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Ernte bei Frost auf dem Döbraer Spindlerhof

Thomas Spindler hing einen gut bezahlten Job an den Nagel, um als Gemüsebauer bei Liebstadt neu anzufangen. So lief sein erstes Jahr auf Feld und Beet.

Von Katarina Gust
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Aus dem Schnee frisch auf den Tisch: Gemüsebauer Thomas Spindler erntet Rosenkohl auf seinem Feld in Döbra bei Liebstadt.
Aus dem Schnee frisch auf den Tisch: Gemüsebauer Thomas Spindler erntet Rosenkohl auf seinem Feld in Döbra bei Liebstadt. © Karl-Ludwig Oberthür

Eine dicke Schneeschicht hat sich über Döbra gelegt. Der kleine Ort bei Liebstadt - an der Grenze zwischen Sächsischer Schweiz und Osterzgebirge - scheint im Winterschlaf zu liegen. Ganz Döbra? Weit gefehlt. Auf dem gleichnamigen Hof von Thomas Spindler ist von Winterruhe nichts zu spüren. Denn die Ernte muss eingeholt werden. Ernte? Mitten im Januar? Im zentimeterhohen Schnee? Spindler schnürt sich die Stiefel ein bisschen fester zu und stapft über die weißen Felder. In einer Hand eine Kiste. In wenigen Minuten ist sie voll: mit mehr als vier Kilogramm Grünkohl. Dem Wintergemüse kann der strenge Frost nichts anhaben. Im Gegenteil. Die Minusgrade halten es frisch - über den gesamten Winter.

Grün- und Rosenkohl - das sind zwei von mehr als 100 Gemüsesorten, die Thomas Spindler im vergangenen Jahr erstmals professionell angebaut hat. 2023, das war für den gebürtigen Hannoveraner eine berufliche Premiere. Denn mit Gemüse und deren Anbau hatte der Mittfünfziger beruflich zuvor nichts am Hut. Thomas Spindler kommt aus einer ganz anderen Branche, war als Betriebswirt im Bereich Wohnungswirtschaft erfolgreich, zuletzt Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens. Zeitweise hatte er mehrere hundert Beschäftigte unter sich.

Neue Existenz mit Hofladen und Gemüsekisten

So gut bezahlt war der Job, so sehr litt Spindler mental unter dem Stress. Als ihm mitten in der Coronazeit ein Burnout drohte, zog er die Reißleine und sich auf seinen Hof in Döbra zurück, den er 14 Jahre zuvor mit seiner Frau Alexandra kaufte und schrittweise sanierte. Statt über Aktenbergen zu brüten, probierte sich Thomas Spindler im Anbau von Gemüse aus. Ein Hobby, aus dem eine neue Berufung als Gemüsebauer werden sollte.

2023 konzentrierte Spindler erstmals alle Kraft auf Feld und Beet. Das Konzept, nach dem er arbeitet, heißt "Market Gardening". Er verwendet ausschließlich bio-zertifiziertes Saatgut. Das wird ressourcenschonend auf kleinen Flächen angebaut und später direkt an den Verbraucher verkauft. "Die erste Saison lief gut", sagt Thomas Spindler. Etwa 2.000 Quadratmeter hat er bewirtschaftet. Aber nicht alles, was er anpflanzte, gab den erhofften Ertrag. Möhren und Pastinaken zum Beispiel. "Das wird auf dem Boden nichts", musste Spindler lernen. Auch Rucola wird er nicht erneut anpflanzen.

Für die neue Pflanzsaison steht er nun in den Startlöchern. Im Gewächshaus kämpft sich der erste Feldsalat durch den Boden. Dank Luftpolsterfolie ist dieser nicht gefroren und kann schon jetzt beackert werden. Im Anzucht-Raum warten zudem Asiasalate und Endivie darauf, ins Gewächshaus nach draußen zu wechseln. Um zwischen den zarten Pflänzchen nicht den Überblick zu verlieren, setzt Thomas Spindler auf einen computerbasierten Plan, der genau vorgibt, wenn welches Gemüse mit der Anzucht und dem Auspflanzen dran ist.

Gemüsekisten ab diesem Jahr auch in kleinerer Form

Das, was über das Jahr geerntet wird, gibt es nicht nur im eigenen Hofladen zu kaufen. Spindler setzt auf Gemüsekisten, die er im Abo anbietet. Einmal pro Woche werden darin verschiedene Gemüsesorten gepackt. Kosten: jeweils 20 Euro. "Bis kurz vor Weihnachten konnten wir die Gemüsekisten anbieten", sagt Spindler. Darin fanden sich auch Kartoffeln von der Agrargenossenschaft Oberes Elbtal in Reinhardtsdorf oder Zwiebeln von einem Landwirt aus der Nähe von Leipzig. Diese kauft Spindler jeweils direkt vom Produzenten ab und gibt sie an seine Kunden weiter.

Insgesamt 33 Abonnenten hat Thomas Spindler im vergangenen Jahr gewinnen können. Mehr, als er geplant hatte. Für einige sei der Inhalt allerdings zu üppig gewesen, um alles verbrauchen zu können, sagt er. Dieses Jahr will er deshalb parallel auch kleinere Gemüsekisten zum Preis von zehn Euro anbieten. Insgesamt 50 Kisten hat er sich für 2024 wöchentlich als Ziel gesetzt. "75 Prozent sind bereits verkauft. Fast alle Kunden vom letzten Jahr habe ich behalten", sagt er.

In der Anzucht im Gewölbekeller des Spindlerhofs wachsen sogenannte Microgreens: Keimlinge von Gemüse- oder Getreidepflanzen, die aufgrund ihres Nährstoffgehalts als "Superfood" bezeichnet werden.
In der Anzucht im Gewölbekeller des Spindlerhofs wachsen sogenannte Microgreens: Keimlinge von Gemüse- oder Getreidepflanzen, die aufgrund ihres Nährstoffgehalts als "Superfood" bezeichnet werden. © Karl-Ludwig Oberthür

Auch in der Gastroszene hat der Spindlerhof seinen Kundenstamm gefunden. Das Hotel und Gasthof "Zur Post" in Pirna gehörte zu den ersten, die Thomas Spindler belieferte. Auch das Aktivhotel in Pirna bezieht jetzt sein Gemüse. Ganz neu dazu gekommen ist das Restaurant im Laasenhof Resort in Weißig bei Struppen.

"Als Landwirt braucht man einen gesunden Mix aus gewerblichen Kunden und Privatkunden", sagt Thomas Spindler. Allein auf die Laufkundschaft im Hofladen zu setzen, das funktioniere nicht und sei nicht planbar.

Sprossenzucht im Glas für die Gastronomie

Um die Gastronomie ganzjährig mit frischem Gemüse versorgen zu können, zieht Thomas Spindler sogenannte Microgreens, das sind Keimlinge von Gemüse- oder Getreidepflanzen, und neuerdings auch Sprossen. Während die Microgreens in kleinen Schalen grünen, keimt die Sprossenzucht hinter Glas - Schraubgläsern. In diese kommt die trockene Saat, die anschließend eingeweicht werden muss. Erbsen brauchen beispielsweise zwölf Stunden im Nass. Mungbohnen, Rettich oder Brokkoli haben andere Zeiten. Dann wird die Saat gespült und das Wasser entfernt. Ein Prozess, der nach etwa drei bis vier Tagen kleine Keime nach sich zieht. Ein schneller Ernteerfolg - egal, wie kalt es draußen auf dem Feld ist. "Die Sprossen kommen in der Gastronomie gut an", sagt Spindler. Die Nachfrage will er dieses Jahr noch stärker bedienen.

Seit Ende 2023 experimentiert Thomas Spindler mit Sprossen, um Restaurants ganzjährig frisches Gemüse anbieten zu können. Die Saaten werden eingeweicht und keimen im Schnitt nach drei bis vier Tagen im Glas.
Seit Ende 2023 experimentiert Thomas Spindler mit Sprossen, um Restaurants ganzjährig frisches Gemüse anbieten zu können. Die Saaten werden eingeweicht und keimen im Schnitt nach drei bis vier Tagen im Glas. © Karl-Ludwig Oberthür

Generell will er die Saison für frisches Gemüse verlängern, um früher und länger liefern zu können. Das heißt, schon im Januar wird nach draußen gepflanzt, um mit Beginn des Frühjahres die ersten Salate ernten zu können. "Kohl und Beete will ich zudem bis in den Januar hinein anbieten können", nimmt er sich vor. Und auch die Anbaufläche soll wachsen. An die 2.600 Quadratmeter Nettobeetfläche will er dieses Jahr bewirtschaften, bis zu 3.200 Quadratmeter würde er als Ein-Mann-Unternehmen noch bewältigen.

Mission: Kaufverhalten der Menschen ändern

Täglich frisch ernten, den Pflanzplan einhalten, nach Schädlingen suchen, den Boden düngen: Gemüsebauer zu sein ist für Thomas Spindler erneut ein 24-Stunden-Job. "Aber einer, der mich tiefenentspannt", sagt er. Zum Beispiel dann, wenn er neue Lieferungen im Hofladen in die Regale räumt. Öle, Wein, Getreide, Aufstriche, Pastasoßen, Nudeln - Spindler kennt jeden Produzenten. "An frischen Dingen haben wir nur saisonales Obst und Gemüse im Angebot", sagt er. Derzeit zum Beispiel Zitrusfrüchte aus Spanien.

Sauer macht lustig - und glücklich: Im Hofladen verkauft Thomas Spindler derzeit Zitrusfrüchte von einem Crowdfarming-Projekt aus Spanien. Alle Waren im Hofladen bezieht er direkt vom Produzenten, ohne Zwischenhändler.
Sauer macht lustig - und glücklich: Im Hofladen verkauft Thomas Spindler derzeit Zitrusfrüchte von einem Crowdfarming-Projekt aus Spanien. Alle Waren im Hofladen bezieht er direkt vom Produzenten, ohne Zwischenhändler. © Karl-Ludwig Oberthür

Regionalität und Saisonalität sind ihm wichtiger. "Die Leute sollten sich wieder daran gewöhnen, dass es nicht immer alles gibt", ist er überzeugt. Anders als im Supermarkt. Doch das Kaufverhalten flächendeckend zu ändern, sei schwer. Denn viele Kunden würden vorrangig nach dem Preis schauen, statt auf Regionalität zu achten. Thomas Spindler will die Menschen zu einem Umdenken anregen. "Dann müssten sich die regionalen Produzenten nicht den Preis von der Supermarkt-Industrie diktieren lassen", sagt er.

Wie man selbst Gemüse anbaut? Einige Hobbygärtner haben sich bei dem Döbraer bereits Tipps und Tricks geholt. Dieses Jahr bekommen sie bei ihm sogar junge Pflänzchen für das eigene Beet, denn auf dem Spindlerhof soll im Frühjahr ein Jungpflanzenverkauf starten.

Spindlerhof, Döbraer Straße 48, 01825 Liebstadt/OT Döbra www.spindlerhof.de