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Unternehmen im Kreis Görlitz legen sich Vorräte an

Zwei Jahre Corona, Krieg in der Ukraine und explodierende Preise lassen Firmen einige Vorhaben auf Eis legen. Geld wird für etwas anderes ausgegeben.

Von Steffen Gerhardt
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In Niesky werden Zelte für Camping und Caravaning gefertigt. Dass die Produktion bei dwt-Zelte läuft, darauf richtet sich das Hauptaugenmerk der Geschäftsleitung.
In Niesky werden Zelte für Camping und Caravaning gefertigt. Dass die Produktion bei dwt-Zelte läuft, darauf richtet sich das Hauptaugenmerk der Geschäftsleitung. © André Schulze

Für Claus Winneknecht steht fest: "Die Investitionslust lässt nach", sagt der geschäftsführende Gesellschafter der dwt-Zelte aus Baunatal, der in Niesky Zelte produzieren lässt. Für ihn steht in dieser unruhigen Zeit an oberste Stelle, dass die Produktion weiterläuft und die Kunden ihre bestellten Zelte bekommen.

Das wird dem Unternehmer nicht leicht gemacht. "Im Moment haben wir Schwierigkeiten mit der Rohstoffversorgung und die Lieferzeiten verlängern sich", erklärt Winneknecht. Dass der Rohstoffmarkt in der Unruhe ist, wird auch in Niesky gespürt. Dort zählt die Belegschaft über 70 Mitarbeiter, hauptsächlich Frauen. "Statt in Maschinen und Ausrüstung investieren wir in Vorräte, um kontinuierlich arbeiten zu können", so der Firmenchef. Also werden Stoffe, Zubehör und das Metall für die eigene Gestängeproduktion auf Lager eingekauft.

Landkreis im Mittelfeld bei Investitionen

Dwt-Zelte ist ein Beispiel dafür, wie sich das Investitionsgeschehen im Landkreis Görlitz abschwächt. Auch wenn für die beiden Corona-Jahre noch keine Daten vom Statistischen Landesamt vorliegen, zeigen doch die zurückliegenden Jahre, dass es auf und ab ging mit betrieblichen Investitionen (siehe Grafik). 159,44 Millionen Euro sind im Landkreis Görlitz 2019 für Investitionen ausgegeben worden. Das sind drei Prozent weniger als im Vorjahr. Es gab auch Jahre, wo fast 187 Millionen Euro (2015), aber auch nur rund 125 Millionen Euro (2017) in den Unternehmen ausgegeben wurden.

Beschäftigte gab es laut Statistik in den erfassten Betrieben 2019 insgesamt 19.843 und damit 443 mehr als im Vorjahr. 2011 waren es nur rund 16.000 Mitarbeiter. Damit lässt sich ausrechnen, wie der Landkreis Görlitz im bundesweiten Vergleich liegt. Maßstab ist dabei die Investition je Beschäftigten: Dieser Wert beträgt an der Neiße 8.035 Euro. Das ist Platz 204 in der Auflistung der Investitionen bei 405 ausgewerteten Land- und Stadtkreisen. Spitzenreiter ist der Kreis Dithmarschen im Westen von Schleswig-Holstein mit 44.892 Euro. Die Auswertung hat aktuell der Zeitungsdienst Südwest aus den Landesstatistiken vorgenommen.

Im Unternehmen Celltechnik Lodenau erfolgen in diesem Jahr einige Investitionen. Betroffen sind auch zwei der betriebseigenen Wasserkraftanlagen in der Neiße.
Im Unternehmen Celltechnik Lodenau erfolgen in diesem Jahr einige Investitionen. Betroffen sind auch zwei der betriebseigenen Wasserkraftanlagen in der Neiße. © André Schulze

Zahl der Beschäftigten steigt

Wenn auch nicht sprunghaft, ist doch ein kontinuierlicher Anstieg der Zahl an Beschäftigten in vielen Betrieben zu verzeichnen. Auch, wenn es nur ein oder zwei Angestellte pro Firma sind. Zuwachs verzeichnen sowohl dwt-Zelte als auch CTL Celltechnik Lodenau. In dem Betrieb nördlich von Rothenburg wird extraktfreie Zellulose als Fasern für Filter in der Lebensmittelindustrie hergestellt.

Im Gegensatz zu anderen Firmen hält Celltechnik an seinen Investitionen für dieses Jahr fest. "Sie sichern unsere Produktion", sagt Prokurist Volker Altus. So ist vorgesehen, eine der Trocknungsmaschinen zu modernisieren, einen neuen Wickler für das Verpacken der Fasern sowie einen Gabelstapler anzuschaffen. Aber auch in die in der Neiße betriebenen Wasserkraftanlagen wird investiert. In Lodenau wird ein neuer Reinigungsrechen eingesetzt und in Bad Muskau die Wehranlage saniert.

Beides ist Bestandteil auf dem Weg zum "grünen Unternehmen". Das Gewinnen von Energie aus Wasserkraft wird künftig gekoppelt mit Strom von der Sonne. Solarenergie ist das Thema nicht nur in Lodenau, sondern in der gesamten familiengeführten Unternehmensgruppe JRS. "Wir sehen die innovativen ‚grünen Funktionen‘ als die Zukunftstechnologie mit Perspektive", sagt Geschäftsführer Josef Otto Rettenmaier zur Philosophie des Unternehmens. Das umzusetzen, wird nun beschleunigt durch die hohen Energiepreise.

Bei Stahl- und Metallbau Weiner in Ludwigsdorf setzt man auf bewussten Einkauf. Aber um teilweise lange Lieferzeiten kommt das Unternehmen auch nicht herum.
Bei Stahl- und Metallbau Weiner in Ludwigsdorf setzt man auf bewussten Einkauf. Aber um teilweise lange Lieferzeiten kommt das Unternehmen auch nicht herum. © Archiv/Nikolai Schmidt

Wofür Geld ausgegeben wird

Schaut man in die Statistik, lagen die Investitionen der sächsischen Industrie zum Jahresende 2019 nach Angaben des Statistischen Landesamtes bei 3,4 Milliarden Euro. Das ist eine Steigerung von rund 22 Prozent zum Vorjahr. Das Geld floss in Maschinen, Geräte, Geschäftsausstattungen, Fahrzeuge und Immobilien. Im Vorjahr 2018 hatten die Investitionen für diese Sachanlagen landesweit bei 2,79 Milliarden Euro gelegen.

Zwei Jahre später zeigt sich eine andere Situation: Wer Geld ausgeben möchte, hat es mitunter schwer, das loszuwerden, sprich davon Waren zu bezahlen. Stahl- und Metallbau Weiner in Ludwigsdorf wollte sich einen neuen Transporter anschaffen. Aber das Modell ist derzeit nicht erhältlich, sagt Christine Weiner. Ansonsten hält sich der Familienbetrieb mit seinen rund 20 Angestellten derzeit zurück mit größeren Investitionen. Auch eine Vorratswirtschaft ist umstritten. "Denn sie verlangt nach flüssigen Mitteln und Lagerkapazitäten", sagt Frau Weiner. Zudem bleibt die Frage, ob das Bestellte dann auch in der gewünschten Menge pünktlich ankommt.

Peter Büttner zeigt die Vielfalt der Sorten aus der familiengeführten Kaffeerösterei in Görlitz. Im Hintergrund das neue Café, das vor zwei Jahren neu entstanden ist.
Peter Büttner zeigt die Vielfalt der Sorten aus der familiengeführten Kaffeerösterei in Görlitz. Im Hintergrund das neue Café, das vor zwei Jahren neu entstanden ist. © Nikolai Schmidt

Corona kam schneller als die Neueröffnung

In Sachen Investitionen kann sich Peter Büttner zurücklehnen. Zusammen mit seiner Frau Regine Büttner als Inhaberin führt er die gleichnamige Kaffeerösterei in Görlitz. Diese sollte um ein großes Café mit bis zu 40 Plätzen erweitert werden. Der Umbau in der Rauschwalder Straße begann zum Jahreswechsel 2019/2020. Die Wiederöffnung zu Ostern verhinderte aber Corona. Erst Anfang September, nach neun Monaten Schließzeit, konnte Familie Büttner die ersten Cafégäste begrüßen.

Heute ist Peter Büttner froh, dass das Café vor zwei Jahren fertig geworden ist. Angesichts der explodierten Baupreise hätte diese Investition heute wohl noch einmal überlegt werden müssen. Die Rösterei lief trotz Corona weiter, erzählt Büttner. Denn seine 17 Kaffeesorten sind auch in Einkaufsmärkten und Geschäften in Görlitz und Niesky erhältlich. Und bisher klappt es auch mit dem Rohkaffee zum Rösten, auch wenn die Lieferzeiten länger geworden sind.

© SZ Grafik