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Wächst Pirnas schönste Aussicht zu?

Von der Schloßschänke aus reicht der Blick über die Stadt bis nach Dresden. Einige befürchten aber, dass bald nichts mehr davon zu sehen sein wird.

Von Thomas Möckel
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Blick von der Terrasse an der Pirnaer Schloßschänke: Nehmen große Bäume künftig die Sicht?
Blick von der Terrasse an der Pirnaer Schloßschänke: Nehmen große Bäume künftig die Sicht? © Marko Förster

Ralf Böhmer, Fraktionschef der Freien Wähler im Pirna Stadtrat, trieb unlängst die Sorge um, es könnten bald vorbei sein mit einer der schönsten Blicke über Pirna – zumindest von einer bestimmten Stelle aus.

Am Schlossberghang, unterhalb des Schlosses Sonnenstein, liegt die Schloßschänke, wohl der älteste Biergarten Deutschlands, zum ihm gehört eine ausladende Terrasse. Jeder, so Böhmer, kenne den höchsten Biergarten der Stadt. Prägend sei von dort aus der Ausblick über den Markt, über die Dachlandschaft der Altstadt, teilweise auch über die Elbe bis nach Dresden.

Doch der Abgeordnete sah eine ernsthafte Gefahr heraufziehen. Der Baumbestand ringsum sei mittlerweile derart hochgewachsen, dass man aktuell nur noch von vereinzelten Sichtachsen sprechen könne. Und es sei bereits abzusehen, wann man nichts mehr von dem Vorgenannten sehen werde.

Von der Stadt wollte er daher wissen, ob es ein Konzept für den Baumschnitt am Schlossberghang gebe und falls ja, wie dieses aussehe – vor allem in Bezug auf die Wuchshöhe der Bäume.

Linden geht's an den Kopf

Die Stadt antwortete einen knappen Monat später auf die Anfrage, allerdings sehr kurz. Der Bereich des Schlossberghanges, ließ das Rathaus wissen, gehöre mit zum Gartendenkmal des Schlosses Sonnenstein. Baumpflegearbeiten sowie Gehölzrückschnitte in diesem Bereich unterlägen daher den Vorgaben des Denkmalschutzes, ebenso seien andere Vorschriften zu beachten.

Nachdem sich Fachleute die Situation vor Ort noch einmal angeschaut hatten, stand folgender Plan fest: Bis Februar 2022 soll nach Aussage des Rathauses den vorhandenen Linden der turnusmäßige Kopfschnitt verpasst werden, bei einer Steinweichsel direkt am Mauerbereich wird die Krone teilweise eingekürzt.

Vorhandene wilde Aufwüchse, besonders in der Nähe zum Weißen Turm und am Nordhang unterhalb der Schlossterrasse, sollen ebenfalls entfernt werden. Weitere Einkürzungen an Großgehölzen seien aus fachlichen Gründen aber nicht vorgesehen. So weit, so ungut.

Darf alles andere weiterwuchern?

Böhmer reichten diese Aussagen nicht, er empfand die Antwort als ungenügend, was nun wiederum weitere Fragen nach sich zog. „Meine Anfrage hatte den Hintergrund, dass eines der Wahrzeichen unserer Stadt bald nicht mehr zu sehen sein wird“, schrieb er abermals an die Stadt. Auf die Frage nach den Wuchshöhen der Bäume am Hang sei die Verwaltung gar nicht eingegangen.

Und da das Rathaus nur den Verschnitt an Linden und der Steinweichsel explizit erwähnte, bedeute dies aus Böhmers Sicht, dass alles andere weiter in die Höhe wachsen dürfe, ausgenommen der Wildwuchs, der ja ohnehin beseitigt werden sollte.

Er bat ein weiteres Mal um eine Aussage der Verwaltung, wie sie nun perspektivisch handeln werde und ob sie sich der Tatsache bewusst sei, dass ein Denkmal mehr und mehr von der visuellen Stadtkarte verschwinde.

Nord-Bäume sind ausgewachsen

Das Rathaus verwies in einer neuen Antwort auf den bereits angekündigten Baumschnitt an den Linden speziell entlang der Treppe und besonders an den angrenzenden Seitenwegen, zudem auch auf die Kroneneinkürzung an der Steinweichsel unterhalb des Biergartens.

Mit diesen Arbeiten, so das Rathaus, werde dem Anliegen Rechnung getragen, die Pirnaer Dachlandschaft und die Sicht bis weit nach Dresden wieder erlebbar zu machen und den Ausblick vom Biergarten wieder zu einem unvergesslichen Moment werden zu lassen.

In den Bereichen unterhalb des Schlosses in Richtung Elbe handle es sich um einen geschlossenen Waldbestand, der hauptsächlich aus waldtypischen Baumarten wie Esche, Ahorn und Linde bestehe. Diese Altbäume hätten ihre volle Höhe bereits erreicht, mit einem weiteren Wuchs sei nicht zu rechnen. Zudem verweist die Stadt darauf, dass sich an der Nordseite schon immer ein geschlossener Baumbestand befunden habe, welcher auch auf alten Postkarten mit der Ansicht von der Elbe aus dokumentiert sei.

Millionen für die Sanierung

Die Terrassengärten innerhalb der mittelalterlichen Stadtbefestigung unterhalb des Schlosses sind entstanden, nachdem der Festungsstatus der Festung Sonnenstein 1764 aufgehoben wurde. Zunächst entwickelten sich dort Ratsgärten, später dienten die Terrassen den Patienten der Heil- und Pflegeanstalt Pirna-Sonnenstein zur Erholung. Bis heute erhalten geblieben sind die innere Stadtmauer mit einer Mauerdicke von zwei Metern, die Zwingermauer südlich des Weißen Turmes sowie die innere und äußere Mauer des Festungsgrabens.

Pirna ließ das Areal von 2010 bis 2012 aufwendig herrichten. Bei dem Vorhaben wurden die Terrassengärten saniert, stufenlose Wegeverbindungen hergestellt sowie die Schlosstreppe neu aufgebaut. Damit war ein komfortabler Aufstieg von der Altstadt hinauf zum Schloss Sonnenstein wieder möglich. Im Mai 2012 wurde der sanierte Schlossberghang eingeweiht, das gesamte Projekt kostete 2,65 Millionen Euro.

In den Jahren 2016/17 ließ die Stadt dann am nördlichen Schlossberghang die Quellsammelleitungen sanieren, einen neuen Aufgang von der Holdergasse aus entlang der alten Stadtmauer errichten, die Oberfläche des Canalettoweges befestigen und Sitzbänke aufstellen. Dieses Vorhaben kostete 1,2 Millionen Euro.