Ein verlassener Vierseithof in Pröda, fünf Minuten von Zehren entfernt. Eine Tür aus morschen Holzlatten, gesichert nur durch ein Stück Draht, führt in einen alten Schweinestall. Tiere leben hier schon lange nicht mehr, der Putz bröckelt von den Wänden und der gewölbten Decke, staubige Spinnennetze hängen in den Ecken, ein völlig verrosteter Wasserhahn ragt aus einer Wand und lädt zu einer schmerzhaften Verletzung ein. Inmitten dieser Szene steht er: groß, kräftig, mit Glatze und Vollbart. Sein Blick ist ernst und dass er eine Axt über der Schulter trägt, oder zumindest deren Holzstiel, hilft nicht, diesen Eindruck loszuwerden: dass man hier vor einem Mörder stehen könnte, vielleicht sogar am Ort des Verbrechens.
Dann grinst Stefan Peschmann plötzlich übers ganze Gesicht, kichert schon fast etwas, und bittet in den Hof zu Kaffee und Schokoplätzchen an einen kleinen Tisch in der Sonne. Ja, der 39-Jährige hat schon gemordet, sogar „gemeuchelt“, wie er gerne sagt, und das auch in dem alten Stall – aber doch nur für die Kamera.
Peschmann ist Filmemacher der besonderen Art. Besonders blutig. Wenn er einen Film dreht, sterben darin nicht nur ein oder zwei Menschen, sondern auch mal zwei Dutzend, meist Frauen – und das so spektakulär wie möglich. Wie in seinem neuesten Film „Phonomanie“, der am 8. November Kinopremiere hat, auch im Filmpalast Meißen. Der Spielfilm ist für den diesjährigen „Dead Ends Award“ als bester deutschsprachiger Independentfilm nominiert und wird deshalb schon im Oktober auf dem „House-of-Horrors“-Festival in Oberhausen vor Publikum aufgeführt. In der Horrorfilmer-Szene heißt das was.
Wer aber ist der Mensch, der Frauen mit Perücken, Make-up und Schweineblut in Mordopfer verwandelt und das ganze mit der Kamera festhält, der auch mal vier Jahre lang an einem Film arbeitet und 15 000 Euro in die Produktion steckt?
Vor allem eines: ein Film-Nerd. „Seit 1999“, sagt Peschmann stolz. Damals kamen die ersten DVDs in Deutschland auf den Markt und Peschmanns Sammelleidenschaft begann. Rund 4 000 besitzt er heute, darunter natürlich viele Horrorfilme. Schon damals, mit 18, 19 Jahren träumte er davon, selbst zu drehen, aber die Ausrüstung war einfach noch unerschwinglich für den jungen Mann. Heute könne man ja schon mit einem Handy ganz gute Filme machen, erzählt er.
Seinen Traum wahr gemacht hat er schließlich am 29. Oktober 2013. Da gründete er seine Produktionsfirma „Dark Corridor Entertainment“ – nebenberuflich. Denn eigentlich arbeitet Peschmann als Presser, ausgerechnet. Aber der Job ist gut bezahlt und nur zwei Minuten von seinem Zuhause in besagtem Vierseithof in Pröda entfernt. So bleibt nebenher viel Zeit für seine Leidenschaft: das Meucheln.
Phonomanie ist Peschmanns dritter Film, aber nicht sein erster Erfolg: Den letzten Film, „Lock the Doors“, zu Deutsch „Verschließ die Türen“, hat er sogar verkauft, drei Jahre lang gehören die Rechte einem österreichischen Filmlabel. Wenn sie an Peschmann zurückgehen, will er den Film bei Amazon Prime und vielleicht auch Netflix einstellen. Dann könnte ihn jeder sehen, der den Streaming-Dienst abonniert hat, und der Filmemacher erhält „einen kleinen Obolus“ dafür. „Mir geht es nur um Verbreitung“, erklärt Peschmann. „Reich wird man in der Szene eh nicht.“
„Die gehen richtig ab, wenn sie einen ekligen Tod haben. Je krasser, desto besser.“
Aber einen Namen kann man sich machen, indem man zum Beispiel auf Qualität setzt – und auf Effekte. „Man kann eine übelst geile Story haben, eine tolle Location, aber ohne Effekte sagen die Leute, irgendwas fehlt hier.“ Deshalb setzt Peschmann heute weniger auf Puppen für Mordszenen, sondern lässt seine Darsteller lieber blutig schminken und nutzt auch mal Schlachtabfälle. Seinen Schauspielern verlangt das einiges ab. Besser gesagt seinen Schauspielerinnen: Die Darsteller findet er hauptsächlich über Facebook-Aufrufe und es melden sich überraschenderweise fast nur Frauen, die in seinen Filmen mitspielen wollen. „Die gehen richtig ab, wenn sie einen ekligen Tod haben“, sagt Peschmann und lacht. „Je krasser, desto besser.“
Nur eine Frau hat ein Problem mit den Mordszenen: Stefan Peschmanns Mutter. Dabei ist sie ziemlich stolz auf den Erfolg ihres Sohnes und unterstützt ihn, wo es geht, nicht nur finanziell. Manchmal übernimmt sie sogar den Ton für den Film.
An die Kamera lässt der Regisseur aber nur ungern jemand anderen, manchmal geht es jedoch nicht anders. Dann nämlich, wenn Peschmann in die Rolle des Mörders in seinen Filmen schlüpft. „Mein Filmteam sagt immer, dass ich ein guter Mörder bin, wegen meiner Größe und Statur.“ Zu sehen sein, möchte er in seinen Filmen aber nicht. „Der Killer ist immer eingehüllt in etwas, also mich erkennt keiner“, erklärt Peschmann. Das erhöht die Spannung – „und ich kann schön losmeucheln“.
Es geht aber nicht nur blutig zu in den Filmen von Stefan Peschmann. Manchmal bedient er sich auch des guten alten Schreckmoments. „In den Filmen der 80er Jahre war das meist die Katze, die plötzlich aus irgendeiner Ecke angepfiffen kam“, sagt Peschmann amüsiert. Erschrecken sei eine tolle Sache, das mache er wirklich gerne. Auch im privaten Leben. „Meine Mutti ist da oft Mode, wenn es sich anbietet.“ Dann grinst der Mörder.