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Dampfer fahren vorerst nur bis Meißen

Die Weinstraßenlinie der Sächsischen Dampfschiffahrt soll die meisten Verluste machen. Wird sie eingestellt?

Von Peter Redlich
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Die Diesbar elbaufwärts auf der Rückfahrt von Meißen über Radebeul nach Dresden
Die Diesbar elbaufwärts auf der Rückfahrt von Meißen über Radebeul nach Dresden © Arvid Müller

Elbland. Es ist so ein Prachtsommertag, wie in den letzten Wochen oft: 24 Grad, ein laues Lüftchen weht über die Elbe, die gerade ordentlich Wasser führt und die Wiesen zwischen den Cossebauder Kuhweiden und dem Radebeuler Bootshaus trennt. An der grünen Tonne ist zu erkennen, dass die Strömung kräftig ist. Am Horizont taucht der Schaufelraddampfer Diesbar auf.

Prächtig steht das Schiff im sächsischen Grün-Weiß. Die Schiffsglocke wirft blankgewienert die Sonnenblitze zurück. Am Radebeuler Anleger haben sich kurz nach halb elf mehr als zwei Dutzend Menschen versammelt. Manche zücken das Handy oder den Fotoapparat. In den meisten Köpfen sind die Nachrichten, die in den letzten Tagen die Runde machten.

Die Dresdner Dampferflotte hat Insolvenz angemeldet. In den Nachrichten steht auch geschrieben, die Linienfahrt Sächsische Weinstraße mit dem Personendampfer Diesbar, oder manchmal auch der Krippen, sei die defizitärste. Hier würde am meisten Miese ge-macht. Wird die Linie nach Meißen und Diesbar-Seußlitz demnächst eingestellt? Allerlei Gerüchte machen die Runde. Von weiteren staatlichen Zuschüssen ist die Rede. Von einem Partner, den die Flotte braucht. Auch vom völligen Verkauf.

Ältestes Schiff der Flotte

Ein Ehepaar aus dem Erzgebirge hält Tickets für Radebeul-Meißen, Meißen-Radebeul in den Händen. Zu zweit macht das 38 Euro, die Tickets gibt es aktuell nur im Internet. „Das zahlen wir gerne für so eine schöne geruhsame Fahrt“, sind sich die beiden einig. Und hoffentlich werde die Raddampferflotte nicht zerschlagen oder an einen einzelnen Privatmann verkauft, der dann die Schiffe möglicherweise einzeln verhökert, reden die Erzgebirger über das, was passieren könnte.

Die Diesbar ist in der ältesten Raddampferflotte das betagteste Schiff. 1836 wurde das Unternehmen in Dresden gegründet. Sie hat - wie andere Schiffe - eine sogenannte oszillierende Zwillingsdampfmaschine. Ein großer Ausschnitt auf dem Schiffsdeck lässt den Blick auf die Dampfmaschine und deren arbeitende Pleuelstangen und Zylinder zu. Auf der Weinlinie wird sogar noch per Kohle der Dampfkessel angefeuert.

Passagiere gibt es derzeit reichlich. Hier, am Anleger in Radebeul, steigen mehr als zwei Dutzend Touristen zu.
Passagiere gibt es derzeit reichlich. Hier, am Anleger in Radebeul, steigen mehr als zwei Dutzend Touristen zu. © Peter Redlich

Heißt allerdings im Betriebskostendeutsch, das Schiff braucht neben Bootsmann, Maschinist, Steuermann und Schiffsführer auch einen Heizer. Einer mehr Besatzung macht mehr Kosten aus. Obendrein würden die Passagierzahlen auf der Weinstraßen-Linie zu den niedrigsten unter den Fahrtenlinien zählen.

An diesem Vormittag sieht es allerdings nicht so aus. Als Schiffsführer Jan Schröter das Anlegemanöver in Radebeul einleitet, ist das Oberdeck nahezu voll besetzt. Die zusteigenden Passagiere werden wohl gerade noch Platz bekommen. Der Mann am Steuerrad muss gekonnt manövrieren. Die starke Strömung drückt und verlangt Erfahrung. Rückwärts kämpft die Diesbar gegen die flutende Elbe und gleitet schließlich passgenau an die stählerne Anlegebrücke. Kein dumpfes Poltern, als der Bootsmann das Tau um den Poller schlingt. Das erste Erlebnis für die neuen Passagiere.

40 Passagiere sind nötig

Es gibt allerdings auch andere Fahrten auf der Weinstraßen-Linie. Solche mit gerademal einem Dutzend Mitfahrer. Michael Lohnherr hat die Flotte als Geschäftsführer von 1996 bis 2009 angeführt. Beinahe jede Woche war sein Gesicht in der Presse, in Rundfunk oder Fernsehen. Lohnherr hat sprichwörtlich die Schiffsglocken gerührt, um für „seine“ Flotte zu werben. Auch bei ihm war die Weinstraßen-Linie keine Geldscheffelstrecke. Lohnherr: „Als ich kam, stand auf der Kippe, ob wir nach Meißen und Diesbar nur zweimal wöchentlich fahren. Doch das ist schlecht. Das kann sich keiner merken.“ Also habe man täglich durchgezogen und eben geworben. Sogar eine Rundfahrt in Meißen für Touristen, die nur dort mal auf den Dampfer steigen wollten, wurde zwischenzeitlich ausprobiert. Es hat sich nicht gelohnt.

Der Ex-Flottenchef sagt, dass für ein Plus-minus-null-Geschäft auf dieser Linie mindestens 40 Passagiere, zusammengezählt auf Hin- und Rückfahrt, gebraucht werden. Das sei damals gelungen. Allerdings betrachtet er die Sparversuche seiner Nachfolger als wenig sinnvoll. Etwa das Schiff nach der Fahrt von Dresden nach Meißen in der Domstadt über Nacht anzubinden und die Besatzung per Auto hin- und herfahren zu lassen. Lohnherr: "Zum einen lasse ich ein Schiff nicht gerne unbeaufsichtigt, zum anderen verursachen die Fahrten der Besatzung auch Kosten." Zumal das Schiff am Morgen ja auch nach Dresden zurückgeführt werden musste.

Das waren noch Zeiten: Bis Anfang der 90er fuhr die Weiße Flotte auch noch Riesa an. Hier ein Archivfoto, das die 1983 verschrottete „Einheit“ vom Riesaer Stadtpark aus gesehen zeigt, im Hintergrund Promnitz.
Das waren noch Zeiten: Bis Anfang der 90er fuhr die Weiße Flotte auch noch Riesa an. Hier ein Archivfoto, das die 1983 verschrottete „Einheit“ vom Riesaer Stadtpark aus gesehen zeigt, im Hintergrund Promnitz. © R. Schönitz/Staucha/SZ-Archiv
Heute fährt der Dampfer maximal bis Diesbar-Seußlitz, aktuell sogar nur bis Meißen.
Heute fährt der Dampfer maximal bis Diesbar-Seußlitz, aktuell sogar nur bis Meißen. © Arvid Müller

Jetzt dampft die Diesbar wieder in beide Richtungen. 9.45 Uhr ist Ablegen in Dresden. 10.45 Uhr werden die Leinen nach dem Anlegen in Radebeul los gemacht. In Meißen kommt das Schiff 12 Uhr an. Aktuell fährt es nur von Freitag bis Sonntag von Dresden nach Meißen und zurück.

Wenn die Strömung wie jetzt schiebt, kann sogar ordentlich Kraftstoff gespart werden – jedenfalls auf der Hinfahrt elbabwärts. Eine Stunde Landgang in der Domstadt für Eisschlecken oder Mittagessen – lieber ist den Flottenbetreibern, wenn das auf dem Dampfer geschieht. 13 Uhr legt die Diesbar in Richtung Radebeul und Dresden ab.

Robert Körner, Pressesprecher der Sächsischen Dampfschiffahrt, sagt, dass es sich nach Corona gut anlässt. Die ersten drei Tage Weinstraßenfahrt wären auf dem Schiff um die 100 Passagiere hin und zurück mitgefahren. Das Minimum waren 44. Hängt auch vom Wetter ab, sagt der Flottensprecher. Er sagt auch, dass in Meißen mehr Touristen dazu bewegt werden müssten, mit dem Schiff nach Dresden zufahren. Denn dass die Tagesfahrt von früh bis in den Nachmittag die Mehrzahl bucht, sei illusorisch. Und bis Seußlitz solle auch wieder gefahren werden. Wann allerdings, das stehe noch nicht fest. Es werde überlegt. Gefahren wird jetzt elbabwärts von Dresden jeweils bei Meißen als Wendepunkt. Und das soll auch so bleiben. Vorerst und diesen Sommer jedenfalls.

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