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"Auch die Politik hat bei der B178 versagt"

Andreas Herrmann tritt im Zittauer Wahlkreis für die SPD als Direktkandidat an und sagt im SZ-Gespräch, was er sich vorgenommen hat.

Von Thomas Mielke
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Andreas Herrmann.
Andreas Herrmann. ©  Rafael Sampedro/SZ-Bildstelle

Am 1. September wird ein neuer sächsischer Landtag gewählt. Die SZ stellt die Kandidaten im Zittauer Wahlkreis vor. Heute: Andreas Herrmann (SPD)

Herr Herrmann, Sie treten nicht das erste Mal für die SPD als Direktkandidat zu Land-, Bundestags- oder Europawahlen an. Das wie vielte Mal werfen Sie Ihren Hut in den Ring?

Das dritte Mal zur Landtags- oder Europawahl, zur Bundestagswahl noch nie.

Wie viele Male hat der Einzug in das Parlament geklappt?

Null Mal.

Sind Sie über die Landesliste abgesichert?

Nein. Die ländlichen Regionen sind bei der Nominierung schlecht weggekommen. Das betrifft auch mich. Den besten Listenplatz aus Ostsachsen hat Thomas Baum mit Platz 16. Nach den derzeitigen Prognosen reicht aber auch das nicht für den Einzug in den Landtag. 

Mit welchem Inhalt haben Sie sich um die Nominierung beworben?

Ich habe in der Bewerbungsrede gesagt, dass ich gern noch einmal für Zittau antreten will, weil die Stadt weltoffen ist und schon längere Zeit eine gute grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit Polen und Tschechen pflegt. Auch der Zittauer SPD-Ortsverein organisiert zum 1. Mai immer eine grenzüberschreitende Wanderung zu den Pfaffensteinen, an der jedes Mal 300 bis 400 Menschen teilnehmen. Der Zittauer Ortsverein hat auch gute Beziehungen zu den tschechischen Sozialdemokraten in Hradek und Liberec. Dieses grenzüberschreitende Zusammenwachsen halte ich für wichtig und will - ich spreche ein bisschen Tschechisch - stärken. Auch unabhängig von einem Mandat.

Ist das die Begründung dafür, dass Sie als Herrnhuter nicht im Löbauer, sondern im Zittauer Wahlkreis antreten? 

Ja. Außerdem bin ich seit vielen Jahren täglich in Zittau, arbeite dort und werde dort in der städtischen Zivilgesellschaft verortet. 

Abgesehen vom Ärger darüber, dass der Bau der B178n auch unter der Regie des SPD-geführten Wirtschaftsministeriums in Dresden nicht vorankommt, ist die Partei in unserer Ecke kaum wahrnehmbar. Oder täuscht der Eindruck?

Die B178 ist kein politisches Problem mehr, sondern ein bürokratisches. Die Neuplanungen liegen an den deutschen Gesetzlichkeiten. Da ist die Politik machtlos. Daran ist zuvor schon der FDP-Wirtschaftsminister Morlock gescheitert. 

Die Politik ist machtlos? Wer macht denn die Gesetze?

Natürlich die Abgeordneten. Aber die Planungsgesetze sind eine Angelegenheit des Bundes, die die SPD nicht allein regeln kann. Einen Konsens mit den anderen zu finden, scheint schwierig zu sein. Aus diesem Blickwinkel handelt es sich bei der unendlichen Geschichte B178 schon um Politikversagen. Aber eigentlich wollte ich darauf hinaus, dass sich die sächsische Landespolitik und auch SPD-Wirtschaftsminister Dulig an das derzeit geltende Planungsrecht zu halten haben und deshalb nicht in die Mühlen der Bürokratie eingreifen können.  

Zurück zum eigentlichen Kern der Frage: Warum ist die SPD an der Neiße fast unsichtbar?

Das würde ich so nicht sagen. Wir organisieren Veranstaltungen, stellen Kandidaten zu den Wahlen auf, haben einen SPD-Bürgermeister in Großschönau, mit Thomas Jurk einen Bundestags- und mit Thomas Baum einen Landtagsabgeordneten, die sich regelmäßig öffentlich zu Wort melden ...  Aber wenn man bei den Wahlen wie zuletzt für den Zittauer Stadtrat weniger Erfolg als andere hat, entsteht automatisch der Eindruck, dass man kaum noch präsent wäre.

Ist die Oberlausitz kein SPD-Kernland?

Das stimmt bis auf Görlitz. In ganz Sachsen konzentriert sich die SPD-Wählerschaft auf die großen Städte, weil unsere Angebote wie der Kampf für die Mietpreisbremse dort besseren Anklang finden.

Vor diesem Hintergrund: Warum tun Sie sich die Wahl an?

Wie gesagt: Weil mir die Zittauer Region und Europa am Herzen liegen.

Welche Chancen rechnen Sie sich aus?

Ich würde mich freuen, wenn eine Landesregierung aus CDU, Grünen und SPD zusammenkäme und ich meine Erfahrung und mein Engagement weiter einbringen könnte.

Wofür steht die SPD in Sachsen, in der Oberlausitz? Bitte nennen Sie drei Schlagworte.

Für die Grundrente, für den Mindestlohn und einen zukunftsweisenden Strukturwandel.

Wenn Sie in den Landtag einziehen: Um welche Schwerpunkte würden Sie sich kümmern?

Um den Strukturwandel, das europäische Zusammenwachsen und Soziales.

Wie sollte der Strukturwandel ablaufen?

Ich war jetzt bei der DGB-Lausitzkonferenz. Da ist viel über 500 vorgesehene Projekte gesprochen worden. Zittau kann durch die Hochschule mit Wissens- und Technologietransfer sowie grenzüberschreitender Forschung viel dazu beitragen. Außerdem haben wir hier ja schon einen großen Teil des Umbruchs von alten zu neuen Arbeitsplätzen erlebt. Dabei sind zwar viele Arbeitsplätze verloren gegangen, aber auch tolle Firmen entstanden. Dieses Wissen können wir ebenfalls in den Strukturwandel einbringen. Darüber hinaus müssen wir die Probleme des Strukturwandels grenzüberschreitend sehen und zum Beispiel die Grube in Turow bei den Lösungen einbeziehen. Ich möchte diesen Weg politisch begleiten, unterstützen und dabei auf die sozialen Aspekte wie "gute Arbeitsplätze" und "faire Löhne" achten.     

Was möchten Sie in der kommenden Legislaturperiode unbedingt umgesetzt sehen?

Die Fertigstellung der B178, das Wachsen der Hochschule und die Verhinderung von Armut, insbesondere von Altersarmut.

Wie sehen Sie den Lehrermangel und die innere Sicherheit?

An diesen Problemen wird schon gearbeitet. Ich freue mich zum Beispiel, dass in Löbau jetzt die Ausbildungsstätte für Grundschullehrer die Arbeit aufgenommen hat. Sprich: Das Problem ist parteiübergreifend erkannt und wird abgestellt, auch wenn es bis dahin noch eine Weile dauert. Das Gleiche gilt für das Personal bei der Polizei.

Andreas Herrmann im Internet: Facebook

Andreas Herrmann ist 51 Jahre alt, ledig, in Herrnhut geboren und und lebt dort. Er hat eine Tochter. Der studierte Regionalwissenschaftler arbeitet als Mitarbeiter von SPD-Bundes- und Landtagsabgeordneten sowie als Freier Journalist, gelegentlich auch für die Sächsische Zeitung. Er ist im Landesvorstand der Gewerkschaft Verdi, Fachbereich Medien,  und in der SPD-Vorstandsarbeitsgruppe "Selbstständige" aktiv.

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