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Nachtarbeit für den Striezelmarkt

Wenn abends der letzte Glühwein getrunken und die letzte Bratwurst gegessen ist, haben die Händler in Dresden noch viel zu tun.

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© René Meinig

Von Andreas Weller und Christoph Springer

Punkt 21 Uhr auf dem Altmarkt. In den Stundenschlag der Kreuzkirche mischt sich vielstimmiges Rasseln. Auf dem Striezelmarkt gehen die Rollläden herunter. Feierabend. Es wird etwa eine Viertelstunde dauern, bis die eben noch gut besuchten Gassen und Plätze menschenleer sind. Nur etwas Licht und Geräusche hinter den Jalousien zeugen davon, dass noch nicht alle gegangen sind. Jetzt beginnt die Nachtarbeit für die Glühweinhändler und Glasschmuckverkäufer, in den Mützenbuden und Mandelläden, für die Steingutanbieter und Stollenbäcker.

... packen ihre Waren ein und putzen ihre Stände. Nachts wird die Budenstadt auf dem Altmarkt von einem Sicherheitsdienst überwacht.
... packen ihre Waren ein und putzen ihre Stände. Nachts wird die Budenstadt auf dem Altmarkt von einem Sicherheitsdienst überwacht. © René Meinig
Zuletzt kommt der Müll des Tages in einen großen Container.
Zuletzt kommt der Müll des Tages in einen großen Container. © René Meinig

Wolfgang Queck hält ein Schreibbrett in der Hand und mustert seine Auslagen. Mit einem Stift trägt er Zahlen in eine große Tabelle ein. In seinem Stand gleich neben der Striezelmarktfichte gibt es Weihnachtsschmuck aus Glas. Seit einer halben Stunde notiert sich der Thüringer, welche Waren fehlen. „Später fahre ich in mein Lager nach Omsewitz und lade Ware für morgen ins Auto“, sagt Queck. Etwa 2 000 verschiedene Artikel verkauft er in seinem Stand, darunter Glaskugeln, Glocken, kleine bunte Vögel, Engel und Sterne. Bis Mitternacht hat er noch zu tun.

So lange wollen Olaf Mamitzsch und seine Helfer nicht mehr arbeiten. Sie verkaufen Volkskunst aus dem Erzgebirge. Mamitzsch ist ein alter Hase auf dem Striezelmarkt. Seit 1991 ist er dabei und hat seinen Stand stets verbessert. Inzwischen verfügt die Hütte über eine Technik, die den Feierabend schneller anfangen lässt als in anderen Ständen. Ganz vorsichtig schiebt er gemeinsam mit seinem Vater eine große Platte nach innen. Darauf stehen wenigstens hundert Schnitzfiguren und Pyramiden. Diese Tischplatte liegt auf Rollen. Wird sie vorsichtig genug bewegt, fällt keine einzige Figur um. Ist das erledigt, muss Olaf Mamitzsch nur noch zwei große Klappen schließen, fertig. „Das dauert zwei Minuten“, sagt er. Damit gehört der stämmige Sachse aus der Nähe von Zwickau zu den Schnellsten auf dem Markt.

Anders ist das bei Frank Urban. Einen Gang entfernt bietet der Dresdner Schokofrüchte und gebrannte Mandeln an. Etwa eine Dreiviertelstunde wird er an diesem Abend noch zu tun haben. Mit Lappen und Eimer bewaffnet bringen er und seine Mitarbeiter den kleinen Stand auf Hochglanz. Die Weintrauben, Erdbeeren und Bananen mit Schokohülle sind an diesem Tag fast ausverkauft. Dafür lockt noch ein Berg gebrannter Mandeln in der Auslage. Nach Marktende gibt es bei ihm aber nichts mehr. „Die sind morgen noch so gut wie heute“, sagt Urban.

Inzwischen ist es 21.10 Uhr. Der Markt ist fast leer. Nur an ein paar Glühweinstände leeren Gäste noch ihre Tassen. Im Gang rechts neben der Bühne patroullieren zwei Polizisten. Sie haben vor allem die Weihnachtsmarktstände im Blick. „Wir achten jetzt besonders auf die Kassen der Händler“, sagt einer von ihnen. Seinen Namen will er nicht nennen. Um die Ecke ist ein Kollege unterwegs, ein Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes. Der kontrolliert, ob auch alle Händler pünktlich schließen. „Die meisten halten sich daran“, erzählt er. Ganz selten müsse er Hinweise erteilen.

Katharina Meinking braucht Hilfe. Auf ihrem Spielwarenstand fährt ein kleiner Zug im Kreis. Er soll nachts im Tunnel geparkt werden. Damit die Minibahn pünktlich stoppt, muss ein Helfer draußen auf einen Stuhl steigen und ihr ein Zeichen geben, wenn die Lok samt Hänger in der Röhre verschwunden ist. Dann schaltet sie den Strom für die Spielzeugbahn ab.

Gegenüber wird seit fast einer Stunde geräumt, gewischt und geschrubbt. Im Imbissstand von Daniela Thieme gibt es Grünkohl mit Knacker, Bratwurst und Champignonpfanne. Die Mitarbeiter wienern bereits die riesigen Pfannen. Damit hören sie erst auf, wenn die wie neu glänzen. Gleichzeitig werden die Gaskocher geputzt und wieder mit Alufolie ausgekleidet. Die Folie fängt Essensreste und Soßenspritzer auf und muss am Abend nur zusammengeknüllt und weggeworfen werden. Ein paar Reste kommen in den Kühlschrank, vieles muss aber in den Müll. Das schreibt das Lebensmittelgesetz vor.

Inzwischen ist es 21.45 Uhr. Frank Schäfer fährt mit einem Transporter vor und liefert frische Würste für den Imbissstand. Er muss sich beeilen, denn er muss noch Müll wegbringen, und die Abfallstation hinter der Kreuzkirche macht in einer Viertelstunde Feierabend. Schäfer lädt die blauen Plastiktüten mit den Überresten des Tages ein und verschwindet wieder. Gleich gehen die letzten Lichter aus. Dann ist wirklich Feierabend auf dem Striezelmarkt.