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Kinderreporter Eddie: Lohnt sich auch im Winter ein Besuch auf der Burg Stolpen?

Eddie geht in Stolpen auf Spurensuche nach der Gräfin Cosel. Was er über sie herausgefunden hat und welches Fazit er aus den Augen eines Kinderreporters zieht.

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Gefunden: Kinderreporter Eddie hat den Cosel-Turm auf der Burg Stolpen ausfindig gemacht.
Gefunden: Kinderreporter Eddie hat den Cosel-Turm auf der Burg Stolpen ausfindig gemacht. © Matthias Schildbach

Von Matthias Schildbach

Die Burg Stolpen kennt unser Kinderreporter Eddie schon seit längerer Zeit. Immer, wenn ihn die Autofahrt einmal durch die Gegend führte, fielen ihm schon von weitem die Türme der Burg auf. Dagewesen ist er bislang noch nicht. Der Erstklässler weiß einen Begriff mit der Burg Stolpen zu verbinden: den der Gräfin Cosel, denn davon hat er in seinem August-der-Starke-Kinderbuch gelesen. Jetzt ist das Interesse geweckt und SZ-Kinderreporter Eddie will herauszufinden, ob sich zur kalten Winterzeit ein Besuch auf Burg Stolpen lohnt und was man von Gräfin Cosels Geschichte noch finden kann.

Ohne warme Kleidung geht gar nichts an diesem eisigen Samstagvormittag, auch wenn die Sonne scheint. Eddie ist der Erste am Burgtor, das 10 Uhr öffnet. Begrüßt wird er von Uli Kretzschmar, dem Schlossleiter und Kulturmanager der Burg. Der verspricht Eddie garantierten Spaß auf der Burg, denn hier dürfen sich Kinder frei bewegen, durch Keller und Gewölbe streunen und Türme erklimmen.

Wobei zu bemerken ist, dass die Burg gar keine Burg ist, meint Schlossleiter Kretzschmar. Nein, antwortet Eddie, sie ist eine Festung, das habe er schon an den mächtigen Wällen erkannt. Richtig, bestätigt der Schlossleiter, einst war die Anlage eine Burg, dann ein Schloss, später teilweise zur Festung ausgebaut, heute eine Teilruine. Stolpen ist immer wieder umgebaut und umgenutzt worden.

Eddie klappt sein August-Buch auf, jetzt will er’s wissen: Da gibt es einen Turm, den Cosel-Turm! Dick und rund ist er, ein Gefängnis soll er gewesen sein. Anna Constantia Reichsgräfin von Cosel, so liest Eddie vor (wobei er bei Constantia einige Hilfe benötigt), soll dort gefangen gewesen sein. Stimmt das? Ja, das bestätigt Ulli Kretzschmar, wobei die Gräfin nicht ausschließlich im Turm lebte. Sie bewohnte luxuriös ausgestattete Räume im Schlossbereich, dessen Gebäude längst eingefallen sind. Bevor es zum Rundgang geht, bekommt Eddie eine Aufgabe vom Schlossleiter gestellt: Überall auf dem Schloss findet sich der Begriff "Basalt". Eddie soll herausfinden, was Basalt ist.

Keine Burg ohne Folterkammer

Im Kornhaus wird es gleich gruselig, ganz hinten findet sich die einstige Folterkammer. Eddie faszinieren zwei echte Schädel, lange bleibt er davor stehen, tastet an seinem eigenen Kopf vergleichend die Augenhöhlen ab und ist verwundert, dass das wirklich einmal lebende Menschen waren.

Die Ausstellungsstücke lassen seine Augen immer größer werden: Eine Streckbank, eine Menschensäge und das Richtschwert des Stolpener Scharfrichters Hans Schultz von 1603, das "in Echt" durch manchen Hals gegangen ist. Ein Glück, dass heute die schlimmste Strafe ein paar Jahre Gefängnis ist, meint der Kinderreporter, und im Gefängnis nicht mehr mit Folter gequält wird. Bloß raus hier, ganz geheuer ist dieses Gruselkabinett dann doch nicht. Eddie schlägt in seinem August-Buch die Abbildung des Cosel-Turms auf, den will er unbedingt finden.

Sägen, Schwerter, Messer, Eisenschellen - ein Glück, dass heute im Gefängnis nicht mehr gefoltert wird, meint Eddie.
Sägen, Schwerter, Messer, Eisenschellen - ein Glück, dass heute im Gefängnis nicht mehr gefoltert wird, meint Eddie. © Matthias Schildbach

Hinauf geht es in den zweiten Burghof, da sieht er ihn schon über sich thronen: den Cosel- oder Johannis-Turm. Die Türen stehen offen, sieben Geschosse hat der dicke Turm, ganz errichtet aus seltsamen achteckig erscheinenden schwarzen Steinen. Eddie steigt die Wendeltreppe hinauf. Eiskalt ist es drinnen. Besonders merkt er es, wenn er dann doch einmal seine Mütze absetzt.

Im dritten Stock ist es, das Zimmer der Gräfin Cosel. Hier hat sie also als Gefangene gesessen? Ja, es war einer der Räume ihrer Gefangenschaft auf der Burg. Sie hatte Bedienstete, die für sie kochten, ihr ab und an Gesellschaft leisteten und vor allem: heizten. Ob der große Kachelofen dieses Turmzimmer richtig gemütlich machen konnte, bezweifelt Eddie angesichts der Eiseskälte heute. Er fasst die dicke Wand an und erzieht erschrocken die Hand zurück: Eisekalt!

Und warum tat man der Gräfin das an? Eddie weiß die Antwort nur teilweise: Frau Cosel war eine "Mätresse" von Kurfürst August dem Starken, also eine Geliebte. Dann mischte sie sich in die Staatsangelegenheiten ein, so kann man es wohl mit wenigen Worten kindlich verständlich zusammenfassen, wollte, dass August sie heiratet. Das ging dann doch zu weit. Einflussreiche Menschen in Augusts Umfeld wirkten auf ihn ein, schlussendlich entschied er selbst: Die Cosel muss weg! 1716 verbannte August der Starke die Gräfin, nachdem sie elf Jahre seine Geliebte gewesen war und die beiden drei Kinder miteinander hatten, auf die Burg Stolpen. Hier lebte sie bis zu ihrem Tod im Jahr 1765, ganze 49 Jahre lang.

Das Schicksal der Gräfin bewegt Eddie

Wie wird sie sich wohl die Zeit vertrieben haben in der kalten, einsamen Burg? Eddie kann da nur mutmaßen anhand der Alltagsgegenstände, die er in der Ausstellung sieht: Sticken, Briefe schreiben, Spiele spielen – nur mit wem? Sich auf einen Sessel setzen. Was trinken. Aus dem Fenster gucken. Lesen. Über 3.000 Bücher soll die Gräfin am Ende ihres Lebens besessen haben. In das enge Turmzimmer passten die bestimmt nicht rein.

Die Cosel bewohnte nämlich luxuriös ausgestattete Räume im einstigen Schlossteil der Anlage. Die hatte ihr der Kurfürst von Anfang an zugestanden, wie auch generell eine Versorgung als Hochadelige. Sie war zutiefst gekränkt, sie verweigerte sich, selbst in der Gefangenschaft verhält sie sich August gegenüber respektlos und ungebührlich. Acht Jahre lang duldet August das, bis er 1724 alle Möglichkeiten für die Cosel, die Burg einmal verlassen zu können, über Bord wirft: Als Staatsgefangene bleibt die Gräfin lebenslang verbannt. Daran werden auch nach Augusts Tod 1733 die beiden nachfolgenden Kurfürsten nichts ändern.

"Hier dürfen sich Kinder frei bewegen, durch Keller und Gewölbe streunen und Türme erklimmen", verspricht Schlossleiter Ulli Kretzschmar. Eddie hat das mit viel Spaß an der Sache getestet.
"Hier dürfen sich Kinder frei bewegen, durch Keller und Gewölbe streunen und Türme erklimmen", verspricht Schlossleiter Ulli Kretzschmar. Eddie hat das mit viel Spaß an der Sache getestet. © Matthias Schildbach

Für Eddie bleibt das Ganze schwer nachvollziehbar, zu sehr taucht diese Streitereien in die Welt der Erwachsenen ein. Sie tut ihm einfach leid, die hübsche Gräfin, die als alte Oma letztlich hier, auf dem kalten Stolpen gestorben ist. Auf dem Gemälde in der Ausstellung sieht man ihr an, dass sie nicht glücklich war, meint Eddie. Das erkennt er an ihrem Mund, ganz blasse Lippen hat sie, und ihren Augen, die traurig blicken. Und so berührt es selbst den Sechsjährigen, als er im Bereich der ehemaligen Burgkapelle am Grab der Gräfin steht. Fußspuren zeigen, dass unachtsame Besucher über ihr Grabplatte gelaufen sind. Das macht man doch nicht, bemerkt er und gibt sich Mühe, es nicht gleichzutun.

Schließlich kommen Kinderreporter und der Schlossleiter noch einmal zusammen. Eddie sagt, er wisse nun, was Basalt ist: der schwarze Stein, aus dem hier alles gebaut ist, und der war bestimmt einmal früher Lava. Richtig, bestätigt Ulli Kretzschmar. Denn die Burg steht auf einem erloschenen Vulkan. Das Besondere daran ist, dass der Basalt seinen Namen hier auf Stolpen bekam. Georgius Agricola (1494-1555), der sächsische Gelehrte, bezeichnete so erstmals das auf dem Stolpen vorkommende "säulig geklüftete" Gestein.

Das Fazit aus den Augen des Kinderreporters

Und weil er sich schon sehnsüchtig nach der Rückkehr ins warme Auto sehnt, fragt Eddie seine letzte Frage: die Kälte, diese furchtbare Kälte hier oben. Wie haben es denn die Leute auf der Burg früher ausgehalten, wenn es so kalt war? Es gab ein oder zwei Räume in der Burg, antwortet Ulli Kretzschmar schmunzelnd, da wurde geheizt. Ohne viel Klamotten, Felle und Wollsachen ging eh nichts. Vor die unverglasten Fenster wurden Ziegenhäute gespannt, oder sie ganz verbrettert. Das machten die Räume dann dunkel, finster und unbehaglich. Man musste eben einfach ein harter Typ sein.

Während der Heimfahrt zieht der Kinderreporter Bilanz: Am spannendsten fand er die Größe der Burg und die riesigen Eiszapfen, die er überall entdeckt hat. Die echten Schädel in der Folterkammer, die waren echt gruselig. Und das Grab der Gräfin Cosel, das war toll, dass er ihr sogar ganz nah kommen konnte. Sie hat sicher Verbotenes getan, resümiert Eddie, ein paar Jahre im Turm hätten doch gereicht. Er ist überzeugt, dass die Gräfin mittlerweile im Himmel ist. Denn ein böser Mensch war sie sicher nicht.