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Der Brückentüftler

Chefingenieur Eckhart Thürmer musste sich für die neue Carolabrücke viel einfallen lassen. Nur dadurch entstand eine Konstruktion, die noch nach 41 Jahren solide die Elbe überspannt.

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Von Peter Hilbert

An diesem grauen Wintertag steht Eckhart Thürmer unter der Carolabrücke, schaut, wie sich die Überbauten zum Neustädter Ufer hin spannen. In deren Inneren verbergen sich viele technische Details, die unter Federführung des einstigen Chefingenieurs geplant und letztlich auch verwirklicht wurden. Noch einmal ist der heute 81-Jährige hierhergekommen, um darüber zu berichten, wie hier alles begann.

Eckhart Thürmer auf der Carolabrücke. Der heute 81-Jährige hatte als Chefingenieur dieses und viele andere anspruchsvolle Bauwerke geplant.
Eckhart Thürmer auf der Carolabrücke. Der heute 81-Jährige hatte als Chefingenieur dieses und viele andere anspruchsvolle Bauwerke geplant.
Dieser Blick ins Innere der heutigen Carolabrücke bot sich im April 1968. Hier bauen Eisenflechter die Stahlbewehrung im sogenannten Hohlkasten der Brücke ein.
Dieser Blick ins Innere der heutigen Carolabrücke bot sich im April 1968. Hier bauen Eisenflechter die Stahlbewehrung im sogenannten Hohlkasten der Brücke ein.

Eckhart Thürmer kann die Brücken kaum noch zählen, die er geplant hat. Die neue Bad Schandauer Elbebrücke, die Hochstraße auf der Budapester Straße und die Waltherstraßen-Brücke über den Friedrichstädter Güterbahnhof sind nur einige von ihnen. 48 Jahre hat der promovierte Baufachmann beim Dresdner Entwurfs- und Ingenieurbüro Straßenwesen (Eibs) gearbeitet, lange Zeit als Chefingenieur.

An der Elbe ist der Ur-Meißner aufgewachsen, hier hat er mit der Carolabrücke für die damalige Zeit ein besonderes Projekt verwirklicht. „1963 hatten wir uns mit einem Entwurf am Wettbewerb beteiligt“, verweist Thürmer auf den Anfang. Den ersten Entwurf hatte er noch mit Willi Spoelgen erarbeitet, der 1966 in den Westen ging und in Neuss am Rhein lebt. Den Kontakt zu seinem von ihm hoch geschätzten Kollegen hält er noch heute. „Unser Entwurf passte sich gestalterisch am besten in das Stadtbild ein und war am kostengünstigsten“, sagt der Fachmann. Deshalb entschied sich die Jury dafür.

Gelenke bringen die Lösung

Die Planung begann. Thürmer wurde dabei von Fachleuten wie Michael Franke und Rolf Berger unterstützt. Allerdings gab es Vorgaben, die nicht einfach umzusetzen waren. Beachtet werden mussten mögliche Hochwasser und auch die Schifffahrt. Deshalb durfte die Unterkante der Überbauten eine bestimmte Höhe nicht unterschreiten. Andererseits wurde von der Stadt gefordert, dass die Brücken-Oberkante nicht zu hoch werden durfte. „Sonst hätte sie die Altstadt aus Richtung Albertbrücke verdeckt“, erklärt Thürmer. Außerdem durfte wegen des Schiffsverkehrs kein Pfeiler direkt in der Elbe stehen. „Deshalb hatten wir die große Stützweite zwischen den beiden Pfeilern von 120 Metern geplant“, sagt der Brückenfachmann.

Wegen der geringen Dicke des Überbaus zwischen 1,60 und 5,20 Metern konnte der Chefingenieur keine durchgehende Spannbetonbrücke entwerfen. Errichtet werden mussten einzelne Abschnitte. „Das war für uns eine besondere Herausforderung“, sagt Thürmer. Letztlich kam er mit seinen Ingenieuren auf eine völlig neue Idee. Eine so schlanke Konstruktion war nur möglich, weil drei Gelenke in die Brückenzüge eingebaut wurden. „Diese bestanden aus Gussstahl und wurden an die Betonkonstruktion angespannt“, erklärt der Chefingenieur. „Gelenkkonstruktionen gab es zwar schon zuvor. Aber im Spannbetonbau war diese Art bis dahin unbekannt. Daran hatten wir ewig getüftelt.“ Dann stand für den Chefplaner jedoch fest, dass es funktioniert.

Erstmals berücksichtigt wurde bei diesem Brückenbau auch der Einfluss von Sonnenstrahlung und Fernwärmeleitungen auf die Wände. Dadurch würden weitere Spannungen entstehen. „Das haben wir genau berechnet und zusätzliche Stahlbewehrung einbauen lassen“, so Thürmer. Die Planer mussten außerdem ein weiteres Problem lösen. Denn gebaut werden sollten drei sehr schlanke Brückenzüge nebeneinander. „Da konnten wir nicht ausschließen, dass sie sich unterschiedlich durchbiegen“, erklärt er. Deshalb wurde an einem Gelenk direkt über der Elbe eine Querverbindung aus Stahlbeton gebaut.

Am Ende gab es dann noch einen letzten Akt. „Mit Pressen haben wir dort die Brückenzüge auf die gleiche Höhe gehoben“, berichtet der Chefingenieur, der den Bau auch mit überwachte.

Noch bis 70 Brücken geplant

So konnte die Dr.-Rudolf-Friedrichs-Brücke, wie sie bis 1991 hieß, am 10. Juni 1971 übergeben werden. „Wäre es nach mir gegangen, wäre die Brücke etwas dicker geworden. Da hätten wir die Gelenke einsparen können. So wie es jetzt ist, geht es aber auch“, resümiert der Fachmann.

Seine Erfahrung blieb auch nach der Wende gefragt. Eckhart Thürmer war immer auf der Suche nach neuen Lösungen. „Wenn eine Brücke fertig war, hatte ich schon gesagt, was man bei der nächsten besser machen kann“, erläutert er sein Vorgehen. Erst mit 70 Jahren verabschiedete sich der Vater von vier Kindern und mehrfache Groß- und Urgroßvater 2001 in den Ruhestand. „Denn nach der Wende hatten wir genügend Aufträge“, sagt er. „Ich bin mit all meinen Brücken zufrieden gewesen.“ Ganz aus dem Sinn gehen sie ihm dennoch nicht. Wenn Eckhart Thürmer jetzt mit seiner Frau reist, schaut er sich zuerst die Brücken anderer Planer an.

Infos:

Von 1967 bis 1971 wurde die heutige Carolabrücke gebaut.

Benannt wurde die Spannbetonbrücke nach Dr. Rudolf Friedrichs, dem ersten Dresdner Oberbürgermeister und ersten sächsischen Ministerpräsidenten nach dem Zweiten Weltkrieg.

Auf rund 400 Metern überspannt das Bauwerk die Elbe.

Die Brücke besteht aus drei Überbauten, die miteinander verbunden sind.

120 Meter beträgt die maximale Stützweite zwischen den Pfeilern. (SZ/phi)