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Wie eine US-Firma Pirna zum Exzellenz-Standort machen will

Das Unternehmen „D.I.S.“, spezialisiert auf Ionenstrahltechnologie, produziert und entwickelt nun auch von Pirna aus – und sucht jede Menge Arbeitskräfte.

Von Thomas Möckel
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Professor Günter Zschornack, Chef von D.I.S. Germany: "Wir wollen, dass Pirna international als Hightech-Standort wahrgenommen wird."
Professor Günter Zschornack, Chef von D.I.S. Germany: "Wir wollen, dass Pirna international als Hightech-Standort wahrgenommen wird." © Karl-Ludwig Oberthür

Es ist kurz nach 14 Uhr, als der Gast aus Übersee das Foyer betritt, er grüßt freundlich und entschuldigt sich, dass er etwas zu spät kommt - aber mit Kindern reisen, das sei eben so eine Sache. Er hat einen Großteil seiner Familie mitgebracht, sie haben eine lange Reise hinter sich, vom Silicon Valley im US-Bundesstaat Kalifornien nach Copitz in Pirna. Doch es sei ihm wichtig, dass alle dabei sind, denn es gibt Großes zu verkünden – und zu feiern.

Wenig später steht der Mann am Rednerpult im neuen Versammlungsraum, in dem es noch nach frischer Farbe riecht. Hier ist alles neu und erst vor einigen Tagen final fertig geworden. Der Mann sagt, das amerikanisch-deutsche Unternehmen werde die Industrie neu definieren, man werde die Fertigungsindustrie mit modernsten Technologien revolutionieren, man stehe an der Schwelle einer bemerkenswerten Reise voller Visionen und endloser Möglichkeiten.

Der Mann ist David Diep, Jahrgang 1974, Gründer und Chef der Firmengruppe „Dynamic Integrated Solutions“ (D.I.S.), spezialisiert auf bestimmte Hochtechnologien. Neben dem Stammsitz in San José im Silikon Valley gibt es Werke in Colorado und in Vietnam. Und das Große, was er ankündigt, soll nun ausgehen von einem Standort, der bis vor einigen Jahren noch Wiese war: von einem Grundstück aus im Pirnaer Gewerbegebiet Copitz-Nord.

Amerikaner kontaktieren den Physik-Professor

Der Deutschland-Ableger, die „D.I.S. Germany GmbH“, Diep ist deren Gründer und geschäftsführender Gesellschafter, hat nun die Produktion in Pirna aufgenommen, seit August 2022 ist in Rekordzeit für rund 8,5 Millionen Euro ein Hallenkomplex emporgewachsen, der eine Fläche von rund 6.000 Quadratmeter umfasst, errichtet von der Firma „Freyler Industriebau“ aus Riesa, finanziert von der Volksbank Pirna. Die Bauleute sind sieben Wochen früher als geplant fertig geworden. Nun füllt sich das Werk zunehmend mit Leben. Dass es ausgerechnet in Pirna steht, hat viel mit einem Experten auf jenem Fachgebiet zu tun, mit dem sich die Firma beschäftigt.

Professor Günter Zschornack, der in Heidenau aufwuchs und seit vielen Jahren in Birkwitz-Pratzschwitz wohnt, war früher Hochschullehrer für Physik an der TU Dresden. Noch während dieser Zeit hatte er 2006 zusammen mit einem Kollegen eine Firma gegründet, die sich mit Ionenstrahltechnologie beschäftigte, ein Spezialgebiet von ihm. 2018 verkaufte er die Firma, mit 68 war an der Zeit, etwas kürzerzutreten.

Doch dann kamen überraschend zwei Amerikaner zu Besuch, Mitarbeiter von „D.I.S.“, die sich bei Zschornack erkundigten, ob er sich vorstellen könne, für ihr Unternehmen eine Forschungs- und Entwicklungsabteilung aufzubauen. Wegen wachsender Kundschaft in vielen europäischen Ländern wollte die Firma nach Europa expandieren. Zschornack sagte zu, 2018 wurde der Deutschland-Ableger gegründet, Zschornack wurde dessen Geschäftsführer und ist es bis heute. Los ging es in Kesselsdorf in einer angemieteten Halle, eine Kernmannschaft war zunächst aufzubauen. Nebenher suchte das Unternehmen Flächen für eine größere Ansiedlung.

D.I.S.-Firmengründer David Diep: "Wir wollen von Pirna aus die Industrie neu definieren."
D.I.S.-Firmengründer David Diep: "Wir wollen von Pirna aus die Industrie neu definieren." © Karl-Ludwig Oberthür

Firma plant ein Exzellenz-Zentrum in Pirna

Zschornack, ganz und gar Lokalpatriot, wollte, dass das Werk nach Pirna kommt. In Christian Flörke, Geschäftsführer der Stadtentwicklungsgesellschaft (SEP) fand er einen Partner für die Expansionspläne, die SEP verkaufte an „D.I.S.“ im Gewerbegebiet Copitz-Nord insgesamt sieben Flurstücke mit einer Gesamtfläche von rund 27.000 Quadratmeter. Für Pirna sprach, dass der Standort mitten in Europa liegt, ebenso im Einzugsgebiet von Dresden, wo viele renommierte Forschungsinstitute ihren Sitz haben. „Wir wollen in Pirna ein Exzellenz-Zentrum aufbauen“, sagt Zschornack, „und dass Pirna international als Hightech-Standort wahrgenommen wird.“

Das Fachgebiet, worauf sich das bezieht und worauf die Firma spezialisiert ist, ist die Ionenstrahltechnologie – kleinste geladene Teilchen, die sich mittels elektrischer oder magnetischer Felder steuern lassen. „D.I.S.“ bestückt damit hochkomplexe Baugruppen. Eingesetzt werden diese beispielsweise für Ionenquellen in der Medizin bei der Krebstherapie. Mit Ionen können zielgerichtet Krebszellen beschossen und zerstört werden. Ebenso wird die Technologie eingesetzt, um Gase und Oberflächen von Festkörpern zu analysieren, auch in der Halbleiterindustrie findet sie Anwendung.

D.I.S-Firmengebäude in Pirna: Ein Forschungs- und Entwicklungscampus mit angeschlossener Präzisionsfertigung.
D.I.S-Firmengebäude in Pirna: Ein Forschungs- und Entwicklungscampus mit angeschlossener Präzisionsfertigung. © Daniel Förster

Zahl der Mitarbeiter soll rasch steigen

In Pirna soll diese Technik entwickelt und produziert werden. Am Standort in Copitz ist daher ein 1.400 Quadratmeter großer Forschungs- und Entwicklungscampus entstanden, dazu ein Präzisionsfertigungszentrum mit einer Fläche von rund 4.500 Quadratmetern. In der Entwicklungsabteilung, die in Kürze noch einen kleinen Reinraum bekommt, werden zunächst Prototypen gefertigt, die dann später in Serie gehen. Noch ist alles übersichtlich, die ersten größeren Maschinen kommen in zwei Wochen.

Das Unternehmen, sagt Zschornack, bringe für Pirna viele positive Effekte mit sich, es gebe nun einen Hightech-Standort, wo Produkte „Made in Saxony“ hergestellt werden, einen Wissenstransfer in die Region, Mitarbeiter ziehen möglicherweise nach Pirna, die Stadt profitiere vom Steueraufkommen, weitere Firmen aus Schlüsseltechnologien könnten sich hier ansiedeln. Zudem biete „D.I.S.“ gut dotierte, anspruchsvolle Arbeitsplätze.

Die Belegschaft zählt derzeit zwölf Mitarbeiter, Mitte 2024 sollen es 30 sein, das Werk will rasch wachsen, in zweieinhalb Jahren könnten es schon bis zu 100 Beschäftigte sein. Gesucht werden vor allem Entwickler, Elektrotechniker, Anlagenbauer, Konstrukteure, Programmierer, IT-Fachleute, Marketing-Fachleute, CNC-Fachpersonal – und eine Sekretärin, sie sehr gut Englisch spricht. Perspektivisch will das Unternehmen auch die restlichen Flächen in Pirna bebauen.

Diep dankte der Stadt für die standhafte Unterstützung, das Unternehmen sei Teil der Gemeinde und wolle viele hier viele Arbeitsplätze schaffen. „Wir beginnen jetzt eine spannende Reise“, sagt der Firmenchef, „wir werden gemeinsam Großes erreichen und eine bessere Zukunft bauen.“