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Dresden erwirbt spektakuläre Kunstsammlung

15 Jahre verhandelte ein Dresdner Museum mit den Kunst-Mäzenen der legendären Familie Bienert. Nun hat es die Werke im Millionen-Wert gekauft.

Von Bernd Klempnow
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Otto Dix schuf für die raffinierte „Zirkus“-Mappe 1922 die 30 mal 20 Zentimeter kleine Radierung „Maud Arizona (Suleika)“. Es sollte eine seiner letzten Arbeiten in Dresden sein, bevor er die Stadt gen Düsseldorf verließ.
Otto Dix schuf für die raffinierte „Zirkus“-Mappe 1922 die 30 mal 20 Zentimeter kleine Radierung „Maud Arizona (Suleika)“. Es sollte eine seiner letzten Arbeiten in Dresden sein, bevor er die Stadt gen Düsseldorf verließ. © Franz Zadnicek/© VG Bild-Kunst

Was immer der Maler Otto Dix beim Arbeiten an seiner Suleika genommen hatte, es muss stark gewesen sein. Nicht anders sind die den ganzen Körper bedeckenden fantasievollen Tätowierungen der Dame zu erklären, die er Maud Arizona nannte. Da kann man Motive wie Sonne und Mond, aber auch Schmuck, ein Schiff und sogar ein Fahrrad entdecken. 

Dass sie derart im Zirkus aufgetreten ist, was die Tatsache suggeriert, dass die Radierung zur „Zirkus“-Mappe von Dix aus dem Jahr 1922 gehört, ist kaum zu glauben. „In jener Zeit hat der Künstler das Huren- und Matrosen-Thema für sich entdeckt“, erklärt Johannes Schmidt als Kustos der Städtischen Galerie Dresden.

Und fürwahr, die Mappe bietet nicht nur die auf ihre Weise schöne Frau. Neun weitere so raffiniert wie kapriziöse „Zirkus“-Radierungen gehören dazu. Da gibt es unter anderem einen Balance- und einen Reit-Akt, einen Clown-Sketch und stark tätowiertes „Technisches Personal“. Seit Donnerstag sind die Dix-Werke in dem Dresdner Museum zu erleben. Sie gehören zu einer spektakulären Neuerwerbung des Hauses.

Otto Lange schuf für die einzigartige Grafikmappe „Dresdner Sezession“ 1919 den 30 mal 40 Zentimeter großen Linolschnitt „Selbst bei Nacht im Atelier“.
Otto Lange schuf für die einzigartige Grafikmappe „Dresdner Sezession“ 1919 den 30 mal 40 Zentimeter großen Linolschnitt „Selbst bei Nacht im Atelier“. © Franz Zadnicek/© VG Bild-Kunst

Insgesamt 51 Grafiken, Radierungen, Holzschnitte, Aquarelle und Zeichnungen von Dresdner Expressionisten wie Dix, Conrad Felixmüller, Eugen Hoffmann und Lasar Segall konnte das Haus dank der Unterstützung der Kulturstiftung der Länder, der Ernst-von-Siemens-Kunststiftung und des Freistaates von den Erben der legendären Dresdner Kunstsammler-Familie Bienert erwerben.

Über den „moderaten Preis ist Stillschweigen vereinbart“, sagte Galeriechef Gisbert Porstmann. „Den Bienerts war es wichtig, dass die Sammlung zusammenbleibt und öffentlich zugänglich ist.“ Wenn man weiß, was sonst ähnliche Meilensteine der Moderne auf dem Kunstmarkt erzielen, darf man von Millionen-Werten ausgehen.

Das Museum kann damit einen wichtigen Teil der seit Jahrzehnten von ihr bewahrten ehemaligen Sammlung Friedrich Bienerts weiterhin zeigen und erforschen. Denn die Kunstsammlung des Sohnes der bekannten Dresdner Mäzenin Ida Bienert und Ex-Gatten von Gret Palucca blieb in Dresden zurück, als der Chef der Bienert-Mühle 1952 in den Westen ging. Seine Erben hatten mit dem Rückgabeantrag 2004 Erfolg. „Wir haben sofort verhandelt“, sagte Galeriechef Gisbert Porstmann. Es vergingen fast 15 Jahre bis zur Vertragsreife.

Conrad Felixmüllers frühe Buntstiftzeichnung "Flucht und Zuflucht" von 1916/17.
Conrad Felixmüllers frühe Buntstiftzeichnung "Flucht und Zuflucht" von 1916/17. © Franz Zadnicek/© VG Bild-Kunst

Damit erhält die grafische Sammlung der Galerie, die bei der Nazi-Aktion „Entartete Kunst“ 1937 immerhin 98 Prozent ihres hochkarätigen Modern-Bestandes verlor, „wieder ein Herzstück“. Und ein Beispiel für „die fantastische Tradition des privaten Sammelns, wie es in Dresden ungewöhnlich ausgeprägt“ war. Einige Blätter haben die Bienert-Erben sogar geschenkt.

Es sind allesamt Schätze, deren Qualität fasziniert und deren Erhaltungszustand überrascht. Dazu gehören eine der wenigen vollständigen Mappen der „Dresdner Sezession – Gruppe 1919“, frühe wunderbare, kubistische Buntstiftzeichnungen von Felixmüller, ein Aquarell von Emil Nolde. Und auch ein „Zirkus“-Blatt mit einer Dompteuse, die mit Peitsche und oben ohne allerdings eher einer Domina ähnelt.

Sonderschau „Aus der Sammlung Friedrich Bienert“ bis 22. September in der Städtischen Galerie Dresden, Wilsdruffer Str. 2; Di – So 10 - 18 Uhr, Fr 10 – 19 Uhr.