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Das vergessene Sexsymbol

Alexander Döring zeichnete vor 60 Jahren die Filmdiva Anita Ekberg. Nach ihrem Tod kramte er das Bild wieder hervor.

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Von Britta Veltzke

Mehrere gerahmte Bilder lehnen an der Wand in der Stube von Alexander Döring. Sie zeigen historische Stadtansichten Riesas – die Pferdebahn, die Holzbuden, die einst anstelle der Plattenbauten auf der Bahnhofstraße standen, den Stadtpark. Menschen spielen auf seinen Bildern eher eine untergeordnete Rolle. Wie Beiwerk spazieren sie über seine Leinwände wie zufällige Passanten, austauschbar. Auf einem seiner Bilder aber ist das anders. Hinter den Stadtansichten zieht er einen Rahmen hervor und hebt ihn hoch auf Augenhöhe. Die Kohle-Zeichnung zeigt eine junge Frau. Wie in Trance tanzt sie durch das Bild – mit leicht geöffnetem Mund und fast geschlossenen Augen. Die Arme hält sie ausgestreckt, als wolle sie gerade zum Flug ansetzen. Ein enges Kleid presst ihre mächtigen Brüste zusammen und gibt den Blick in ein tiefes Dekolleté frei.

„Das ist die Ekberg“, sagt der Künstler und schaut sich sein Werk, das er vor rund 60 Jahren zeichnete, noch einmal an. „Die Ekberg“ – das ist Anita Ekberg. Jene schwedische Filmdiva und Miss Schweden, die in den 50er Jahren zu einem Sexsymbol wurde. Spätestens nach dem Film „Das süße Leben“, in dem Ekberg durch den Trevi-Brunnen in Rom watete, war sie weltberühmt. Ihr Bild machte auch vor den Staatsgrenzen der DDR nicht Halt. In der wöchentlich erscheinenden „Wochenpost“ sah Alexander Döring die Schwedin erstmals auf einem Foto, das ihm schließlich als Vorbild diente. „Ich war so fasziniert, dass ich das Foto abgezeichnet und mir aufgehängt habe.“ 1957 war das.

In Vergessenheit geraten

Döring war damals Anfang 30, sie war Mitte 20. Sein eigenes Bild brachte ihn ins Schwärmen. Doch geholfen hat das nicht. Zu einem Treffen zwischen dem Riesaer Maler und der Schauspielerin, die ihrem Heimatland Schweden früh den Rücken kehrte und nach Italien auswanderte, kam es nie. Irgendwann ist das Bild bei Alexander Döring dann in Vergessenheit geraten – ebenso wie die echte Ekberg. Die letzten Jahre ihres Lebens soll sie in sehr einfachen Verhältnissen in einem Altersheim verbracht haben. Mitte dieses Monats starb Ekberg dann nach langer Krankheit in ihrer Wahlheimat Italien. Zu diesem Anlass hat Döring die filigrane Zeichnung auch wieder hervorgekramt. „Sie ist mir gut gelungen“, sagt der 90-Jährige ohne Umschweife. „Das würde ich heute nicht mehr hin bekommen. Die Augen spielen nicht mehr mit.“

Döring selbst malt und zeichnet seitdem er fünf Jahre alt ist. Abgeschaut hat er sich vieles von seinem Vater, der ebenfalls malte. Als Künstler will er sich jedoch nicht bezeichnen. „Ich bin Ingenieur und habe früher in der Forschung gearbeitet. Ich habe das Malen ja nie richtig gelernt. Ich bin höchstens Hobbykünstler.“ Seit Alexander Döring Rentner ist, hat sich das Malen jedoch zu einer seiner beiden Hauptbeschäftigungen entwickelt. Neben dem Imkern malt er auch auf Bestellung, meistens nach Vorlagen wie historischen Postkarten. Einmal in der Woche fährt der 90-Jährige außerdem mit seinem Auto nach Dresden und verkauft an seinem Stand Eier und seinen eigenen Honig. „Ich kann die Beine einfach nicht stillhalten.“

Und die Hände auch nicht. Nur moderne Kunst macht er nicht. „So was male ich in zehn Minuten“, sagt er. Wie zum Beweis zeigt er einige schnelle farbige Skizzen, die er im Garten und Kreise seiner Freunde mit groben Filzstiften angefertigt hat. Sie erinnern an expressionistische Werke, wie sie etwa Künstler der sächsischen Gruppe „Die Brücke“ gemalt haben. Ein Ölbild von der Größe einer Zeitungsseite von Alexander Döring kostet samt Rahmen etwa 200 Euro. „Das ist eine Geldanlage“, sagt er und lacht. „Aktien können fallen, aber ein gutes Bild behält seinen Wert oder wird mit der Zeit sogar noch wertvoller.“

Nur eins würde er nie verkaufen, das mit der tanzenden Ekberg. „Es sei denn“, sagt er betont. „Es sei denn, es würde dort hinkommen, wo man die Frau wirklich kannte – nach Rom, wo sie gelebt hat und wo sie starb.“