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Bricht Tatravagonka sein Schweigen zum Waggonbau Niesky?

In der Gesprächsbereitschaft sehen die Nieskyer einen Hoffnungsschimmer. Aber wird das ihren Traditionsbetrieb retten? IG Metall und Betriebsrat halten an den Protesten fest.

Von Sebastian Beutler & Steffen Gerhardt
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Zur 13. Mahnwache vor dem Tor des Waggonbau Niesky konnte Betriebsratsvorsitzender Peter Jurke am Dienstag verkünden, dass es zu einem Gespräch zwischen dem Eigentümer der Nieskyer Betriebes Tatravagonka und der Landesregierung kommen soll.
Zur 13. Mahnwache vor dem Tor des Waggonbau Niesky konnte Betriebsratsvorsitzender Peter Jurke am Dienstag verkünden, dass es zu einem Gespräch zwischen dem Eigentümer der Nieskyer Betriebes Tatravagonka und der Landesregierung kommen soll. © André Schulze

Nach wochenlangem Schweigen hat der slowakische Eigentümer des Nieskyer Waggonbaus erstmals einen Gesprächstermin mit Vertretern der sächsischen Landesregierung angekündigt. Darüber informiert die IG Metall Ostsachsen. Allerdings steht noch kein Termin fest.

Diese gute Nachricht verkündete am Dienstagnachmittag Betriebsratsvorsitzender Peter Jurke vor dem Werktor. Vor diesem hatten sich rund 50 Waggonbauer und Sympathisanten zur 13. Mahnwache versammelt. Als kleiner Hoffnungsschimmer wurde diese Nachricht aufgenommen. Aber ob sich daraus etwas im Interesse der Nieskyer bewegen wird, daran bestehen berechtigte Zweifel, wenn man die vergangenen Wochen und Monate betrachtet mit dem Schweigen des slowakischen Eigners.

„Momentan sind wir mehrfach wöchentlich mit der Landesregierung und der Wirtschaftsförderung im Austausch“, berichtet Eileen Müller von der IG Metall Ostsachsen. "Die erste kleine Regung des Eigentümers, zumindest einen Termin mit den politischen Vertretern der Landesregierung in Aussicht zu stellen, sehen wir durchaus als ersten Erfolg." Gewerkschaft und Belegschaft sehen weiterhin eine Zukunft für den letzten Güterwagenhersteller Deutschlands.

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"Wir wollen eine klare Perspektive zum Nieskyer Waggonbau, ob weiter Güterwagen hergestellt werden oder alles dichtgemacht wird", sagt Steffen Beier. Er ist Mitglied im Betriebsrat und im Werk im Vorrichtungsbau tätig. Über 40 Jahre arbeitet er in dem Werk, hat hier seine Lehre als Maschinen- und Anlagenmonteur gemacht. Einige Wechsel in der Geschäftsführeretage hat er schon miterlebt, aber so im Stich gelassen wie jetzt, hat er sich als Waggonbauer noch nie gefühlt.

Sogar der Diesel wird knapp

Aus der Belegschaft ist zu erfahren, dass die Aufträge noch bis März, April für Arbeit sorgen. Der größte Posten sind die 27 Transportwagen für Kraftfahrzeuge für den Eurotunnel zwischen Frankreich und England. Nachfolgeaufträge sind nicht in Sicht, inzwischen wird sogar der Dieselkraftstoff im Werk knapp. "Zustände, die wir nicht mal in der DDR-Planwirtschaft hatten", wirft ein Waggonbauer sarkastisch ein. Ein anderer sagt, dass er mit der geballten Faust in der Tasche übers Werksgelände läuft, wenn er diesen Niedergang sieht und miterleben muss. Gute Stimmung äußert sich anders.

Wenn Manuel Zaplata Frühschicht hat, steht er jeden Dienstag ebenfalls vor dem Werktor. Er ist Leiter des Eurotunnel-Projektes und in vierter Generation in dem Werk. "Mein Urgroßvater hat noch bei Christoph und Unmack gearbeitet", sagt er nicht ohne Stolz auf seine Familientradition. Auch er weiß nicht, was nach den 27 Transportwagen kommt, wenn sie Niesky verlassen haben. "Der Nieskyer Waggonbau ist ein politisches Thema auf höchster Ebene", sagt der junge Mann mit Meisterausbildung. Denn solange Staatskonzerne wie die Deutsche Bahn dort kaufen können, wo es am billigsten ist, zählt eine Fertigung in Deutschland nichts. "Das ganze Vergabesystem muss überarbeitet werden", ist Manuel Zaplata überzeugt.

Berühmt für seine Spezialgüterwagen

"Niesky war weltweit bekannt und anerkannt für seine Spezialgüterwagen", ergänzt Steffen Beier und fragt: "Was ist davon geblieben?" Niesky mischte den Weltmarkt auf mit seinen "Flüstergestellen" für Güterwaggons. Das war eine ingenieurtechnische Spitzenleistung aus dem Traditionsbetrieb. "Aber wer soll solche Entwicklungen noch zu Papier und in die Produktion bringen, wenn unsere Fachleute dem Waggonbau den Rücken kehren?", sorgt sich der Betriebsrat. Zu viele Fragen, auf die die Konzernmutter Tatravagonka keine Antworten gibt.

Deswegen halten die IG Metall Ostsachsen und der Betriebsrat an den Mahnwachen vor dem Tor des Nieskyer Unternehmens bis April vorerst fest. Für nächsten Dienstag wird eine Bundestagsabgeordnete der SPD zur Mahnwache erwartet. Darüber hinaus planen Nieskyer Einzelhändler eine gemeinsame solidarische Aktion mit den Waggonbauern, die noch im Februar stattfinden soll. "Uns ist es wichtig, dass wir hier nicht allein stehen. Der Waggonbau geht ganz Niesky etwas an, deshalb sind wir dankbar für jede Unterstützung und dass eine breite Öffentlichkeit erfährt, wie es um unseren Betrieb und seine Belegschaft bestellt ist", fasst Peter Jurke das Anliegen der Mahnwache zusammen.

Die IG Metall Ostsachsen fordert weiterhin gemeinsam mit den Beschäftigten und dem Betriebsrat den slowakischen Eigentümer zu Verhandlungen mit den betrieblichen und gewerkschaftlichen Akteuren über konkrete Maßnahmen zu Perspektive, Struktur und Strategie auf. Die Beschäftigten sorgen sich um das Fortbestehen des Standortes. Denn die Standortgarantie bei der Übernahme durch das slowakische Unternehmen Tratavagonka läuft Ende dieses Jahres ab.