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Stadtmuseum holt die Trickfilm-Stars nach Pirna

Die Ausstellungsstätte lässt auf ganz eigene Weise die Puppen tanzen – mit einer märchenhaften Schau, die Erinnerungen wachruft und die Entdeckerlust entfacht.

Von Thomas Möckel
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Kuratorin Gerburg Sturm, Dornröschen-Figuren aus Weesenstein: In der neuen Sonderschau dreht sich alles ums Thema Märchen.
Kuratorin Gerburg Sturm, Dornröschen-Figuren aus Weesenstein: In der neuen Sonderschau dreht sich alles ums Thema Märchen. © Daniel Schäfer

Am Anfang war ein besonderes Präsent. Ingrid Möller, die 2020 verstarb, hatte dem Pirnaer Stadtmuseum ein spezielles Kunstwerk vermacht, was es in dieser Form so nicht gab: eine große, volkstümliche Märchenkulisse. Ingrid Möller hatte zu Lebzeiten viel Zeit zu Hause verbracht, was ihr Gelegenheit gab, ihrer Lieblingsbeschäftigung nachzugehen. Sie bastelte für ihr Leben gern, auch Märchen hatten es ihr angetan.

Sie hatte Puppen entworfen, etwa 20 Zentimeter groß, sie mit selbst genähten Kostümen eingekleidet, eine jede schien gerade aus einer Geschichte der Gebrüder Grimm oder anderen Erzählungen dieses Genres entsprungen zu sein. Allerdings brauchten die Figuren noch eine Art Lebensraum, eine Kulisse, um sie zu präsentieren. Doch etwas so Großes zu formen, traute sich Ingrid Möller nicht zu, aber sie wusste sich zu helfen.

Die Bastlerin fragte seinerzeit bei den Kulissenbauern der Dresdner Semperoper nach, ob sie ihr eine passende Landschaft für ihre Figuren bauen könnten, die Handwerker sagten zu, aus Pappe, Stoff und anderen Materialien fertigen sie etwas Einzigartiges: einen Märchenberg, auf dem Ingrid Möller die Figuren aus 21 Märchen zu einem Gesamtkunstwerk vereinte. Letztendlich schenkte sie es dem Pirnaer Stadtmuseum. „Wir haben beschlossen“, sagt Museumspädagogin und Kuratorin Gerburg Sturm, „dass der Märchenberg in der neuen Ausstellung einfach gezeigt werden muss.“

Viele namhafte Leihgeber

In der neuen Weihnachtsausstellung, die die Ausstellungsstätte am Klosterhof jetzt ab 3. Dezember präsentiert, dreht sich alles um Märchen, vor allem um die Charaktere, die sie bevölkern. Unter dem Motto „Märchenhafte Winterzeit“ lässt das Stadtmuseum auf seine ganz eigene Weise die Puppen tanzen, sie kramen die Erinnerung vor an Trickfilme aus DDR-Zeiten, als das Puppenspiel ein ganz besonders gefördertes Kulturgut war, sie entfachen aber auch die Entdeckerlust bei jenen, die die Figuren bislang nicht kennen.

Für die Schau ist der Ausstellungsstätte ein besonderer Coup gelungen, vereint die Ausstellung doch Stars aus Trickfilmen und Puppenspielen. Da ist zum Beispiel der pummelige Frosch und die gescheite Prinzessin aus „Der Froschkönig“, Zwerg Nase mit dem namensgebenden langen Riechkolben hält liebevoll eine Gans im Arm, das tapfere Schneiderlein macht sich frohgemut auf den Weg, Däumelinchen schaukelt in malerischer Kulisse auf einer Schaukel, die Weihnachtgans Auguste steht, eingekleidet in Strick-Schick, vor dem Weihnachtsbaum.

Viele Figuren stammen aus Trickfilmen, die zu DDR-Zeiten im Fernsehen hoch- und runterliefen, die Originale sind beispielsweise geboren im ehemaligen DEFA-Trickfilmstudio in Dresden, andere kommen von „Hylas Trickfilm“ aus Dresden, viele vom Deutschen Institut für Animationsfilm (DIAF), der Nachlassverwalter des Dresdner DEFA-Trickfilmstudios. „Wir freuen uns sehr, wenn die Figuren gezeigt werden und haben sie gern nach Pirna gegeben“, sagt Dr. Till Grahl, Geschäftsführer des DIAF, bei dem Hunderte Puppen lagern, die meisten geschützt in Kühlzellen.

Märchenberg von Ingrid Möller: Kulisse für 21 verschiedene Märchen.
Märchenberg von Ingrid Möller: Kulisse für 21 verschiedene Märchen. © Daniel Schäfer
Trickfilm-Figur aus "Das tapfere Schneiderlein".
Trickfilm-Figur aus "Das tapfere Schneiderlein". © Thomas Möckel
Die gescheite Prinzessin aus "Der Froschkönig".
Die gescheite Prinzessin aus "Der Froschkönig". © Thomas Möckel
Großer Zinken: Die Figur aus "Zwerg Nase".
Großer Zinken: Die Figur aus "Zwerg Nase". © Thomas Möckel
Traumhafte Kulisse: Figuren aus dem Puppenspiel "Däumelinchen".
Traumhafte Kulisse: Figuren aus dem Puppenspiel "Däumelinchen". © Daniel Schäfer

Trickfilme in Endlosschleife

Weitere Exponate kommen aus dem deutsch-sorbischen Volkstheater Bautzen, das über eine eigene Puppenspiel-Sparte und einen riesigen Fundus verfügt. Eine andere Leihgabe bekommt das Stadtmuseum von der bekannten Puppenspielerin Karla Wintermann. Die von Gottfried Reinhardt gestaltete Bühne mit den Figuren von Martina Großer und Karla Wintermann führt die Besucher zu Dornröschen auf Schloss Weesenstein. Karla Wintermann spielt im Januar auch selbst Figurentheater im Stadtmuseum, dann aber das Stück „Frau Holle“.

Darüber hinaus hat das DIAF der Pirnaer Ausstellungsstätte genehmigt, dass ausstellungsbegleitend Filme aus dem Nachlass des Dresdner DEFA-Trickfilmstudios gezeigt werden dürfen. So flimmern im Dezember die Streifen „Die Weihnachtsgans Auguste“, „Der fliegende Koffer“ und „Anna, genannt Humpelbein“ über die Mattscheibe, im Januar dann „Zwerg Nase“, „Die kluge Bauerntochter“ und „Der Froschkönig“.

Und wer mag, kann auch seine Märchenkenntnisse unter Beweis stellen. Passend zur Ausstellung gibt es Rätsel, laut Gerburg Sturm ein sehr kniffliges und anspruchsvolles. Aus einem Text gilt es, insgesamt 13 Fehler herauszufiltern – also Dinge, die inhaltlich nicht zu dem jeweiligen Märchen passen. Und wer mag, kann auch noch die Märchen erraten und aufschreiben, die auf Ingrid Möllers Märchenberg dargestellt sind – wenn man sie denn alle errät.

Sonderausstellung „Märchenhafte Winterzeit“, Stadtmuseum Pirna, Klosterhof 2, zu sehen bis 25. Februar 2024, geöffnet dienstags bis sonntags von 10 bis 17 Uhr, am 26. Dezember von 13 bis 17 Uhr, geschlossen am 24. und 25. Dezember sowie vom 31. Dezember bis 5. Januar, Eintritt sechs, ermäßigt vier Euro