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SOE-Landrat Geisler: "In der Energiekrise muss jeder eigenverantwortlich handeln"

Der Landrat von SOE, Michael Geisler (CDU), spricht zu Beginn des neuen Jahres über den Waldbrand, über die Energiekrise und was in den letzten Monaten gut lief.

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Michael Geisler ist 62 Jahre alt und Sachsens dienstältester Landrat. Er ist Mitglied des CDU-Kreisvorstandes im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge.
Michael Geisler ist 62 Jahre alt und Sachsens dienstältester Landrat. Er ist Mitglied des CDU-Kreisvorstandes im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge. © Daniel Förster

Herr Geisler, wie bleibt Ihnen das Jahr 2022 in Erinnerung?

Das Jahr 2022 war geprägt von der ausklingenden Corona-Epidemie, dem Krieg in der Ukraine und dem Waldbrand in der Sächsischen Schweiz. Alle drei Ereignisse bestimmten und bestimmen das Tagesgeschäft und haben Auswirkungen bis ins Jahr 2023 und darüber hinaus.

Im Herbst gab es die Sorge, die steigenden Energiepreise könnten Unternehmen und Verbraucher in den Ruin treiben. Es wurde mit vermehrten Protesten gerechnet. Das ist nicht eingetreten. Ist das Problem nur verschoben?

Das Energiepreisproblem besteht nach wie vor, sowohl für private Haushalte als auch für die Wirtschaft. Die tatsächlichen Auswirkungen werden wir erst im neuen Jahr abschätzen können. Die Experten schließen auch nicht aus, dass sich die Probleme bis ins Jahr 2024 hinziehen können. Von Entwarnung würde ich daher zurzeit noch nicht reden wollen.

Welche Fortschritte machen die Vorkehrungen des Landkreises für einen Blackout?

Ein Blackout oder neuerdings auch gezielte Abschaltungen stehen in direktem Zusammenhang mit der Verfügbarkeit von Energie und unabsehbaren Ereignissen wie große Hitze, Sturm, Schnee oder Eis. Daher haben wir frühzeitig damit begonnen, den Menschen zu vermitteln, dass sie in erster Linie eigenverantwortlich handeln müssen. Gemeinsam mit den Kommunen sprechen wir über die kritische Infrastruktur und was zu tun ist, um bestimmte wichtige Funktionen zu erhalten. Bei vielen Einrichtungen, zum Beispiel in der Pflege, ist eine hohe Sensibilisierung erreicht. Insgesamt wird der Bevölkerungs- und Zivilschutz in den nächsten Jahren von größerer Bedeutung sein.

Reicht dafür die bisherige Organisation des Zivilschutzes aus?

Im November haben wir ein eigenes Amt für Bevölkerungsschutz in der Landkreisverwaltung geschaffen. Mit der eigenständigen Amtsstruktur soll der Bevölkerungsschutz im Landkreis gestärkt werden und die Aufgaben der Gefahrenabwehr in diesem Bereich gebündelt und noch besser miteinander verzahnt werden.

Egal, wie schnell der Ukraine-Krieg vorbei sein wird - Energie bleibt auch in den nächsten Jahren ein teures Gut. Welches Potenzial sehen Sie für erneuerbare Energien im Landkreis und was kann die Kreisverwaltung unterstützend tun?

Die Landkreisverwaltung will durch die Fortschreibung des Energie- und Klimaschutzkonzeptes einen Überblick zum aktuellen Stand des Energiebedarfes und der -erzeugung gewinnen. Darauf aufbauend sollen verschiedene Szenarien erarbeitet werden, die letztendlich zu einem abgewogenen Vorgehen im Hinblick auf unsere zukünftige Energieversorgung führen sollen. Die Landkreisverwaltung will beispielsweise in ihren eigenen Liegenschaften dazu beitragen, den Prozess aktiv zu unterstützen und einen eigenen Beitrag zu einer angepassten, sicheren und möglichst kosteneffizienten Energieversorgung beisteuern.

Wo sehen Sie noch Steigerungsmöglichkeiten?

Steigerungen werden im Bereich der Windkraft, der Geothermie und vor allem im Bereich der Solaranergie gesehen. Im Bereich der Wasserkraftanlagen oder im Bereich von Biogas/Biomasse werden dagegen kaum mehr wesentliche Steigerungen möglich sein, da die vorhandenen Potenziale größtenteils bereits genutzt werden.

An welchen Stellen steht der Landkreis besser da als vor einem Jahr?

Der Landkreis wartet trotz der bestehenden Unsicherheiten mit einem stabilen Arbeitsmarkt auf und liegt mit einer Arbeitslosenquote von derzeit 4,8 Prozent weit unter dem sächsischen Durchschnitt von 5,8 Prozent. Deutschlandweit haben wir die zweithöchste Frauenbeschäftigungsquote und die Zahl der Beschäftigten ist ebenfalls gestiegen, und zwar um 1,1 Prozent zum Vorjahr.

Wo wurde 2022 im Landkreis investiert?

Trotz schwierigster Haushaltslage ist es gelungen, weiter in die Infrastruktur zu investieren. So konnten einige Straßenbauprojekte abgeschlossen werden und mit der Übergabe der Förderschule L in Freital sind die Schulstandorte in Trägerschaft des Kreises weitestgehend durchsaniert. Auch die Maßnahmen der Digitalisierung in den Landkreisschulen sind in vollem Gange und nach dem Kreistagsbeschluss zu den weißen Flecken im Oktober geht es im neuen Jahr in die Umsetzungsphase.

Der Waldbrand hat im Sommer die Feuerwehren im Landkreis sehr gefordert. Wie sieht die finanzielle Bilanz aus? Was kostete das Löschen der Brände die Gemeinden, wenn man die staatliche Hilfe herausrechnet?

Derzeit sind Kosten in Höhe von knapp 8,4 Millionen Euro entstanden. Der Landkreis selbst wird mit etwa 250.000 Euro am finanziellen Aufwand beteiligt sein. Durch die Feststellung des Katastrophenalarms trägt der Landkreis die Kosten – beispielsweise für den überörtlichen Einsatz von Feuerwehren oder die Unterstützung durch andere Länder und durch den Bund.

Der Freistaat Sachsen erstattet dem Landkreis aufgrund gesetzlicher Regelungen einen festgelegten Anteil. Dementsprechend kann keine Aussage getroffen werden, was die Gemeinden gezahlt hätten, wenn kein Katastrophenalarm festgestellt worden wäre.

Der Landkreis bekam die Aufgabe, den Gastwirten, Hoteliers und anderen Unternehmen zu helfen, indem er die Soforthilfen verteilt. Wie schätzen Sie den Erfolg dieses Programms ein?

Die Anzahl der Anträge ist weit hinter dem zu erwartenden Bedarf zurückgeblieben. Der geschätzte Umsatzrückgang liegt bei rund fünf Millionen Euro. Umfragen von IHK und Dehoga im Vorfeld des Programms deuteten auf weit mehr als 400 betroffene Einrichtungen im Landkreis hin. Eine Auswertung mit Dehoga und der IHK folgt im neuen Jahr.

Die Brandkatastrophe hat die Diskussion über die Daseinsberechtigung des Nationalparks angefacht. Sie sind selbst Chef des Tourismusverbandes. Wie intensiv sollte man die Gedanken in Richtung Naturpark verfolgen?

Diskussionen zu Wanderwegen, Rettungswegen oder zum Boofen hat es in der Vergangenheit immer wieder gegeben. Der Waldbrand ist ein einschneidendes Ereignis, vor dem in den letzten Jahren immer wieder gewarnt wurde. Diese theoretische Bedrohung für die Einwohner wurde jetzt greifbar und praktisch erlebbar. Ich verweise nur an die abgebrannten Wohngebäude auf tschechischer Seite. Daher kann ich die Sorgen der Menschen gut verstehen.

Die Frage ist, wie soll es weitergehen.

Da muss man alle Seiten beleuchten und Vorteile und Nachteile des Nationalparks gegen die eines Naturparks abwägen. Unabhängig vom Ausgang dieser Diskussion muss klar sein, ein Weiter so kann es nicht geben. Ein Brandschutzkonzept muss her. In diesem muss geklärt werden, welche erforderlichen Schutzmaßnahmen am Rande der Ortschaften ergriffen werden. Auch steht die Frage im Raum, was die besonders schützenswerten Biotope und Naturelemente sind. Hier sehe ich vordergründig die Felsriffe aber auch Schluchten mit eiszeitlichen Relikten. Die Fichtenmonokulturen sehe ich nicht als schützenswert. Vielleicht liegt eine Lösung darin, die Uhr sozusagen zurückzustellen und dem Nationalpark einfach weitere Jahrzehnte zur Entwicklung zu geben.

Was passiert, wenn die Diskussionen kein Ergebnis bringen?

Wenn in Fragen zum Nationalpark kein Ausgleich auf Augenhöhe ermöglicht wird, steht der Nationalpark weiter infrage.

Anmerkung: Aus terminlichen Gründen hat der Landrat die Fragen der SZ-Redaktion schriftlich beantwortet.