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Wie eine US-Firma Pirna international zum Hightech-Standort machen will

Das Unternehmen D.I.S., spezialisiert auf Ionenstrahltechnologie, baut ein neues Werk imPirnaer Gewerbegebiet Copitz-Nord – und sucht perspektivisch Fachkräfte.

Von Thomas Möckel
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Professor Günter Zschornack, Chef von D.I.S. Germany: Das Pirnaer Werk soll international als Hightech-Standort wahrgenommen werden.
Professor Günter Zschornack, Chef von D.I.S. Germany: Das Pirnaer Werk soll international als Hightech-Standort wahrgenommen werden. © Karl-Ludwig Oberthür

Im Jahr 2018 stand überraschend Besuch vor der Tür, die zwei Herren kamen aus Übersee, aus den USA, ihr Ziel war Professor Dr. Günter Zschornack, genau ihn suchten sie. Zschornack, 72, aufgewachsen in Heidenau, in Pirna auf die Erweiterte Oberschule gegangen und seit vielen Jahren in Birkwitz-Pratzschwitz zu Hause, war früher Hochschullehrer für Physik an der Technischen Universität Dresden. Noch während dieser Zeit hatte er 2006 gemeinsam mit einem Kollegen eine Firma gegründet, die sich mit Ionenstrahltechnologien beschäftigte, ein Spezialgebiet von ihm. 2018 verkaufte er die Firma, mit 68 war es durchaus an der Zeit, etwas ruhiger zu treten.

Aber da waren nun die beiden Amerikaner. Sie erkundigten sich, ob Zschornack sich noch einmal vorstellen könnte, für ihr Unternehmen eine Forschungs- und Entwicklungsabteilung nebst angeschlossener Produktion aufzubauen. Er sagte zu, 2019 wurde die D.I.S. Germany GmbH gegründet, die Abkürzung steht für „Dynamic Integrated Solutions“. Zschornack wurde Geschäftsführer des Deutschland-Ablegers, und ist es noch immer. Um beginnen zu können, mietete das Unternehmen 800 Quadratmeter Gewerbefläche in Kesselsdorf und baute eine kleine Kernmannschaft auf, Entwicklungsingenieure, Controller, Hausmeister; zwölf Mitarbeiter sind es derzeit. Doch inzwischen ist das Interimsquartier zu klein.

Seit geraumer Zeit schon schaute sich das Unternehmen nach einem geeigneten Standort um, um sich dort dauerhaft niederzulassen, Zschornack sondierte aus Heimatverbundenheit bevorzugt Grundstücke in der Nähe seines Wohnortes, wo die neue Entwicklungs- und Produktionsstätte entstehen sollte. „Ich wollte unbedingt“, sagt er, „dass das Werk nach Pirna kommt.“ Und das kommt es nun auch – und zwar in ziemlich großer Dimension.

Baustelle im Gewerbegebiet Copitz-Nord: Hier entstehen ein Büro- und ein Sozialtrakt sowie eine 5.000 Quadratmeter große Produktionshalle.
Baustelle im Gewerbegebiet Copitz-Nord: Hier entstehen ein Büro- und ein Sozialtrakt sowie eine 5.000 Quadratmeter große Produktionshalle. © Karl-Ludwig Oberthür

Exzellenzzentrum für Ionenstrahltechnologie geplant

Zschornack fand in Christian Flörke, Chef der Stadtentwicklungsgesellschaft Pirna (SEP), einen Partner, die SEP verkaufte der Firma eine insgesamt 27.000 Quadratmeter große Fläche im Gewerbegebiet Copitz-Nord, das sind fünf zusammenhängende Grundstücke an der Lohmener Straße. Die Volksbank Pirna finanziert das Bauvorhaben, und auch sonst sprachen viele starke Argumente für Pirna. Pirna bietet laut Zschornack eine hohe Lebensqualität, verfügt über eine gute ausgebaute Infrastruktur und liegt im Einzugsgebiet der TU Dresden und anderer renommierter Forschungseinrichtungen – ungemein wichtig, um hoch qualifiziertes Fachpersonal zu rekrutieren. Und der Standort liegt mitten in Europa, genau da, wo das Unternehmen hinwollte.

Das Hauptunternehmen in den USA wurde von David Diep gegründet, er ist Gründer und Eigentümer einer ganzen Firmengruppe. Ihren Hauptsitz hat die Firma in San José, eine Stadt im Herzen des Silicon Valley in Kalifornien, zudem gibt es Werke in Colorado und in Asien. Vor etwa viereinhalb Jahren entschloss sich Diep, auch nach Europa zu expandieren und hier präsent zu sein, unter anderem, weil D.I.S inzwischen Kunden in vielen europäischen Ländern beliefert.


Spezialisiert ist das neue Unternehmen auf Elektronen- und Ionenstrahltechnologien – also kleinste geladene Teilchen, die sich mittels elektrischer oder magnetischer Felder steuern lassen. D.I.S fertigt und bestückt damit hochkomplexe Baugruppen. Eingesetzt werden diese beispielsweise für Ionenquellen in der Medizin bei der Krebstherapie, hauptsächlich bei inoperablen Tumoren. Ionen werden dabei mit hoher Präzision in den Körper geschossen und können dabei Krebszellen zerstören oder verhindern, dass diese weiter wachsen.

Darüber hinaus ist diese Technologie auch Bestandteil von Massenspektrometern, mit denen Gase und auch Oberflächen von Festkörpern analysiert werden. Mit D.I.S.-Ionenstrahlanlagen lassen sich aber auch Ionen in spezielle Festkörper implantieren, um elektronische Bauelemente mit neuen Eigenschaften herzustellen. „Wir wollen in Pirna ein Exzellenz-Zentrum für die Ionenstrahl-Technologie aufbauen“, sagt Zschornack. Mit „wir“ meint er insbesondere auch den Eigentümer der D.I.S-Gruppe David Diep, deren Technischen Direktor Nick Izgarian sowie den Technischen Direktor von D.I.S. Germany, Mike Schmidt.

Grundsteinlegung: Christian Flörke (SEP), Hauke Haensel (Volksbank), OB Klaus-Peter Hanke, Werner Ganzohr (Freyler Industriebau), sowie Günter Zschornack und Mike Schmidt von D.I.S Germany (v.l.).
Grundsteinlegung: Christian Flörke (SEP), Hauke Haensel (Volksbank), OB Klaus-Peter Hanke, Werner Ganzohr (Freyler Industriebau), sowie Günter Zschornack und Mike Schmidt von D.I.S Germany (v.l.). © Daniel Schäfer

Mitarbeiterzahl könnte auf 100 anwachsen

Vom neuen Standort aus will das Unternehmen einen zentralen Service für die europäischen Kunden anbieten, die mit den Geräten beliefert werden. Und mehr noch: In Pirna sollen verschiedene Techniken für die Ionenerzeugung und den Ionentransport für unterschiedlichste Ionenstrahltechnologien entwickelt werden. „Und natürlich wollen wir die hier entwickelten Produkte auch vor Ort herstellen“, sagt Zschornack. Seit Wochen wird dafür inzwischen in Pirna gebaut, der Grundstein für das neue Werk ist gelegt, bald schon soll es fertig sein.

Gebaut wird zunächst auf einem 13.000 Quadratmeter großen Grundstück, errichtet wird der Neubau von der Firma „Freyler Industriebau“ aus Riesa. Es entsteht ein Gebäude im US-amerikanischen Stil, bestehend aus einem zweigeschossigen 1.300 Quadratmeter großen Büro- und Sozialtrakt, an den sich nach hinten bis zur Nordstraße eine etwa 5.000 Quadratmeter große Produktionshalle anschließt. Die Hauptzufahrt zweigt später von der Lohmener Straße ab, eine Straße führt rings um das Gebäude, das mit großen Toren und Überladebrücken für Lkws ausgerüstet ist. Bis zum 23. Dezember 2022, so Zschornack, soll der Rohbau stehen, ab September oder Oktober 2023 soll in der neuen Stätte gearbeitet werden. Die Anfangsinvestition liegt bei rund acht Millionen Euro. Dabei soll es aber nicht bleiben.

Perspektivisch soll das Werk in Pirna weiter wachsen, auch die restlichen Grundstücke will D.I.S. noch bebauen. Mit der neuen Niederlassung entstehen zunächst etwa 30 neue Arbeitsplätze, in fünf bis sieben Jahren könnten es laut Zschornack vielleicht schon 100 Mitarbeiter sein. Derzeit sucht das Unternehmen weitere Mitarbeiter, vor allem Elektroingenieure und Konstrukteure, zudem Physiker und geschultes CNC-Personal. Interessenten können sich per Mail unter [email protected] melden.

Sie sollen künftig die Belegschaft in Pirna verstärken. „Unser Ziel ist es“, sagt Zschornack, „dass dieses Werk international als Hightech-Standort wahrgenommen wird.“ Es sei auch gut möglich, dass sich im Umfeld von D.I.S. weitere Firmen ansiedeln. Erste Gespräche dazu gebe es bereits.