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Badstraße statt Schlossallee

Die Mühlstraße in Roßwein hat ihre besten Jahre längst hinter sich. Einige Eigentümer pokern jedoch wie beim Monopoly.

Von Heike Heisig
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Auf kaum einer anderen Straße in Roßwein ist der Gegensatz krasser: auf der einen Seite mehrere freundlich sanierte Häuser, auf der anderen Seite Verfall und beinahe nachkriegsähnliche Zustände.
Auf kaum einer anderen Straße in Roßwein ist der Gegensatz krasser: auf der einen Seite mehrere freundlich sanierte Häuser, auf der anderen Seite Verfall und beinahe nachkriegsähnliche Zustände. © Lars Halbauer

Roßwein. Eine Prachtstraße war die Mühlstraße in Roßwein wohl nie. Mit Sicherheit aber eine, auf der die Werktätigen zu DDR-Zeiten auf dem Weg zu den Betrieben oder zurück zum Bus gern gegangen sind. In beinahe jedem Haus befand sich ein Laden. Handwerker wie Korbmacher und Buchbinder waren gefragt, deren Produkte so beliebt wie Bück-dich-Ware.

Doch inzwischen hat sich das gewandelt. In kaum einer Straße in Roßwein dürfte der Gegensatz krasser sein. Durch die Straßenmitte scheint eine Art Grenze zu verlaufen. Die eine Hälfte ist mit freundlich sanierten Gebäuden und etwas Grün zwischen den Parkplätzen vorm Haus in der Gegenwart angekommen. 

Die andere Seite allerdings scheint in den 1950er-Jahren stehen geblieben zu sein. An einem der unbewohnten Häuser müssen Passanten davor geschützt werden, dass ihnen Dachziegel auf den Kopf fallen. An anderen bröckelt in Größenordnungen der Putz. An einigen Fenstern hängen dunkelgraue Gardinen. Kaum vorstellbar, dass dort noch jemand wohnt. Manchmal, wenn eines der Tore zum Hof offensteht, schwappt leicht modriger Geruch des Verfalls auf die Straße.

Bürgermeister Veit Lindner (parteilos) nannte die Mühlstraße unlängst als Beispiel für die vielen offenen Wunden, die Roßwein noch habe. „Es ist sehr schwer, dort etwas zu verändern. Viele Eigentümer denken anscheinend, dass sie dort ein Schloss stehen haben“, sagte Lindner.

Schon seit Jahren bemüht sich die Kommune darum, dass sie auf der vom Markt aus gesehen linken Straßenseite weitere Häuser und Grundstücke kaufen kann. In dem einen oder anderen Fall ist das gelungen. „Mit einigen Besitzern sind wir aber auch schon lange im Gespräch“, so der Rathauschef. Dass die Verwaltung nicht zu Potte komme, sei der Tatsache geschuldet, dass manche Eigentümer für ihre Immobilien noch unakzeptabel viel Geld haben wollen. 

Doch die Mühlstraße ist nun mal nicht die Schlossallee – die teuerste Straße beim Grundstücksspiel Monopoly –, sondern eher die Badstraße, also die günstigste. „Daher können und wollen wir die Häuser auch zu keinem höheren Preis als den von Gutachtern bestimmten zahlen“, so Lindner. Weil sich Eigentümer damit nicht zufriedengeben, sei die Kommune nach wie vor in der Bredouille.

Versucht haben die Mitarbeiter der Verwaltung einiges. Auch die Ehrenamtlichen, die im Zukunftsforum mitarbeiten, haben sich bereits mehrfach mit der Mühlstraße beschäftigt. Zuletzt wurde ihnen vorgestellt, dass es durchaus Entwicklungspotenzial gibt – und das sogar mit verschiedenen Ansatzpunkten.

Eigenheime in der Altstadt

Nach dem Abriss einiger Häuser, sofern die Stadt einmal über das Eigentum verfügt, könnten nach Vorstellung eines Planerteams dort neue, zeitgemäße Wohnhäuser entstehen. Aber auch zentrumsnahe Stadteigenheime passen überraschend gut ins Bild, zumindest in der Animation.

Es gibt Überlegungen, das letzte Gebäude an der Mühlstraße unten links, ein sogenanntes Ankergebäude, stehen zu lassen, zu sanieren und zu Wohnzwecken zu nutzen. „Teilweise ist die Substanz noch gar nicht so schlecht“, sagte Veit Lindner.

Was den Abriss betrifft, hatte die Kommune vor einiger Zeit schon einmal versucht, Fördermöglichkeiten dafür zu finden. In dem gewählten Programm hatte das nicht gepasst. Außerdem hätte es wegen der noch nicht vollends geklärten Grundstücksfragen auch nicht dazu kommen können.

Also hat die Kommune auf die Überarbeitung des städtebaulichen Erneuerungsprogramms gewartet. Das ist inzwischen geschehen. Die Richtlinien wurden Ende September veröffentlicht. „Geändert hat sich unter anderem, dass jetzt der Grunderwerb förderfähig ist“, so der stellvertretende Bauamtsleiter Matthias Lange. Ob und wie dies Einfluss auf die Verhandlungen mit den Eigentümern haben kann, müsse die Verwaltung sehen.

Den Wiederaufbau der Mühlstraße anzugehen, dafür müssten sich dann aber auch erst einmal Investoren finden. Oder Familien, die sich vorstellen können, in einem Eigenheim zu leben, das in einem historischen Straßenzug integriert ist. An einem Stück Grün am Stadthaus dürfte es nicht mangeln. An die jetzt am Straßenrand stehenden Häuser schließen sich teils große Flächen an, die im Moment aber häufig noch mit Hintergebäuden – oft ebenso in marodem Zustand – zugebaut sind.

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