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Pirna: Freispruch für Unfallfahrerin

Eine Pirnaerin soll im Sekundenschlaf in einen Mercedes gefahren sein. Vor Gericht wird eine andere Version erzählt. Der Prozess endete mit einer Überraschung.

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Dieser Mercedes wurde bei dem Unfall demoliert.
Dieser Mercedes wurde bei dem Unfall demoliert. © privat

Von Friederike Hohmann

Es war kurz vor 22 Uhr an diesem Abend Ende Oktober 2020 im Pirnaer Stadtteil Graupa. Herr W. hatte seinen Kumpel T. aus Dresden zu Besuch. Man hörte gemeinsam Musik, als es plötzlich auf der Straße einen lauten Knall gab. W. ging auf den Balkon und schaute nach unten. „Guck dir mal dein Auto an“, rief er seinem Kumpel zu und lief auf die Straße. Dort traf er auf die völlig aufgelöste Frau D., in deren Auto sich nach dem Aufprall der Airbag aufgeplustert hatte. „Es tut mir so leid. Es war Sekundenschlaf“, soll sie mehrmals gesagt haben.

Die beiden Männer alarmierten den Rettungsdienst. Die herbeigeeilten Sanitäter kümmerten sich um die Unfallfahrerin, deren Blutdruck durch die Aufregung kritische Werte erreicht hatte. Herr T. besah sich den Schaden an seinem Auto, einem Oldtimer Mercedes, Baujahr 1981. Die Gutachter der Versicherung bezifferten die Reparaturkosten später auf über 17.000 Euro. Nicht viel weniger hat die Wiederherstellung auch gekostet, gezahlt wurden aber bisher nur 8.000 Euro.

Sieben Monate Fahrverbot drohen

Der vermeintliche Sekundenschlaf brachte Frau D. nun vor das Amtsgericht Pirna. Denn das kurze Wegnicken mit Unfallfolge ist kein Kavaliersdelikt. Das Gesetz sieht dafür ebenso harte Strafen vor wie für Unfälle, die durch Alkohol- oder Drogenkonsum verursacht wurden. Frau D. bekam deshalb einen Strafbefehl zugesandt, der eine Zahlung von 3.000 Euro und den Entzug der Fahrerlaubnis für insgesamt sieben Monate vorsah.

Inzwischen ist die Frau sicher, auf der Fahrt damals nicht eingeschlafen zu sein. Deshalb legte sie Widerspruch gegen den Strafbefehl ein. Vor Gericht kann sich Frau D. an den Unfall selbst und die Minuten danach kaum noch erinnern. Sie weiß noch, welch hoher Blutdruck im Rettungswagen gemessen wurde und dass der nach der Gabe eines Medikaments in den Keller rutschte. Was aber zu dem Unfall geführt hatte, kann sie sich bis heute nicht erklären.

Für die Lehrerin, die in Dresden arbeitet, war der Tag bis zum Unfall ganz normal verlaufen. Nach dem Unterricht hatte sie in der Schule noch ein paar Arbeiten korrigiert und war dann zu ihrem Sohn, der in Dresden wohnt, gefahren. Seit einiger Zeit ist es für sie eine schöne Gewohnheit, einmal wöchentlich abends noch mit ihm zusammenzusitzen und Kaffee zu trinken. Sie fühlte sich fit, als sie sich gegen 21 Uhr in ihr Auto setzte, um nach Hause zu fahren. Nachdem sie schon in die Straße, in der sie wohnt, eingebogen war und nur noch wenige hundert Meter zu fahren waren, habe sie im Rückspiegel plötzlich einen Schatten gesehen. In der Gegend waren schon oft Wildscheine unterwegs. Womöglich sei sie durch den Schatten abgelenkt gewesen, gibt sie vor Gericht an.

Polizist glaubt nicht an Sekundenschlaf

Für den Polizeibeamten, der an diesem Abend im Dienst war, ist es schwer nachvollziehbar, wie ein Sekundenschlaf zu diesem Unfall geführt haben soll. Schließlich war Frau D. mit ihrem Hyundai in den Oldtimer gerauscht, der auf der gegenüberliegenden Straßenseite stand. Dazu musste sie das Lenkrad eigentlich verreißen.

Die Staatsanwältin sieht nach diesen Schilderungen keinen Anlass mehr, Frau D. wegen des angeblichen Sekundenschlafs zu verurteilen. Sie glaubt eher, dass Frau D. den Begriff nur deshalb selbst ins Spiel brachte, weil sie nach dem Unfall in einem Schockzustand war. Zwar sei nicht zu klären, warum der Unfall geschah, einen Sekundenschlaf sieht sie aber nicht nachgewiesen. Die Richterin folgt dem Antrag der Staatsanwaltschaft und spricht Frau D. frei. Sie sieht keinen Anlass dafür, dass Frau D. übermüdet gewesen sein könnte und hält eine Ablenkung für wahrscheinlicher.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt nach dem Freispruch die Staatskasse.