organische Futter. Dieser Prozess heißt Vergärung. Kurzfristige Futterumstellungen sind laut Sven Krawczyk nicht möglich, da sich die Bakterien an ihr Futter anpassen. „Eine Biogasanlage muss sich daran gewöhnen, was sie zu fressen kriegt“, so der Landwirt. Weil die Bakterien unter Luftabschluss arbeiten müssen, treten normalerweise keine unangenehmen Gerüche aus.
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So entstehen verschiedene Gase, hauptsächlich Methan. Der Anteil schwankt laut Bundesumweltamt je nach Futter in der Regel zwischen 50 und 75 Prozent. Daneben werden unter anderem Kohlenstoffdioxid sowie in geringen Mengen Stickstoff, Sauerstoff und weitere Gase gebildet. Krawczyk: „Ich nehme biologische Stoffe, um damit chemische herzustellen.“
Gas für Blockheizkraftwerk
Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, wie dieses Gasgemisch weiterverwendet werden kann. Die Biogasanlage von Krawczyks wurde 2004 gebaut, als Investition in die Zukunft in Zeiten niedriger Preise für landwirtschaftliche Produkte. Damals sei es noch üblich gewesen, das Gasgemisch in einem Blockheizkraftwerk zu verbrennen, um Strom und Wärme zu gewinnen, sagt Krawczyk. Ein anderes, neueres Verfahren ist die Veredelung des Gasgemisches, indem das Methan herausgefiltert und dann in das normale Gasnetz eingespeist wird.
Die Krawczyks betreiben mit dem Gasgemisch ein Blockheizkraftwerk. Zwei große Motoren mit einer Leistung von jeweils 350 Kilowatt treiben einen Stromgenerator an. Neben dem Strom entsteht sehr viel Abwärme.
Bis auf Wartungspausen laufen die Motoren durchgängig. Allerdings nicht immer zu gleicher Leistung: Ist der Strombedarf gerade gering, zum Beispiel in der Nacht, kann Krawczyk die Leistung drosseln. Das trotzdem entstehende Gas wird dann in einem Gasspeicher zwischengelagert. Besteht höherer Strombedarf, werden die Motoren wieder hochgefahren.
Dieses Vorgehen heißt Flexibilisierung, sagt Krawczyk. Um den Spielraum noch zu vergrößern, soll ein weiterer Motor mit einer Leistung von 350 Kilowatt angeschafft werden.
700 Kilowatt Strom und 900 Kilowatt Wärme
Bei voller Leistung produziert das Blockheizkraftwerk laut Krawczyk etwa 700 Kilowatt Strom und 900 Kilowatt Wärme pro Stunde. Der Strom wird ins öffentliche Stromnetz eingespeist. Die thermische Energie versorgt über Nahwärmeleitungen in einem Umkreis von etwa eineinhalb Kilometern Wohnungen, das Fachkrankenhaus Bethanien, das Wohnzentrum Die Brücke, die Biogasanlage selbst, das Schlachthaus und die Schweinezucht des Landwirtschaftsbetriebes mit ausreichend Wärme.
Rechnet man Wärmeverluste raus, können durch die Wärmeleistung laut Krawczyk über 400.000 Liter Heizöl eingespart werden. Das entspräche rund 17 klassischen Tankwagen mit einer Kapazität von etwa 25.000 Litern. Durch die gleichzeitige Nutzung des Stromes und der Abwärme erreiche die Anlage einen Wirkungsgrad von über 90 Prozent, sagt Torsten Krawczyk.
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Die Bakterien können ihr Futter nicht vollständig zu Gas zersetzen. Übrig bleibt der Gärrest; ein Güllegemisch, das mindestens einmal pro Woche abgepumpt werden muss. Besonders in der Biogasanlage in Hochweitzschen ist, dass das Gemisch in die flüssige Gülle und Festdünger getrennt wird. Das ermöglicht, so Krawczyk, eine speziellere Düngung.
Dünger schnell für Pflanzen verfügbar
Die flüssige Gülle kann mit verschiedenen Ausbringtechniken gestreut werden, auch da, wo schon Pflanzen wachsen. Denn er ist schnell für die Pflanze verfügbar, erklärt Torsten Krawczyk. Der Festdünger dagegen kann gezielt auf Feldern eingesetzt werden, die mit sogenannten humuszehrenden Pflanzen bewirtschaftet werden.
Humuszehrend meint, dass bei dem Anbau Humuserde verbraucht wird, weil kein organisches Material bei der Ernte zurückgelassen wird. Dazu zählt beispielsweise Mais, bei dem in der Regel die ganze Pflanze geerntet wird. Bei Weizen dagegen verbleibt das Stroh nach der Ernte auf den Feldern. Weizen zählt daher zu den humusmehrenden Pflanzen.
Dass der Betrieb einen Teil seines Düngers selbst herstellen kann, erweist sich gerade als äußerst nützlich. Denn: Habe eine Tonne von klassischem mineralischem Dünger im letzten Jahr noch etwa 180 Euro gekostet, so liege der Preis aktuell zwischen 800 und 1.000 Euro pro Tonne, sagt Torsten Krawczyk.
Wegen der Preise soll der mineralische Dünger, der hauptsächlich in Russland und der Ukraine hergestellt wird, vermehrt durch den selbst produzierten biologischen ersetzt werden.
Von der eigenen Düngemittelproduktion profitieren auch die Betriebe, die die Krawczyks mit ihrem Mais beliefern. Krawczyk düngt als Dienstleister auch deren Felder mit den Hinterlassenschaften der Biogasanlage. So sorgen die Pflanzen, die einst von den Feldern geerntet wurden dafür, dass auf ebendiesen Feldern neue Pflanzen wachsen können, die den Kreislauf erneut anstoßen.
Ist das wirklich nachhaltig?
Der große Vorteil von Biogas im Vergleich zu herkömmlichem Erdgas ist, dass bei der Verbrennung von Biogas nur so viele CO2-Emissionen entstehen, wie unmittelbar zuvor von den verbrannten Pflanzenteilen gebunden wurde – neben den Abgasen, die für die Ernte und den Betrieb der Anlage anfallen. Außerdem können neben extra angebauten Energiepflanzen auch andere Gärmaterialien wie Gülle, Tiermist und andere organische Abfälle genutzt werden.
Würde der Mist nicht vergärt, wird er in der Regel direkt als Dünger eingesetzt, sagt Torsten Krawczyk. Das habe insbesondere bei Hühnermist jedoch Nachteile: Zum einen entsteht bei der direkten Düngung von Hühnermist eine starke Geruchsbildung. Zum anderen enthalte der Hühnermist noch Energie, die in Biogasanlagen nutzbar gemacht werden könne, ohne dass Nährstoffe verloren gehen würden. Durch die Nutzung der Gärreste als Dünger entsteht ein großes Kreislaufsystem.
Zuverlässiger Energielieferant
Zudem können Biogasanlagen, im Gegensatz zu Windkraft- oder Solaranlagen, zuverlässig Energie liefern, ohne von äußeren Umständen abhängig zu sein. So ist laut Statistischem Bundesamt im windarmen ersten Halbjahr 2021 die Stromerzeugung aus Windenergie um 21 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gesunken. Das musste unter anderem durch eine erhöhte Kohlestromproduktion ausgeglichen werden.
Allerdings gibt es auch Nachteile. Neben der bereits erwähnten Flächenkonkurrenz zwischen Energiepflanzen und der Nahrungs- und Futtermittelproduktion kritisiert das Umweltbundesamt die geringe Flächeneffizienz der Energiequelle. Windkraft- oder Solaranlagen könnten auf der gleichen Fläche um ein Vielfaches mehr Energie erzeugen, als durch den Anbau von Energiepflanzen und der anschließenden Vergärung in Biogasanlagen, so das Amt. Zudem können bei unsachgemäßem Betrieb durchaus Gerüche und Schadstoffe in die Umgebung gelangen.
In Mittelsachsen gibt es laut Landratsamt 39 Biogasanlagen. Zum Vergleich: Es werden 188 Windkraftanlagen betrieben. Die Zahl der Biogasanlagen sei in den letzten Jahren konstant geblieben, so das Landratsamt.