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54 Tonnen Stahl schweben über die B 170

Eine wichtige Etappe für den Bau der Brücke auf der Weißeritztalbahn ist geschafft – mit Verzögerung.

Von Franz Herz
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54 Tonnen wiegt diese Stahlkonstruktion, die der Kran hier in Obercarsdorf vom Tieflader hebt und an ihren Platz schweben lässt, wo die Weißeritztalbahn den Fluss überquert.
54 Tonnen wiegt diese Stahlkonstruktion, die der Kran hier in Obercarsdorf vom Tieflader hebt und an ihren Platz schweben lässt, wo die Weißeritztalbahn den Fluss überquert. © Egbert Kamprath

Die Baustelle an der Weißeritztalbahn in Obercarsdorf hat am Dienstag ihren Höhepunkt erreicht. Die neue Brücke wurde eingehoben. Das war Präzisionsarbeit, bei der viele Rädchen ineinandergreifen mussten – was nicht ganz reibungslos funktionierte.

Eigentlich sollte am Dienstagmorgen um 8 Uhr alles starten. Es waren auch alle da, die Kranführer, die Mitarbeiter der Brückenwerkstatt Dresden und Mirko Froß, Betriebsleiter der Sächsischen Dampfeisenbahngesellschaft, also der Bauherr. Was fehlte, war der Lkw mit den Stahlverbindern. An diesen Verbindern sollte der Kran die Brücke fassen können. Wo blieb nur der Lkw? Froß zuckte mit den Schultern und sagte: „Der steht irgendwo im Stau.“ Also bildeten die Arbeiter eine Wartegemeinschaft, die sich erst eine gute Stunde später wieder auflöste, als der Lkw anrollte.

Bauleiter Thomas Schubert achtet auf äußerste Präzision beim Einbau.
Bauleiter Thomas Schubert achtet auf äußerste Präzision beim Einbau. © Egbert Kamprath

Bis dahin haben die Arbeiten geklappt, wenn auch knapp. Die Brücke ist eine Konstruktion aus Stahlblech. Damit ein Laie sich davon keine falsche Vorstellung macht, muss er wissen, dass dieses Blech sechs Zentimeter stark ist. In den letzten sechs Wochen ist sie in der Brückenwerkstatt der Deutschen Bahn in der Dresdner Neustadt hergestellt worden. Am Montag hat sie tagsüber noch den letzten Farbanstrich bekommen, am Abend wurde sie auf den Tieflader gehoben und als Schwertransport mit Polizeibegleitung auf die Baustelle geschickt, berichtete Thomas Schubert. Der Bautechniker ist als Bauleiter der Brückenwerkstatt für den Einbau in Obercarsdorf verantwortlich.

Mit ruhiger Hand steuert Peter Herzog den Kran, der 400 Tonnen heben kann.
Mit ruhiger Hand steuert Peter Herzog den Kran, der 400 Tonnen heben kann. © Egbert Kamprath

Der Kran von der Wilsdruffer Niederlassung der Kranlogistik Sachsen stand bisher untätig. Nun setzt sich Peter Herzog in die Steuerkanzel und hebt die gelben Verbinder, die alleine schon drei Tonnen wiegen, hoch zur Brücke. Dort schrauben die Mitarbeiter von Thomas Schumann sie so fest, dass daran anschließend der Kran die 54 Tonnen schwere Brücke heben kann. Für den mobilen Kran ist das alles keine Herausforderung. Er ist darauf ausgelegt, 400 Tonnen zu heben.

Die Brücke hängt an den gelben Verbindern und senkt sich zentimeterweise.
Die Brücke hängt an den gelben Verbindern und senkt sich zentimeterweise. © Egbert Kamprath

Mehr und mehr Schaulustige kommen, um sich das Spektakel anzusehen. So lässt sich Robert Bormann aus Rabenau die Gelegenheit nicht entgehen. Der Inhaber eines Planungsbüros für Stahlbau war an der Brückenplanung beteiligt. Nun will er auch sehen, wie sie an Ort und Stelle eingebaut wird und dabei ein Foto machen, das er dann auf seine Homepage stellt.

Inzwischen ist die Haltekonstruktion in die Brücke eingeschraubt. Der Kran wechselt die Ketten. Bisher genügten dünne, jetzt werden dickere eingehangen. Schwere Metallringe, sogenannte Schäkel, werden an die Metallträger angeschraubt. Der Kran zieht an. Die Zuschauer sind schon gespannt: Geht es jetzt los? Nein! Die Ketten lockern sich wieder. Die Arbeiter lösen etliche Schrauben, ändern die Aufhängung und ziehen die Schrauben neu fest. Wieder hebt der Kran an, immer noch nicht richtig. Bauleiter Schubert gibt erneut Anweisung, runterzufahren.

Manche Zuschauer schütteln den Kopf und fragen sich: Machen die das zum ersten Mal? Andere kennen die Zusammenhänge, wie Rainer Krenkel, früher Bauleiter, und Gerold Kleber, ebenfalls Ruheständler. Letzterer guckt sich das Geschehen auch aus beruflichem Interesse an. Er war Geschäftsführer der Baufirma Kleber und Heisserer, die nach dem Hochwasser allein im Raum Dippoldiswalde um die 50 Brücken gebaut hat.

© Grafik: SZ/Romy Thiel

Die beiden wissen, worum es jetzt geht. Die Brücke muss ganz exakt in der Mitte aufgehangen werden. Sonst kann es passieren, dass sie beim Absenken verkantet. Dann wären die Probleme viel größer, als wenn die Ketten vorher noch einmal justiert werden. Schlimmstenfalls müsste die Brücke noch einmal herausgehoben werden. Doch um 11.15 Uhr zieht der Kran wirklich an, die Brücke schwebt nach oben und bleibt so erst einmal hängen. Die Arbeiter schrauben nachträglich ein Lager an, das beim Transport gehindert hätte. Um 11.34 Uhr sperren sie kurz die Bundesstraße B 170. Einige Minuten schwebt der riesige Stahltrog über die Straße und schwenkt dann seitlich über die Rote Weißeritz. Mit Leinen halten Bauarbeiter den Koloss und steuern ihn, sodass er seine Position erreicht.

Vier Punkte haben die Bauleute vorbereitet, auf denen die Konstruktion aufliegen soll. Nun schwebt die 54-Tonnen-Brücke genau darüber und senkt sich zentimeterweise ab. Im Umgang mit dem 20 Meter langen Stahlkoloss ist jetzt äußerste Präzision gefragt. Solange er am Kranhaken hängt, können ihn kräftige Bauarbeiter auch noch etwas bewegen. Wenn er einmal liegt, ist das äußerst schwierig. Für diesen Fall sind unter der Brücke Pressen bereitgestellt, welche die Brücke noch einmal anheben können, damit sie exakt die richtige Höhenlage bekommt. Nun ist viel Geduld gefragt, bis das Stahlteil endlich richtig liegt und dann an den Verbindungsstellen einbetoniert wird.

Danach werden auf dem Boden Gummimatten zum Schallschutz eingebaut, darauf Schotter geschüttet und die Gleise eingebaut. An den kommenden drei Wochenenden wird die B 170 voll gesperrt, damit der Bahnübergang fertiggestellt werden kann. „Wenn wir es schaffen, sind wir schneller fertig und brauchen die Sperrung am dritten Wochenende gar nicht mehr“, sagt Mirko Froß. Wie leicht sich aber Bauarbeiten auch verzögern, hat die Aktion zum Einheben der Stahlbrücke gezeigt.

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