Neustadt: Eklat im Stadtrat um Milchviehanlage

Die riesigen Silotürme der ehemaligen Milchviehanlage im Neustädter Ortsteil Polenz sind weithin sichtbar, die leer stehenden und immer mehr verfallenden Ställe darunter eher nicht. Doch der Anblick ist auch so nicht der beste.
Gleichzeitig braucht Neustadt dringend neue Gewerbeflächen. Und hier gäbe es welche. Darin ist man sich auch einig. Jetzt sorgten genau die Beschlüsse um diese ehemalige landwirtschaftliche Anlage für Eskalation im Stadtrat. Das Thema ist speziell. Schon die ehemaligen Bürgermeister Dieter Grützner und Manfred Elsner haben sich die Zähne daran ausgebissen. Nun befürchtet Bürgermeister Peter Mühle (NfN), dass ihm das Gleiche drohen könnte.
Für Außenstehende mag der Beschluss zur Milchviehanlage Polenz auf der Tagesordnung der Januarsitzung des Stadtrates eher harmlos geklungen haben. Es ging um den Verkauf von städtischen Flächen an die städtische Tochtergesellschaft Industrie Center Neustadt (ICN). Stadtrat Peter Jung (Die Linke) ließ die Bombe platzen und setzte damit eine heftige, auch lautstarke Auseinandersetzung zwischen dem Stadtrat und Bürgermeister Mühle in Gang.
Jung beantragte, den Punkt von der Tagesordnung zu nehmen. An der Sachlage habe sich nichts geändert und der Stadtrat habe genau dazu schon im Dezember einen Beschluss gefasst. Allerdings war das nicht der von der Stadtverwaltung favorisierte Vorschlag. Dieser sah einen Verkaufspreis von 2,30 pro Quadratmeter vor. Die Fläche selbst ist etwa 78.700 Quadratmeter groß. CDU-Fraktionschef Matthias Mews brachte in der Dezember-Sitzung seinerseits einen Antrag ein mit einem Verkaufspreis von 3,70 Euro pro Quadratmeter ein. "Die Stadt braucht dringend Geld für den Haushalt. Wir können da nichts verschenken", sagt Matthias Mews. Mit zehn zu sechs Stimmen wurde das dann auch so beschlossen.
Nach nur vier Wochen wieder derselbe Vorschlag
Im Stadtrat ist man nun davon ausgegangen, dass es bei diesem Beschluss geblieben wäre. Doch mitnichten. Bürgermeister Peter Mühle brachte den Dezember-Beschluss im Januar wieder auf die Tagesordnung. Und das erregte den Zorn der Stadträte. Ihrer Ansicht nach hätte der Beschluss nicht nach nur vier Wochen erneut zur Verhandlung stehen dürfen. Klaus Anders sitzt seit 32 Jahren im Stadtrat. "Wenn ein Beschluss gefasst ist, kann er maximal nach sechs Monaten wieder auf die Tagesordnung gesetzt werden. Das verändert mein Weltbild", schimpfte er. Nach Ansicht der Stadträte hätte der Bürgermeister spätestens sieben Tage nach dem ersten Beschluss in Widerruf gehen müssen, wenn er etwas dagegen gehabt hätte. Das hat er nicht getan. AfD-Fraktionsvorsitzender Lothar Hoffmann enthielt sich bei der Abstimmung über den Antrag von Stadtrat Jung, weil das Thema noch geklärt werden müsse. Die sieben Tage Widerrufsfrist müssten aber gelten, sonst könne ja jeder Beschluss immer wieder auf die Tagesordnung gesetzt werden.
CDU-Fraktionschef Matthias Mews ist empört. Er sitzt seit mittlerweile 27 Jahre im Gremium. "So einen Fall, dass ein Stadtratsbeschluss zur nächsten Sitzung wieder auf die Tagesordnung kommt, hat es noch nie gegeben. Der Stadtrat wird damit gedemütigt. Ich finde es schäbig, mit juristischen Winkelzügen zu agieren", sagt er. Es könne nicht sein, dass jeder Beschluss so lange auf die Tagesordnung gesetzt werde, bis das Ergebnis der Stadt passe. Man könne nicht einfach einen Beschluss des Stadtrates so vom Tisch wischen. Das sei moralisch verwerflich und für den Stadtrat erniedrigend. Die Mehrheit des Stadtrates folgte dem Antrag von Peter Jung. Damit wurde der vom Bürgermeister geplante Beschluss von der Tagesordnung genommen. Damit gilt der im Dezember auf Antrag von Matthias Mews beschlossene Verkaufspreis von 3,70 Euro pro Quadratmeter.
Das sagt Bürgermeister Mühle zum Eklat
Laut Gemeindeordnung legt der Bürgermeister die Tagesordnung für eine Ratssitzung fest. "Wenn ich es für richtig halte, kann ich einen Beschluss zur nächsten Sitzung wieder mit aufnehmen. Und das habe ich getan", sagt Bürgermeister Peter Mühle (NfN). Damit hält er sich an die Gemeindeordnung, sagt auch das Landratsamt. Anders ist das beim Stadtrat. Dieser darf erst nach sechs Monaten einen Beschluss wieder auf die Tagesordnung heben lassen. Und Mühle hat auch eine Begründung dafür, weshalb er nicht in Widerspruch gegangen ist. "Der mehrheitlich von den Stadträten gefasste Beschluss war nicht rechtswidrig. Natürlich braucht die Kommune mehr Einnahmen. Das ist alles richtig", sagt er. Auf der anderen Seite müsse er dafür sorgen, dass die städtische Gesellschaft überlebensfähig bleibe.
So geht es im Streit um Gewerbeflächen weiter
Die Stadt Neustadt braucht die Gewerbefläche auf jeden Fall. Ein Großteil des Areals der ehemaligen Milchviehanlage ist bereits in Besitz der Stadt. Weitere sollen noch dazu gekauft werden beziehungsweise durch Grundstückstausch neu geordnet werden. Ursprünglich sollte 2024 die Erschließung starten. Dieser Zeitplan ist eng gefasst. Denn zuvor muss ein Bebauungsplan aufgestellt und die Grundstücke übertragen werden. Erst dann kann auch ein Fördermittelantrag gestellt werden. Zunächst lässt der Bürgermeister den vom Stadtrat im Dezember gefassten Beschluss rechtlich prüfen. Danach werde das Thema in der Aufsichtsratssitzung der Tochtergesellschaft behandelt.