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Konservative Mitte jetzt eigene Fraktion im Kreistag SOE

Die achte Fraktion setzt erste Akzente. Die jüngste Sitzung endete aber aus anderem Grund fast im Tumult.

Von Gunnar Klehm
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Sie bilden die neue Fraktion im Kreistag Sächsische Schweiz-Osterzgebirge: Peter Pfitzenreiter, Uwe Rumberg, Martin Rülke, Jörg Müller (v.l.).
Sie bilden die neue Fraktion im Kreistag Sächsische Schweiz-Osterzgebirge: Peter Pfitzenreiter, Uwe Rumberg, Martin Rülke, Jörg Müller (v.l.). © Norbert Millauer

Der Kreistag wird noch bunter. Im höchsten politischen Gremium des Landkreises Sächsische Schweiz-Osterzgebirge sind nunmehr acht Fraktionen vertreten. Die vier abtrünnigen früheren CDU-Kreisräte, Uwe Rumberg, Peter Pfitzenreiter, Martin Rülke und Jörg Müller, haben jetzt eine eigene Fraktion im Kreistag gebildet, die sich Konservative Mitte nennt. Vorsitzender ist Martin Rülke. Das Personal ist quasi die Freitaler Rathausspitze. Rumberg ist Oberbürgermeister, Pfitzenreiter Erster Bürgermeister und Rülke Amtsleiter. Müller ist zudem auch ehrenamtlicher Stadtrat in Freital.

Damit splittet sich der 87-köpfige Kreistag nunmehr in die Fraktionen CDU, AfD, Freie Wähler, Linke, Grüne, SPD, FDP und die Konservative Mitte. Letzterer Name ging Landrat Michael Geisler (CDU) anfangs nur schwer über die Lippen. Ab dem fünften Mal klappte es dann perfekt und das Murren in der vorletzten Reihe verstummte.

Dort hinten mussten die vier nun in der Sporthalle des BSZ in Pirna-Copitz Platz nehmen. Um Pandemie-gemäß größere Abstände zu schaffen, wurde erneut statt im angestammten Kreistagssaal in Copitz getagt. Die kleinsten Fraktionen sitzen hinten.

Losverfahren abgewendet

Doch nicht nur wegen der Konservativen Mitte gab es ein Stühlerücken. Die CDU-Fraktion schrumpfte auf 22 Mitglieder. Nunmehr ist die Alternative für Deutschland mit 25 Kreisräten die stärkste Fraktion und durfte dementsprechend ganz nach vorn rücken. Der damit "kürzere Draht" zum Landrat wurde gleich mal weidlich genutzt: Man verstand sich ohne Mikro - bis in den hinteren Reihen wieder gemurrt wurde. Dann schritten auch die AfD-Räte bei Wortmeldungen wieder ordnungsgemäß zu den Saalmikrofonen.

Der Unterhaltungswert gelebter Demokratie war zur Sitzung am Montagabend fast durchweg höher als sonst. Interessierte sollten sich schon mal den 4. April vormerken. Dann ist um 17 Uhr die nächste öffentliche Sitzung des Kreistags terminiert, und zwar im Kreistagssaal auf dem Pirnaer Sonnenstein.

Auf offener Bühne wurden von den Fraktionen SPD, FDP und Konservativer Mitte die Verteilung von zwei zu vergebenen Sitzen im Bildungsausschuss und einem im Jugendhilfeausschuss ausgehandelt. Was im Vorfeld offenbar nicht möglich war, klappte nun auf Zuruf quer durch den Saal. Die FDP nimmt den Sitz im Jugendhilfeausschuss, die anderen beiden je einen im Bildungsausschuss. Hätte es keine Einigung gegeben, hat das Landratsamt schon mal vorsorglich ein Losverfahren vorbereitet. Politik wäre fast ein Stückchen Glückssache geworden.

Mit der Neugründung der Fraktion Konservative Mitte veränderte sich in fast allen Ausschüssen die Sitzverteilung. Die CDU muss fast überall einen Sitz abgeben, die Konservative Mitte kommt hinzu. Die neue Konstellation sorgte aber dafür, dass die gleichstarken Fraktionen SPD, FDP und Konservative Mitte gleiche Ansprüche anmelden durften. Weshalb die Einigung der drei nötig wurde.

Wechselnde Mehrheiten

Überraschend war an jenem Abend auch, dass die sechs Änderungsanträge von CDU und FDP zum Haushalt 2022 sowie die drei CDU-Anträge zum Haushaltsstrukturkonzept jeweils mit wechselnden Mehrheiten mal angenommen oder mal abgelehnt wurden. Um eine absolute Mehrheit von 44 Stimmen zu schmieden, ist die CDU jetzt mindestens auf drei oder gar vier weitere Fraktionen angewiesen. Das macht das politische Handeln kompliziert.

Rechnerisch hätten zwar CDU (22) und AfD (25) eine stabile Mehrheit. Doch beide politischen Lager sind weit voneinander entfernt, wie insbesondere bei einem Antrag von AfD-Kreisrat Lothar Mende deutlich wurde, der äußerst angriffslustig vorgetragen wurde. Die Aussprache dazu gipfelte in einem Tumult.

Für jenen AfD-Antrag zur Durchführung eines Tages der Vermarktung regional produzierter Lebensmittel stimmte schließlich nur noch die eigene Fraktion und wurde von der großen Mehrheit abgelehnt. Einen solchen Tag gäbe es bereits jeden Monat zum Naturmarkt in Tharandt, entgegnete etwa die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Silke Körner. Bestehendes dauerhaft zu stärken, sei wichtiger als ein symbolischer Tag.

Martin Rülke versuchte noch, einen Kompromissvorschlag zu machen, kam damit aber nicht durch. Auffällig war jedoch, dass seine neue Fraktion keinerlei Berührungsängste mit den politischen Konkurrenten hat. Die vier Räte stimmten mal mit der AfD, mal mit den Linken, oft mit CDU oder Freien Wählern.

Am Ende der Sitzung wurde aber deutlich, dass die neue Fraktion dem Landrat die Arbeit nicht gerade leichter machen wird, als Uwe Rumberg diesen fragte, ob er nicht wisse, wie lange man FFP2-Masken maximal ohne Pause tragen sollte. Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz hat das mit 75 Minuten angegeben. Zu dem Zeitpunkt wurde aber schon mehr als vier Stunden lang getagt und FFP2-Masken waren Pflicht. Landrat Geisler räumte ein, die 75-Minuten-Grenze zu kennen und erklärte, das nächste Mal auf entsprechende Pausen zu achten. Diese Kreistagssitzung dürfte noch länger nachhallen.