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Nazis und Pegida: Was sind die Folgen für Dresden?

Dresdner Unternehmen berichten von verbalen Angriffen auf ihre Mitarbeiter – und haben klare Wünsche.

Von Julia Vollmer & Andreas Weller
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Dresdner Unternehmen berichten auf verbale Angriffe auf ihre Mitarbeiter.
Dresdner Unternehmen berichten auf verbale Angriffe auf ihre Mitarbeiter. © Monika Skolimowska/dpa

Die Schlagzeilen, die Dresdens Ruf in Deutschland und darüber hinaus bestimmen, sind nicht immer positiv: Ein rassistischer Angriff auf ein Kind auf einem Dreirad, seit Jahren immer wieder Pegida und alljährlich im Februar Aufmärsche von Neonazis durch die Stadt. „Seit einigen Jahren ist der Ton nicht nur auf der Straße deutlich rauer geworden“, sagt auch Globalfoundries-Sprecherin Karin Raths. Aber was heißt das für den Ruf Dresdens und für die Unternehmer? Ein Überblick über die wichtigsten Fragen und Antworten dazu.

Wie viele rassistische Angriff gab es in Dresden?

Dresden. Die rassistischen Angriffe in Dresden und Sachsen haben laut der Regionalen Arbeitsstellen für Bildung, Integration und Demokratie (RAA) weiter zugenommen. Wie der Verein in Dresden mitteilte, registrierte er 2018 317 Gewalttaten sachsenweit. Das seien rund 38 Prozent mehr als 2017. Damals wurden 229 Taten gezählt. 481 Menschen seien davon betroffen gewesen. 

Außerdem scheint es vor allem  in den großen Wohngebieten ein Problem mit Rassismus zu geben. Von 254 Tatverdächtigen aus dem rechten Spektrum der Stadt kamen von Anfang 2015 bis Mitte 2016  allein 40 aus Gorbitz, 24 aus Gruna und 23 aus Prohlis. Das geht aus der Antwort von Justizminister Sebastian Gemkow (CDU) an den Grünen-Abgeordneten Valentin Lippmann hervor. Die Behörde listet 131 rechtsextreme Gewalttaten im Freistaat für 2015 auf - doppelt so viele wie im Vorjahr. 79 Migranten wurden durch Rechtsextreme verletzt.

Was erleben die Mitarbeiter?

Globalfoundries-Sprecherin Karin Raths berichtet, dass ihre internationalen Mitarbeiter aus rund 50 Nationen eigentlich gerne in Dresden leben und arbeiten. „In den Fällen, in denen unsere Kollegen konkrete Anfeindungen erleben, unterstützen wir sie mit Hilfe der Helpline Dresden des RAA Sachsen e.V.“, sagt sie. Konkrete Fälle nennt sie nicht, auch mit Rücksicht auf ihre Mitarbeiter. Das Unternehmen stehe aber in engem Kontakt mit der Polizei, der Stadt und dem Freistaat. Von vermehrten verbalen Angriffen auf ihre ausländischen Mitarbeiter berichtet auch Ina Guiffrida vom Restaurant Delizia. „Blöder Ausländer“ oder „Du nimmst uns die Arbeit weg“ hören ihre Mitarbeiter aus Indien oder Syrien immer wieder, erzählt die Wirtin. „Ich lasse mich davon aber nicht entmutigen, wer damit nicht klarkommt, kommt nicht in mein Restaurant“, so Giuffrida.

Diese beiden Unternehmen sind bereit, sich mit Namen zu äußern.  Doch hört man sich um, berichten viele Chefs und Firmensprecher von verbalen Anfeindungen auf ihre Mitarbeiter. Zu hören ist von afrikanischen Angestellten, die sich montags nicht in die Innenstadt wegen Pegida trauen oder bestimmte Stadtteile meiden. Wer als Wissenschaftler die Wahl zwischen mehreren Standorten hat, würde sich des Öfteren nicht für Dresden entscheiden. 

Keinerlei Probleme mit Anfeindungen haben die Mitarbeiter von Johannes Lohmeyer. „In meinen Hotels arbeiten viele Ausländer, Schwarze genauso wie Asiaten. Es gab bisher keine Anfeindungen und wir haben auch mit Bewerbungen keine Probleme.“ Lohmeyer ist gleichzeitig Chef des Tourismusverbandes und hat eine Idee, den Ruf Dresden zu verbessern. „Wir brauchen vor allem junge Reisende, die auch aus dem Ausland hierher kommen.“ Das Image sei derzeit für diese Gruppe nicht „sexy“. „Sie reisen lieber nach Berlin oder Prag. Um diese Gruppe nach Dresden zu holen, müssen wir etwas an der Vermarktung und am Angebot ändern.“ Ideen dazu werden laut Lohmeyer gerade mit der Dresden Marketing Gesellschaft diskutiert. „Bei Studenten und teilweise auch bei Fachkräften, läuft es da ganz gut, aber wir müssen auch Reisende nach Dresden bekommen.“      

Warum gibt es Bedenken?

Laut Infineon-Sprecher Christoph Schumacher ist Pegida in den letzten Jahren immer wieder ein Thema gewesen, zu dem die Mitarbeiter nachgefragt hätten, das sei aber zurückgegangen. Axel Köhler, Rektor der Hochschule für Musik, hört keine Bedenken aus dem Ausland, aber aus dem Bundesgebiet. "Es gibt immer wieder Nachfragen von deutschen Lehramtsstudenten zum Klima in Dresden wegen Pegida", berichtet er. 

Victor Vincze, der neue Vorsitzende des Ausländerbeirates stellt fest: „Dresden hat insbesondere im hochqualifizierten Bereich einen Nachteil gegenüber anderen Städten weltweit.“ Er denkt beispielsweise an die Chip-Industrie. Denn bei Arbeitnehmern, insbesondere aus dem Ausland, spiele der Wohlfühlfaktor eine entscheidende Rolle. Deshalb schauen sich Interessenten die Stadt im Internet vorab genau an. „Wenn man Dresden googelt, findet man aber weniger die Altstadt, sondern vor allem Hinweise, dass Dresden ein Nazi-Problem hat“, sagt Vincze. Das schrecke viele Ausländer ab.

Was wünschen sich die Unternehmen?

Christoph Schumacher von Infineon: "Klare Bekenntnisse zu Pluralismus und demokratischen Werten und gleichzeitig eine noch deutlichere Abgrenzung von extremen und menschenfeindlichen Positionen sowie eine Unterstützung des zivilgesellschaftlichen Engagements." Überhaupt nicht hilfreich hingegen sei der mit dem Begriff „Nazi-Notstand“ betitelte Beschluss des Dresdner Stadtrats. "Das hat insbesondere bei den internationalen Kunden von Infineon zu Irritationen und Nachfragen geführt und schadet dem Wirtschaftsstandort Dresden."

"Wir wünschen uns von Politik und Verwaltung weniger Schlagworte wie Nazinotstand und mehr konkret gelebte Offenheit", so Globalfoundries-Sprecherin Karin Raths. Dazu gehören Anlaufstellen in Ämtern, an die sich auch (noch) nicht deutschsprachige Neu-Dresdner wenden können, ein deutliches öffentliches Engagement gegen Extremismus in jeder Form sowie eine schnelle und schlagkräftige Verfolgung von Straftaten.

Victor Vincze vom Ausländerbeirat will Dresdens Image vor allem für Migranten aufpolieren. „Wir brauchen eine größere Sichtbarkeit von Migranten in der Stadt“, ist Vincze überzeugt. „Das wäre dann auch interessant für hochqualifizierte, ausländische Arbeitskräfte, um hierherzukommen.“ Vincze plant eine Art Kampagne mit Imagefilmen. „Aber nicht in Hochglanz und zwingend professionell.“ Er denkt eher an Videos, die Migranten zeigen, die sich in Dresden wohlfühlen und sagen, weshalb. Das spreche dann auch andere an, die ihr Glück in Dresden suchen.

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