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Humorvoll, aber behäbig: Was bleibt nach 14 Jahren OB Hanke?

Klaus-Peter Hanke war zwei Amtszeiten lang Rathauschef. Nicht immer agierte er glücklich, mit ihm erlebte Pirna aber auch Aufschwung. Eine Betrachtung.

Von Thomas Möckel
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Pirnas früherer OB Klaus-Peter Hanke: Eher ein Verwalter als ein Gestalter.
Pirnas früherer OB Klaus-Peter Hanke: Eher ein Verwalter als ein Gestalter. © Daniel Förster

In seiner vorletzten Amtswoche, es war der Faschingsdienstag im Februar, holte Pirnas inzwischen aus dem Amt geschiedener Oberbürgermeister Klaus-Peter Hanke ein kleines Steingutgefäß aus dem Sekretariat in sein Büro, das als Sammelbehälter diente. Seine Vorzimmer-Damen hatten über die gesamten 14 Jahre, die er im Amt war, darin etwas aufbewahrt, ja quasi archiviert: Es waren ganz bestimmte Schreibwerkzeuge.

Wenn der OB Schriftstücke unterzeichnet, dann mit rotem Stift. Nur er darf im Rathaus mit dieser Farbe signieren, für gewöhnlich das Datum und die Unterschrift. Hanke benutzte dafür rote Faserstifte mit schmaler Mine. 50 Stifte hat er in den zwei Amtsperioden leer geschrieben, der 51. lag angefangen auf dem Schreibtisch. Es müssen Hunderte, eher Tausende Unterschriften gewesen sein, mit denen er vieles auf den Weg brachte. Und nun, nach dem Ende seiner Amtszeit, steht die Frage: Was bleibt von ihm, seiner Amtszeit?

Humor ist, wenn man trotzdem lacht

Was bleibt, ist seine lockere, ungezwungene Art, meist kam er als Kumpeltyp daher, manchmal ein wenig hemdsärmelig, ohne Allüren, einer, der auch mal im Pullover oder im T-Shirt zu offiziellen Terminen ging. Er war kein steifer Amtsträger, er war stets volksnah und volkstümlich im Ton, scheute keine Gespräche, blieb auf der Straße stehen, wenn ihn jemand ansprach, plauderte. Selbst aus dem fahrenden Auto heraus grüßte er, wenn er jemanden auf den Gehweg erkannte. Viele Menschen goutierten das.

Dieser Humor, diese Lockerheit trugen ihn durch nicht immer ganz einfache Amtsjahre, auch nahm er sich dabei selbst nicht immer ganz so ernst, Hanke war einer, der auch mal über sich selbst lachen konnte. Allerdings kamen seine Scherze und Kalauer, die er einstreute, nicht immer und bei allen gut an. In Stadtratssitzungen wirkte es gelegentlich so, als wollte er mit überzogenen Späßen von Unwissenheit ablenken. Ab und an nahm er auch Stadträte auf die Schippe, was nicht immer der jeweiligen Situation angemessen war. Beleidigt oder bloßgestellt hat er aber niemanden.

Ein ungeschickter Umzug

Aber all der Humor und seine lockere Art dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass Hanke überwiegend sehr behäbig agierte, viele Dinge zögerlich anging. Er war nicht wirklich ein Visionär, eher ein Verwalter als ein Gestalter. Die großen Ideen, wohin Pirna auch über seine Amtszeit hinaus steuert, fehlten. Vieles trieb vor sich hin, ein roter Faden war kaum erkennbar.

Selbst von ihm priorisierte Themen verfolgte er nicht mit der gebotenen Beharrlichkeit, wie ein Beispiel von 2016 zeigt. Im Zuge seiner zweiten Kandidatur hatte Hanke angekündigt, im Gasthaus „Weißes Roß“ eine Kulturstätte zu etablieren, in naher Zukunft, so sagte er, werde im Saal wieder getanzt. Als er dann wiedergewählt war, hat er sich nie wieder darum bemüht, die Idee versandete.

Und gelegentlich agierte er richtig ungeschickt, beispielsweise, als er mitten in der zweiten Amtszeit seinen Wohnsitz von Pirna nach Dresden verlegte. Ja, ein Rathauschef hat keine Residenzpflicht, und ja, es war eine rein private Entscheidung. Doch viele Pirnaer nahmen ihm das zurecht übel, denn ein Oberbürgermeister, der nicht in „seiner“ Stadt wohnt, geht eigentlich nicht.

Oft getrieben von der Entwicklung

Aber natürlich war in seiner Amtszeit nicht alles schlecht, Hanke hat auch viel Gutes hinterlassen, unter ihm erlebte die Stadt auch Aufschwung. Pirna profitiert seit über zehn Jahren wieder vom Zuzug, die Gewerbegebiete sind voll, die soziale Infrastruktur mit Kitas und Schulen ist - bis auf wenige Ausnahmen - intakt und kann sich im Vergleich zu anderen Städten durchaus sehen lassen.

Allerdings fanden sich Hanke und die Stadt dabei nicht immer in der Rolle der Agierenden wieder, oft waren sie von der Entwicklung getrieben. Dass zusätzliche Kinder geboren und wieder mehr Menschen nach Pirna zogen, war nicht in erster Linie der Verdienst des Rathauses, sondern basierte auf familiären Entscheidungen oder auf jener von privaten Investoren, hier Häuser zu sanieren oder ganz Wohnparks neu zu bauen, um Wohnraum zu schaffen. Für sie schaffte die Stadt immerhin überwiegend gute Bedingungen.

Vor allem die zusätzlichen Kinder verlangten nach Betreuungs- und Schulplätzen, und Hanke erkannte früh, dass eine gut ausgebaute soziale Infrastruktur ein entscheidender Faktor für Zuwachs ist. So ist ihm zugute zu halten, dass während seiner Amtszeit ein zweistelliger Millionenbetrag in Kitas, Horte und Schulen floss, auf die Verwaltung im Rücken war dabei immer Verlass.

Dialog in Corona-Zeiten verschlafen

Seine Verwaltung nahm Hanke stets in Schutz, wenn es gegen sie ging, vor allem dann, wenn Stadträte den Rathaus-Mitarbeitern vorwarfen, sie seien unfähig oder arbeitsunwillig. In anderen Situation wiederum musste man ihn eher zum Gespräch drängen, beispielsweise in der Zeit der Corona-Pandemie. Obwohl es angebracht gewesen wäre und er auch mehrfach dazu aufgefordert wurde, sich vor oder hinter die Stadtgesellschaft zu stellen, Regeln zu erklären und die Menschen zu einen, war von ihm lange nichts zu hören. Erst spät ergriff er das Wort.

Diesen Dialog hat er verschlafen, obgleich er sich sonst kaum davor scheute. Gewiss war er nicht der brillante Rhetoriker, aber er traf meist den Ton, auf den es ankam, unaufgeregt, beschwichtigend. Oft bewies er diplomatisches Geschick, konnte Dinge gut wegmoderieren oder auch mal den Druck aus dem Kessel nehmen, wenn die Gesprächsatmosphäre zu aufgeheizt war.

Krisen gemeistert, Europa gelebt

In seiner Amtszeit hat Hanke auch gelernt, Krisen gut zu managen, beispielsweise bei der Flut 2013 oder ein Jahr später nach der Explosion im Neundorfer Chemiewerk. Diese Situationen zu bewältigen, haben ihm viel Kraft, Verhandlungsgeschick und Aufbauarbeit abverlangt, alles spulte er in gewohnter Ruhe ab.

Überdies lebte Hanke auch ausgesprochen den europäischen Gedanken, was sich vor allem in den Beziehungen zu den Partnerstädten zeigt. Seine Kontakte, dieser Zusammenhalt gingen weit über eine amtliche Städtepartnerschaft hinaus. Egal, ob er Amtskollegen aus Boleslawiece, Capannori oder Longuyon traf, man hatte stets den Eindruck, da kamen Menschen zusammen, die sich schon seit Jahrzehnten kannten, so herzlich ging man miteinander um.

Für sich selbst beanspruchte Hanke stets, ein Demokrat zu sein, tolerant, weltoffen, nahbar, höflich, umgänglich, überwiegend hat er all das gelebt.

So richtig sagen, womit er Pirna nun in den 14 Jahren geprägt hat, lässt sich gar nicht so richtig beschreiben, da sind keine Leuchttürme, die hinausragen. Aber vielleicht ist es die Vielzahl kleiner Dinge, die sich summiert zu einem großen Puzzle zusammenfügen und Pirna jetzt zu dem machen, was es ist.

So hinterlässt er schon eine intakte Stadt, die gut aufgestellt ist. Sicher gibt es einiges, was längst noch nicht so ist, wie es sein sollte – aber gleichwohl lässt es sich in Pirna im Vergleich zu vielen anderen Städten ganz gut leben.