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Der Höhenretter von der Bastei

Die Heidenauer Feuerwehr hat eine Spezialgruppe. Roland Söhnel leitete ihren Einsatz in Rathen. Er weiß, wie sich jetzt die Helfer in der Sächsischen Schweiz fühlen.

Von Heike Sabel
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Selfie am Fels: Das Lächeln von Roland Söhnel ist ein bisschen gequält. Nach zwei Tagen waren bei allen die Kraftreserven aufgebraucht.
Selfie am Fels: Das Lächeln von Roland Söhnel ist ein bisschen gequält. Nach zwei Tagen waren bei allen die Kraftreserven aufgebraucht. © privat

Roland Söhnel hat wie alle geschlafen, als in der Nacht zum 18. Juli ihn sein Piepser weckte. Dann ging alles ganz schnell. So wie bei jedem Feuerwehreinsatz. Diesmal aber wurden auch die Heidenauer Höhenretter gebraucht. Eine Stunde, nachdem die Feuerwehren im Basteigebiet schon versucht hatten, zu löschen, war klar, sie schaffen es nicht allein.

"Die ersten Bilder vor Ort waren sehr beeindruckend und erschreckend, auch wenn der Feuerschein von der anderen Elbseite noch schlimmer aussah", sagt Roland Söhnel. Er hat den Einsatz der Heidenauer Höhenretter am 18. und 19. Juli im Basteigebiet geleitet. Jetzt, da es in der Sächsischen und Böhmischen Schweiz noch viel schlimmer brennt, ist der Rathen-Brand schon fast wieder vergessen. Die Höhenretter sind aktuell nicht angefordert, aber das kann sich immer schnell ändern.

Die Höhenretter sind eine Spezialgruppe der Heidenauer Feuerwehr. Aktuell gehören ihr zehn Feuerwehrleute an. Jährlich müssen sie zusätzlich zur Feuerwehr-Ausbildung 72 Stunden Training absolvieren. Roland Söhnel hat sich erst vor fünf Jahren im zweiten Anlauf für die Höhenretter entschieden. Als der heute 34-Jährige das erste Mal gefragt worden war, sagte er Nein und ärgerte sich schon zwei Monate später darüber. "Zum Glück wurde ich noch mal gefragt und habe dann die Chance ergriffen."


Das Retten und Helfen ist Teamsache. Bei jedem Einsatz. Jeder macht, was er kann. Die Feuerwehr und die Höhenretter. Die erste Einsatzoption im Basteigebiet hat Söhnel abgelehnt. Das Abseilen in ein Gebiet, in dem vor lauter Qualm nichts zu sehen, war, wäre zu gefährlich gewesen und damit niemandem geholfen. Helfen ist kein blinder Aktionismus, sondern so professionell wie möglich - auch bei den Freiwilligen. "Jeder Fehler kann tödlich sein." Das hat auch Söhnel bei jeder Entscheidung im Kopf.

Rucksack wiegt 30 Kilo

Die Höhenretter sichern die Feuerwehrleute, die einen Lehrgang für Arbeiten im absturzgefährdeten Bereich haben. Im Bereich der Rahmhanke war es in der Nacht dunkel, der Rauch, und hundert und mehr Meter, die es nach den Vorsprüngen nach unten geht. "Das Risiko war zu groß", sagt Söhnel. Die zweite Option war das Abseilen direkt zwischen Bastei und Tietke-Aussicht. Auch hier war das Gelände steil. Zur Rahmhanke ging es später noch einmal im Hellen.

Die Rucksäcke, die die Höhenretter mit sich tragen, beinhalten alles, was sie brauchen und wiegen bis zu 30 Kilogramm.
Die Rucksäcke, die die Höhenretter mit sich tragen, beinhalten alles, was sie brauchen und wiegen bis zu 30 Kilogramm. © Heike Sabel

Die Höhenretter, deren Rucksäcke bis zu 30 Kilogramm wiegen, haben immer Helfer, zum Beispiel beim Tragen. In den Rucksäcken sind viele unterschiedliche Karabiner, Textilschlingen, Technik und ein hundert Meter langes Seil. Die Höhenretter bleiben, wenn sie sich eingerichtet haben, länger vor Ort. Sie können dann rasch wechselnd Feuerwehrleute absichern. Söhnel achtet dabei auch auf die scheinbar kleinen Dinge, wie Sonnencreme. Eine Touristin aus dem Bastei-Hotel half damit aus. Andersherum bekommen sie zu essen und zu trinken, um ihren Platz nicht verlassen zu müssen. An Nudeln und Wasser mangelte es nie, sagt Söhnel.

Nachts Einsatz, tags auf Arbeit

Als der erste Einsatztag beendet war, ging er ein paar Stunden schlafen und auf Arbeit. Hätte er nicht gemusst, aber wegen der Urlaubszeit wollte er seine Kollegen nicht allein lassen. Am Dienstagabend wollte Söhnel gerade mit seiner Frau und seinem Sohn Abendbrot essen, als der Feuerwehr-Piepser sich wieder meldete. Es war ein Einsatz für die Feuerwehr, doch kurz darauf wurden noch einmal die Höhenretter in Rathen gebraucht. Wieder waren sie bis tief in die Nacht unterwegs. Danach wieder ein paar Stunden schlafen und zur Arbeit. Mittwochabend war dann noch normaler Dienst in der Feuerwehr angesetzt. Seine Frau, die auch sozial engagiert ist, ist stolz auf ihn. Sie weiß, was er macht, macht er richtig.

Schon nach dem ersten Einsatz zeigte Söhnels Zähler 30.000 Schritte. Die Anstrengung hatte das Kräfteloch dann immer wieder verschoben. "Donnerstag und Freitag war ich wie ausgelaugt." Trotzdem hatte Söhnel zwischendurch fast ein schlechtes Gewissen. Er wollte immer mit anpacken, war aber Gruppenführer und musste die organisatorischen Fäden zusammenhalten.

Immer wieder neue Rauchfahnen

Kurzzeitig schien die Stimmung in der Gruppe zu kippen. Immer wieder hatte Söhnel gesagt, es dauert noch eine Stunde. Am Ende so oft, dass mehrere Stunden draus wurden. "Das Brandfeld war so unübersichtlich und nur eine große schwarze Fläche, auf der man erst nach und nach merkte, wo noch Glutnester waren." Immer wieder gab es neue Rauchfahnen und neue schlechte Nachrichten. Er konnte es einfach nicht besser abschätzen. Wenn er es gekonnt hätte, hätte er Ablösung angefordert. Das richtig einzuschätzen, ist nicht einfach. Das wissen auch die anderen und sind eben Profis. "Wir ziehen alle an einem Seil, um im Bild zu bleiben."

Die Höhenretter kommen nicht so häufig zum Einsatz, obwohl es viel zu tun gibt. Doch oft quälen sich die Feuerwehren vor Ort, "weil sie uns nicht im Sinn haben", sagt Söhnel. Er erinnert sich an einen Unfall mit einem Fahrzeug an einem Hang. Erfahren von dem Einsatz hat er aus der Zeitung. "Das wäre ein Fall für uns gewesen", sagt er. Ein umgefallener Baukran mit einer hilflosen Person, Verunglückte im Schacht oder Havarien von Windrädern, alles mögliche und zum Teil schon vorgekommene Einsätze.

Einsatz-Marathon zehrt an Kräften

Nach den beiden Einsatztagen weiß Söhnel, wie sich die Retter jetzt in der Sächsischen und Böhmischen Schweiz fühlen. Noch ein solcher Marathon wie an der Bastei geht kein zweites Mal, sagt er. Wegen der eigenen Kraft und noch viel mehr wegen der Verantwortung, die jeder für sich und andere hat. Beim Hochwasser 2013 hatte Söhnel tageweise durchgearbeitet und sich erst auf "Anweisung" mal ein paar Stunden hingelegt. "Aber da war ich auch zehn Jahre jünger."