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Slowaken kaufen Nieskyer Waggonbau leer

Der Ausverkauf des Traditionbetriebs läuft auf Hochtouren. Ein Investor für einen Neustart des Schienenbaus in Niesky ist nicht in Sicht. Was das jetzt für die letzten Mitarbeiter bedeutet.

Von Steffen Gerhardt
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Die Nieskyer Waggonbauer haben den Tod ihres Traditionsbetriebes kommen sehen.
Die Nieskyer Waggonbauer haben den Tod ihres Traditionsbetriebes kommen sehen. © André Schulze

Sind die Nieskyer Waggonbauer vor Wochen noch überzeugt gewesen, dass die Hoffnung zuletzt stirbt, so haben sie jetzt die traurige Gewissheit, dass die Hoffnung gestorben ist. Das wird auf dem großen Plakat am Eingang zum Betriebsgelände deutlich: Der Nieskyer Waggonbau ist Geschichte.

19 Waggonbauer sind noch als "Abwicklungsteam" in dem Werk beschäftigt. Ist ihre Arbeit getan, wird auch für sie Schluss im WBN sein. Was jetzt läuft, ist eine Verwertung des Anlagevermögens durch Insolvenzverwalter Franz-Ludwig Danko. Dabei geht es um den Verkauf von Gegenständen wie Maschinen, Anlagen, aber auch von Vorräten und kleineren Posten Rohmaterial zugunsten der Insolvenzmasse.

Profiteur dieser Aktion ist der bisherige slowakische Eigentümer, der Mutterkonzern Tatravagonka, der sein Nieskyer Werk dieses Jahr in die Insolvenz geführt hat. Das bestätigt auf SZ-Nachfrage Conrad Clemens, Staatsminister in der Sächsischen Staatskanzlei. Das Insolvenzverfahren ist zum 1. Juli eröffnet worden, zuvor hatte Tatravagonka ab Mai eine Insolvenz in Eigenverantwortung durchführen wollen. Insolvenzverwalter Danko hüllt sich dazu in Schweigen. "Mit den Beteiligten am Verwertungsprozess ist Stillschweigen vereinbart, sodass ich dazu leider keine Namen und Details nennen darf. Der Gläubigerausschuss ist aber umfassend informiert", teilt er gegenüber SZ mit.

Alteigentümer kauft Inventar auf

Franz-Ludwig Danko spricht davon, dass im Zuge der Verwertung in einem ersten Schritt einzelne kundenspezifische Anlagen und Vorrichtungen verkauft worden sind. Aus Sicht der Waggonbauer heißt das, dass der bisherige Besitzer nun das aufkauft, was er nicht vorher schon ausgelagert hat. Denn bereits vor der Insolvenz sind Maschinen und Anlagen aus dem Nieskyer Werk laut den Beschäftigten und ihrem Betriebsrat abgebaut worden. Nun ist die Resteverwertung im Gange für die nach SZ-Informationen der slowakische Konzern die höchste Summe unter den Bewerbern geboten haben soll.

Um diesen Vorgang zu begreifen, muss man wissen, dass der ELH Waggonbau Niesky bereits Ende August den Betrieb eingestellt hat. Der Grund laut Insolvenzverwalter ist, dass es keinen Interessenten gab, der den Geschäftsbetrieb übernehmen wollte. Das Werk hat aufgehört, als solches zu existieren. Um die Forderungen der Gläubiger zu erfüllen, wird das "bewegliche Inventar" verkauft. Ein zweiter Grund ist, damit die gemietete Immobilie schnellstmöglich an den Eigentümer zurückgegeben werden kann.

Wie Conrad Clemens erklärt, sei man in Gesprächen, um der Stadt Niesky zu ermöglichen, das Grundstück zu erwerben.

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Seit Tatravagonka das Werk 2018 aus einer vorhergehenden Insolvenz übernommen hat, gehören Grund und Boden dem Mutterkonzern und die ELH Waggonbau Niesky GmbH (ELH steht für Eisenbahnlaufwerke Halle, dem Gesellschafter des WBN) war Mieterin ihres früheren eigenen Werksgeländes. Dafür zahlte sie jährlich nach SZ-Informationen einen fünfstelligen Betrag als Miete nach Poprad. Laut Insolvenzverwalter läuft der Mietvertrag weiter, sodass die Gläubiger jetzt dafür zahlen. Deshalb sei er an einer Übernahme des restlichen Anlagevermögens als Ganzes interessiert, um die Immobilie an den Eigentümer schnell zurückgeben zu können.

27 Waggonbauer haben neue Jobs

Die zuletzt knapp 200 Beschäftigten, einige bereits in dritter oder gar vierter Waggonbau-Generation, werden somit in ihr altes Werk nicht mehr zurückkehren. Viele haben aber bereits einen neuen Job oder sind noch bis Ende des Jahres in einer Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft (BQG) untergekommen. Aktuell sind in der BQG noch 100 Mitarbeiter tätig. Davon befinden sich rund 85 in der Bewerbungsphase auf neue Jobs, zwei im Einarbeitungspraktikum, 13 durchlaufen gerade Qualifizierungsmaßnahmen. 27 Mitarbeiter konnten bisher in neue Arbeitsverhältnisse vermittelt werden, zählt Danko auf. Ursprünglich war die Idee, dass ein neuer Investor den Waggonbau wieder beleben oder einen Neustart für den Schienenbau in Niesky unternehmen könnte. Und dafür die Mitarbeiter aus der BQG eingesetzt werden könnten.

Die Mitglieder des Abwicklungsteams können zum 1. Januar für vier Monate in die BQG wechseln. Spätestens Ende April wird auch diese Gesellschaft ihren Betrieb einstellen.