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Rothenburger Feuerwehr löscht seit 140 Jahren jeden Brand

Heute steht die Truppe so gut da wie selten zuvor. Doch die Anfänge waren schwierig. Der alte Magirus ist Zeugnis einer bewegten Vergangenheit.

Von Frank-Uwe Michel
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Baujahr 1931 und seit 1948 in Rothenburg - der Magirus-Oldie ist der ganze Stolz der Feuerwehr. Ortswehrleiter David Schwarz und Joachim Zeisler präsentieren das gute Stück.
Baujahr 1931 und seit 1948 in Rothenburg - der Magirus-Oldie ist der ganze Stolz der Feuerwehr. Ortswehrleiter David Schwarz und Joachim Zeisler präsentieren das gute Stück. © André Schulze

Eigentlich könnten David Schwarz und seine Kameraden den Schampus öffnen und anstoßen an diesem Freitag. Eigentlich - denn Corona verhindert das vergnügliche Beisammensein. Den Stolz über die Rothenburger Feuerwehr lässt sich der Ortswehrleiter aber trotzdem nicht nehmen. Denn der 28. Januar ist das Geburtsdatum der Wehr. 1882, vor 140 Jahren, gab es die erste Zusammenkunft.

Aber auch wenn es jetzt keine richtige Feier geben kann - die Wehr der kleinen Neißestadt ist gut aufgestellt. Rund 30 aktive Mitstreiter kümmern sich um Brandbekämpfung und Hilfeleistungen aller Art. Der interessierte Nachwuchs trifft sich in der Jugendfeuerwehr. Wer nicht mehr selbst Schläuche ausrollen und die Spritze führen kann, ist in der Alters- und Ehrenabteilung gut aufgehoben. Natürlich gibt es in der Coronazeit vieles, was mit Abstand geregelt werden muss oder sogar ganz gestrichen wird. "Der Zusammenhalt aber bleibt bestehen. Und es hat auch noch niemand wegen der aktuellen Schwierigkeiten aufgehört", freut sich der Wehrleiter.

Einen Mangel an Mitstreitern gab es in der jüngeren Vergangenheit nie. Mit den Eingemeindungen von Noes, Bremenhain und Geheege in den 1970er Jahren und der zweiten Welle mit Lodenau, Uhsmannsdorf, Nieder-Neundorf, Steinbach und Neusorge 1993 gewann die Feuerwehr sogar noch an Kraft. Heute agieren unter der Regie von Stadtbrandmeister Torsten Juckel sechs Ortsfeuerwehren, der aktive Kern ist etwa 120 Personen stark.

So harmonisch und erfolgreich ging es nicht immer zu. Rainer Wiesner, einst Bürgermeister und davor zwischen 1980 und 1984 selbst Wehrleiter, kennt sich mit der Historie aus. Er ist das "Gedächtnis" der Rothenburger Feuerwehr, hat alte Unterlagen studiert, Fotos gesichtet und manches aus der Geschichte schon veröffentlicht. Über die Entstehung der Wehr in seiner Heimatstadt weiß der 70-Jährige recht Ungewöhnliches zu berichten. Denn seiner Meinung nach taten sich die Stadtväter anfangs schwer, überhaupt einen Draht zu diesem Thema zu finden.

Sandkasten und Wassereimer waren wichtig

"Der Erkenntnisprozess unserer Vorfahren über die Wichtigkeit des Feuerlöschwesens reicht bis in das Jahr 1798 zurück", hat Wiesner festgestellt. Damals brannte es in der Stadt schon zum 13. Mal lichterloh, fast alle Häuser - damals noch komplett aus Holz gebaut - wurden bis auf die Grundmauern vernichtet. Die Bevölkerung war ein Sammelsurium aus Zugezogenen. Aus allen Himmelsrichtungen trafen kleine, zersplitterte Gruppen oder Großfamilien ein. Die einen zogen weiter, die anderen ließen sich nieder und mischten sich mit den "Ur-Rothenburgern". Sie hatten andere Sorgen, als sich um das Bekämpfen von Bränden zu kümmern, die vielleicht irgendwann auftreten würden.

Nach dem letzten großen Stadtbrand gab es jedoch zaghafte Anfänge, sich um den Brandschutz zu bemühen. "So verlangte die Obrigkeit von den Bewohnern, mit Sand gefüllte Holzkästen und Ledereimer voll Wasser in ihren Häusern bereitzustellen. Auch Feuerpatschen und Einreißhaken gehörten zur Ausstattung dazu." Doch dies alles war eher individueller Natur. Die Einsicht, gezielt gegen Brände vorzugehen, musste bei den Menschen noch reifen. 84 Jahre vergingen, bis sich die ersten Feuerwehrleute bewusst zusammenfanden. Sie gingen aus einer Initiative des damaligen Turn- und Sportvereins hervor, der sich zunächst auch zum Rettungsverein erweiterte. Befürworter war Gustav Arnold, der erste Chef der Rothenburger Feuerwehr.

Etwa zehn Jahre nach dem 28. Januar 1882 ging die Feuerwehr dann eigene Wege. Arnold, selbst ein angesehener Schlossermeister in der Stadt, fand Gehör bei der adligen Obrigkeit und dem Rothenburger Magistrat. Die Bürgerschaft stellte Geld zum Kauf dringend benötigter Gerätschaften bereit und finanzierte die erste Handdruckspritze. Baron Friedrich von Martin stiftete Uniformen und ließ auf dem Gutshof das erste Gerätehaus bauen.

Einen tiefen Einschnitt bedeuteten der Erste Weltkrieg, die folgende Weltwirtschaftskrise und danach auch der Zweite Weltkrieg. "Die Leute wurden eingezogen, es herrschte riesiger Personalmangel", hat Rainer Wiesner den alten Aufzeichnungen entnommen. Allmählich wurden die Feuerlöschtrupps immer jünger. Doch als auch die letzten Nachwuchskräfte an die Front geschickt worden waren, mussten die eigentlich schon ausgeschiedene Kameraden den Brandschutz in der Stadt übernehmen.

Alter Magirus löste Löschkutschen ab

Bis zum Zweiten Weltkrieg wurden von Pferden gezogene Löschkutschen in den Einsatz geschickt. Erst 1948 kam mit dem noch heute existierenden Magirus, Baujahr 1931, das erste selbstfahrende Löschfahrzeug in die Stadt. Bis 1968 verrichtete der Oldie seine Dienste, wurde dann nach Noes "versetzt". Heute ist er das historische Schmuckstück schlechthin und wird von der Feuerwehr immer wieder bei Veranstaltungen und Ausfahrten eingesetzt.

Mit ihrem 140. Geburtstag zählt die Rothenburger Wehr zwar nicht zu den absoluten Oldies im Kreis, wurde laut Hans Albrecht Bittner, dem Geschichtsspezialisten des Feuerwehrvereins Görlitz, aber "auf jeden Fall zu Beginn der Ausbreitung des organisierten Feuerlöschwesens in Schlesien gegründet." Zum Vergleich: Görlitz steht mit dem Jahr 1848 in den Annalen. Damals wurde dort die Rettungsabteilung im Turn- und Rettungsverein ins Leben gerufen und 1888 in die Freiwillige Feuerwehr umgewandelt. Seit 1897 existiert die Berufsfeuerwehr. Im Süden des Kreises wurde die Großschönauer Wehr schon 1858 gegründet, die Löbauer 1874.

Auch wenn es am Stichtag 28. Januar wegen Corona keine große Feier gibt - am 16. Juli wird sie nachgeholt. "Dann laden wir die Bevölkerung zu uns auf das Gelände am Gerätehaus ein", sagt David Schwarz. Bis dahin muss es bei einem Glas Schampus zu Ehren der Rothenburger Feuerwehr bleiben.