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Das Märchen von der weißen Weihnacht

Der „Winterfeind“ kommt vom Atlantik, sagt ein Wetterfachmann. Doch für eine Dresdner Region gibt es noch Hoffnung.

Von Christoph Springer
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Mit roten Bäckchen und Äpfelchen bereiten auch Grüne Weihnachten große Freude.
Mit roten Bäckchen und Äpfelchen bereiten auch Grüne Weihnachten große Freude. © Ronald Bonß

Langsam verblasst die Erinnerung. Wie es damals war, als Heiligabend das letzte Mal Schnee lag. Wie gedämpft die Geräusche waren. Wie sauber alle Straßen wirkten. Wie hell die Nacht war und wie der Schnee unter den Schuhen knirschte. Vor acht Jahren gab es das in Dresden das letzte Mal. Meteorologe Jörg Kachelmann erinnerte daran am Donnerstag. „Bis auf eine Wetterstation meldeten alle in Deutschland eine geschlossene Schneedecke“, rief er Bilder vom tief verschneiten Dresden ins Gedächtnis. Das war im Dezember 2010. Schon vor Weihnachten hatte es kräftig geschneit. 19 Zentimeter hoch lag der Schnee am 22. Dezember 2010 in Klotzsche, 13 Zentimeter waren es in Mobschatz, immerhin noch sieben und acht Zentimeter an den Wetterstationen in Strehlen und Hosterwitz. In der Weihnachtsnacht schneite es wieder. Selbst im Elbtal waren die Schneehöhen danach zweistellig.

Daraus wird in diesem Jahr nichts. Das ist schon seit Tagen sicher. Seit Ende letzter Woche erklären die Meteorologen, dass es auch 2018 nichts wird mit der weißen Weihnacht. Auch Jens Oehmichen vom Deutschen Wetterdienst (DWD) in Leipzig ist sich da sicher. „Im oberen Erzgebirge wird Weihnachten weiß, fürs Tiefland wird es nicht reichen“, sagt der Meteorologe. Mit etwas Glück können aber die Bewohner oberhalb des Elbtals mit ein wenig Schnee rechnen. „Es ist möglich, dass das Schönfelder Hochland weiß überzuckert wird“, macht der Leipziger Wetterfachmann ein wenig Hoffnung. Für das aktuelle Wetter seien zwei kräftige Tiefdruckgebiete über dem Ostatlantik und den britischen Inseln verantwortlich. „Die führen milde Meeresluft zu uns, das ist der Winterfeind schlechthin“, sagt Oehmichen. Schlimm findet er das nicht. „Das ist das typische, häufige Wetter zur Weihnachtszeit. Wir Meteorologen nennen es das Weihnachtstauwetter.“

Schon vor Jahresfrist hatte dieses Wetter Dresden fest im Griff. Bereits vor dem 24. Dezember kletterten die Temperaturen, Weihnachten erwarteten die Meteorologen damals zweistellige Plusgrade. Und dieses Mal? Bis zum Weihnachtsmorgen soll es immer wieder regnen, dazu kommt noch kräftiger Wind. Oehmichen erwartet stürmische Böen, vor allem in den Nächten. „Weihnachten wird es dann nicht ganz so bockig, aber ein frisches Lüftchen wird immer wehen“, sagt der Wetterexperte. „Da wird ein Spaziergang im Freien ungemütlich.“ Wenigstens hört der Regen fast völlig auf. Dazu wird es etwas kälter. Das ist die Hauptvoraussetzung dafür, dass dann im Hochland ein wenig Schnee fallen könnte. „Der entscheidende Faktor für weiße Weihnacht ist in allererster Linie die Höhe über dem Meeresspiegel“, erklärt Oehmichen. Die Wetterstation am Flughafen in Klotzsche steht 227 Meter über Meereshöhe, sie lässt Aussagen für das Schönfelder Hochland und die Region östlich von Dresden bis Pulsnitz und Bischofswerda zu. Echte Dresdner Werte liefert eher die Wetterstation in Strehlen. Sie steht 119 Meter über dem Meeresspiegel. Schnee ist dort an den Weihnachtstagen nicht zu erwarten, sagt der Leipziger Meteorologe.

Seit 1935 werden in Klotzsche durchgehend die Wetterdaten erfasst. Seitdem gab es nur 24-Mal eine weiße Weihnacht. 
Seit 1935 werden in Klotzsche durchgehend die Wetterdaten erfasst. Seitdem gab es nur 24-Mal eine weiße Weihnacht.  © Grafik: Romy Thiel

Schnee ist am 24., 25. oder 26. Dezember in Dresden ohnehin eher die Ausnahme. Alle fünf bis zehn Jahre könne man in der Landeshauptstadt mit weißen Weihnachten rechnen, meint Oehmichen. „Aber das passiert relativ unregelmäßig, ziemlich zufällig sogar.“ Viele Jahre hintereinander ohne Schnee bedeuten also noch lange nicht, dass eine weiße Weihnacht wahrscheinlicher wird. Wer also jetzt, im achten Jahr ohne Weihnachtsschnee, meint, 2019 könne das deshalb anders sein, liegt falsch. „Wir haben im Tiefland im Schnitt pro Jahr 30 bis 40 Tage mit Schnee“, erklärt der Meteorologe. Dazu müsse wenigstens ein Zentimeter Schnee liegen.

Besonders unfreundlich für Wintersportler war die Saison 2007/2008. „Da lag nur am 2. Januar Schnee“, liest der Meteorologe aus seinen Daten. Die letzte weiße Weihnacht in Dresden war dagegen heftig. Oehmichen: „Dresden sah aus wie ein Wintersportort, die Fußgänger waren auf Langlaufskiern unterwegs.“

Auch an den Winter 1978/1979 erinnert Oehmichen beim Thema weiße Weihnacht. Damals gab es einen „markanten Wintereinbruch.“ Innerhalb von 12 Stunden sei die Temperatur um bis zu 20 Grad gefallen, dann gab’s jede Menge Neuschnee. Die Armee und viele andere Helfer waren damals gefragt. Sie mussten unter anderem dafür sorgen, dass der Verkehr nicht komplett zusammenbricht, und schaufelten oder schoben mancherorts lange Schneisen in den tiefen Schnee. In diesem Jahr konnte der Winterdienst bisher die Füße hochlegen. An 27 Tagen unternahmen die Mitarbeiter Kontrollfahrten, dabei war nur eine Minimannschaft im Einsatz, berichtet der Leiter des Straßen- und Tiefbauamtes Reinhard Koettnitz.

An zwölf Tagen musste der Winterdienst auch ein wenig streuen. Genau so war es auch im November und Dezember 2017. Auch für diese Zeit stehen zwölf Streueinsätze im Winterdienst-Einsatzplan. Die Räumschilde der orangefarbenen Laster wurden in der aktuellen Wintersaison noch gar nicht gebraucht. Auch das deckt sich mit dem Einsatzplan aus dem letzten Winter.

Jens Oehmichen gibt die Hoffnung auf Schnee aber noch lange nicht auf. Dazu muss die Kälte aus dem Nordosten kommen und Regen dabei sein. Manche nennen dieses Wetter die Russenpeitsche.