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Dohma: Lebensgefährliche Haltestellen werden entschärft

Anwohner kämpfen schon seit Jahren für sichere Busstopps „Am Tunnel“ direkt an der S173. Nun gibt es Anfang Juni zumindest ein wenig Kosmetik.

Von Thomas Möckel
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Haltestellen "Am Tunnel" in Dohma: Keine Flächen für Wartende und Aussteigende, auch Lampen fehlen.
Haltestellen "Am Tunnel" in Dohma: Keine Flächen für Wartende und Aussteigende, auch Lampen fehlen. © Daniel Schäfer

Wer bislang an den Haltestellen „Am Tunnel“ in Dohma in den Bus einsteigen oder aus dem Bus aussteigen wollte, der schwebte – so sehen es zumindest viele Anwohner – zuweilen in Lebensgefahr. Die Busstopps liegen direkt an der Staatsstraße 173, die von Pirna nach Berggießhübel führt oder umgekehrt. Bis vor Kurzem durften Kraftfahrer dort mit Tempo 100 vorüberjagen. Zudem liegen die Haltestellen hinter einer Bergkuppe, ein Überholverbot an dieser Stelle gibt es nicht.

Ohnehin sind die Ein- und Aussteigebereiche schlecht zu erkennen, die Schilder sind ausgeblichen, nichts anderes weist auf die Haltestellen hin. In Richtung Berggießhübel gibt es zwar ein Wartehäuschen, aber das steht einige Meter von der Straße entfernt und auch etwas unterhalb der Trasse. Das bringt auch Nachteile für die Fahrgäste mit sich, denn von dort aus ist ein herannahender Bus nicht zu erkennen.

Hinzu kommen bauliche Defizite. Wer an der Haltestelle in Richtung Berggießhübel aussteigen will, muss aufpassen, dass er nicht vom Bus in den Straßengraben abrollt. Die kleine Böschung fällt dort steil ab, eine ausreichend große Stellfläche gibt es nicht. Zudem ist der Bereich unbeleuchtet. Und wer an der Haltestelle in Richtung Pirna wartet, steht mit den Füßen schon fast auf der Straße, weil dahinter gleich das unebene Feld beginnt. Mehrere Anwohner befanden, dass sich an diesem Zustand dringend etwas ändern müsse.

Größere Flächen für die Wartenden

Das tut es nun auch. Es ist zwar nicht der große Wurf, auf den viele warteten, zunächst gibt es nur ein wenig Kosmetik. Am 1. und 2. Juni wird das Landesamt für Straßenbau und Verkehr (Lasuv) an den Dohmaer Bushaltestellen „Am Tunnel“ baulich ein wenig verändern. Nach Aussage der Behörde werden die Warte- und Ausstiegsflächen angehoben und vergrößert. Die Arbeiten kosten rund 8.000 Euro. Die S173 wird an diesen beiden Tagen im Baubereich halbseitig gesperrt, eine Ampel regelt derweil den Verkehrsfluss.

Damit es überhaupt dazu kommt, brauchte es einen langen Anlauf. Viele Dohmaer, unter ihnen Eric Frank, kämpfen schon seit Jahren darum, dass die aus ihrer Sicht lebensgefährlichen Haltestellen entschärft werden – bislang jedoch ohne nennenswerten Erfolg. 2022 entschied Frank, den Kampf wieder aufzunehmen, weil sein Kind nun von eben jener Stelle mit dem Bus fahren muss.

Ein langer Schriftwechsel mündete schließlich in einem Vor-Ort-Termin am 6. Februar. Mit dabei waren Einwohner aus Dohma, Vertreter der Stadt Pirna, der Gemeinde Dohma, der Polizei, des Lasuv sowie vom Regionalverkehr Sächsische Schweiz-Osterzgebirge (RVSOE). Gemeinsam galt es, eine Reihe von Problemen zu besprechen, die Liste der Forderungen war lang. Im Ergebnis gab es einige Zusagen. Die Stadt sicherte zu, die zulässige Höchstgeschwindigkeit im Bereich der Haltestellen auf 70 zu drosseln, das Lasuv sagte zu, die Wartebereiche zu vergrößern, auch sollten die neue Haltestellenschilder installiert werden. Doch die Ergebnisse ließen zunächst auf sich warten.

Es wird weiter gerast und überholt

„Passiert ist erst einmal nichts“, konstatiert Frank, „obwohl für die provisorischen Haltestellen einfach nur ein wenig Schotter aufgebracht werden musste.“ So zumindest habe man es ihm erklärt. Und eigentlich wollte Frank keine Provisorien, sondern solche schicken Haltestellen, wie man sie zuweilen schon im Pirnaer Stadtgebiet sieht, nachdem sie barrierefrei umgebaut wurden. Frank recherchierte, dass der Bau von zwei dem aktuellen Standard entsprechenden Bushaltestellen „Am Tunnel“ etwa 25.000 Euro kosten würde, dafür gebe es eine 90-prozentige Förderung. Auf die Frage an die Gemeinde Dohma, ob sie den dafür nötigen Eigenanteil von rund 2.500 Euro aufbringen wolle, habe er keine Antwort erhalten. Und Pirna erklärte sich für nicht zuständig – die Haltestellen liegen nicht im Pirnaer Stadtgebiet, es zählt dabei nicht, dass Pirna und Dohma eine Verwaltungsgemeinschaft bilden. Nicht nachvollziehbar sei es laut Frank, dass das Provisorium nun 8.000 Euro kostet, aber eine richtige Haltestelle die Gemeinde nur 2.500 Euro abverlangen würde. Hier würden Steuergelder mal wieder zum Fenster herausgeschmissen.

Wenig später erfüllte die Stadt Pirna ihr Zusage und ordnete das Tempolimit von 70 km/h an. „Das war toll“, sagt Frank. Aber aus seiner Sicht und der Anwohner gebe es weiterhin viele Autofahrer, die dort unbedingt schneller fahren und überholen wollen. Sein beantragtes Überholverbot wurde allerdings abgelehnt, was er nicht nachvollziehen kann.

Weil sich weiterhin nichts bewegte, schrieb Frank ans sächsische Verkehrsministerium, verbunden mit der Bitte, im Bereich „Am Tunnel“ zwei ordentliche Bushaltestellen zu bauen. Das Ministerium verwies auf die zugesagte Soforthilfe des Lasuv, die Wartebereiche mittels Schotter zu vergrößern. Der dafür notwendige Auftrag könne aber erst nach einer Ausschreibung vergeben werden.

Bürgernähe sei dem Staat abhandengekommen

Der Bau neuer Haltestellen scheitert aber noch aus einem anderen Grund. Laut des Ministeriums sind entlang der S173 irgendwann beidseits Radweg geplant, dieses Vorhaben befindet sich jedoch erst in der frühen Phase der Vorplanung. Daher könne man jetzt keine neuen Ausstiegs- und Einstiegsbereiche bauen, die dann möglicherweise auf der Route der Radwege liegen. Daher sollen die Haltestellen erst im Zuge des Radwegbaus neugestaltet werden.

Frank fehlt für derlei Argumente das Verständnis. „Warum sind Fachleute, die den Verlauf des Radweges planen, nicht in der Lage, so vorauszuplanen, dass man einen späteren Radweg nicht in eine sofort neu errichtete Bushaltestelle mit einplanen kann?“, fragt er. Außerdem liege die Vermutung nahe, dass dieser Radweg in den nächsten zehn bis 20 Jahren nicht realisiert werde. Zudem habe ein Vermessungsingenieur, der vor Ort angetroffen wurde, erklärt, dass es nur eine Möglichkeit für die Realisierung des Radweges gebe.

Auch dem Wunsch nach einer Beleuchtung für die Haltestellen ist noch niemand nachgekommen. „So gehören leider Taschenlampen weiter zur Pflicht“, sagt Frank, „damit sich Fahrgäste bei schlechter Sicht beim herannahenden Bus bemerkbar machen können.“ Nach seiner Aussage bleiben auch die verblassten Schilder noch eine Weile hängen, sie sollen aber voraussichtlich noch in diesem Jahr gegen neue Masten und Schilder ausgetauscht werden. Frank will weiterkämpfen für sichere Haltestellen. „Das wird aber dauern“, sagt er ernüchtert, „weil die Bürgernähe unserem Staat vollständig abhandengekommen ist.“