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Der kleine und der große Klaus im Schloss

Beim Fußballabend mit den Herren Havenstein und Härtel mischt sich ein Olympiasieger fast unbemerkt unters Volk.

Von Thomas Riemer
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Zwei gut gelaunte Ex-Fußballer und ein Ruder-Olympiasieger: Klaus Havenstein, Wolfgang Mager und Klaus Härtel (v.re.) am Donnerstag beim Fußballabend auf Schloss Schönfeld.
Zwei gut gelaunte Ex-Fußballer und ein Ruder-Olympiasieger: Klaus Havenstein, Wolfgang Mager und Klaus Härtel (v.re.) am Donnerstag beim Fußballabend auf Schloss Schönfeld. © Kerstin Malczyk

Schönfeld. Zufälle gibt‘s ... In der „Halbzeit“ des Fußballabends mit den früheren BSG-Kickern Klaus Havenstein (Böhlen) und Klaus Härtel (Riesa) macht die Nachricht schnell die Runde. „Wolfgang Mager ist da.“ Wer? „Na der Olympiasieger!“ Tatsächlich, der Ruder-Champion der Olympischen Spiele von München (1972) und Montreal (1976) hatte sich am Donnerstag unter die Zuhörer gemischt. Eher zufällig, wie er sagt. Der Tipp eines Stammgastes aus seiner Heimat Haselbachtal und verwandtschaftliche Beziehungen zu Klaus Härtel gaben den Impuls für den Besuch des 67-Jährigen.

Dem ohnehin launigen Abend mit Moderator Gert Zimmermann und den beiden Kläusen setzt das den i-Punkt auf. Wobei nur von der Statur erkennbar ist, wer der kleine und wer der große Klaus ist.

Mit Militärteam in Somalia

Havenstein ist vielleicht der Bekanntere. Kein Wunder: Der heute 70-Jährige brachte 1977/78 das Kunststück fertig, als BSG-Sportler Torschützenkönig in der DDR-Oberliga zu werden. Die Frage nach der Aufbewahrung der Auszeichnung dafür erübrigt sich schnell. „Ich hab keine bekommen“, sagt Havenstein. Jedenfalls nicht vom Deutschen Fußballverband (DFV) der DDR. 

Doch diese Art „Kummer“ waren Mitglieder von Betriebssportgemeinschaften gewöhnt. Obwohl Havenstein in seiner Karriere Tore am Fließband erzielte, wurde er für die Nationalmannschaft nicht berücksichtigt. Einmal, so erzählt er, war er nah dran. Für eine Begegnung gegen Malta wurde er nominiert, doch Achim Streich wurde schneller als gedacht gesund – und Havenstein flog aus dem Kader. Er erzählt‘s – ohne Groll.

Der Riesaer Klaus Härtel (67) ist zumindest international etwas erfahrener. Während seiner Armeezeit in Löbau bekam er eine Einladung zur Teilnahme an der SKAD-Meisterschaft. SKAD, das war das „Sportkomitee der befreundeten Armeen“. Turnierland: Somalia. „Ich hab erst mal im Atlas nachgeguckt“, sagt Härtel schmunzelnd. 

Anfang der 1970er Jahre war das, und Klaus Härtel war über „Umwege“ vorher zum 1. FC Union Berlin gelangt. „Aus Grödel mit 250 Einwohnern mit dem Zug zum Ostbahnhof“ reiste er. Die Berliner Mentalität war gewöhnungsbedürftig. „Die Spieler haben es fertiggebracht, unter der Dusche eine Zigarette zu rauchen.“ Das Schönfelder Publikum johlt. Die Hauptstadt verließ Härtel dann, weil er keine Zuzugserlaubnis erhielt. So war das halt ...

Klaus Havenstein machte auf andere Art „Bekanntschaft“ mit der Staatsgewalt. Nach einem Streit mit dem damaligen Böhlen-Trainer Wolfgang Müller, den auch Klaus Härtel in Riesa „erleben“ durfte, wurde der Nicht-Genosse Havenstein zur SED-Parteileitung zitiert. „Die wollten mich rausschmeißen.“

 Irgendwann später, nach zwei zweistelligen Böhlener Niederlagen gegen den BFC Dynamo und den 1. FC Magdeburg ein ähnliches Szenario. Ein offenbar betrunkener Parteistratege sprach ihn mit dem Namen eines anderen Sportlers an. Ungläubiger Blick. „Ich bin Havenstein.“ Die alkoholene Antwort: „Is doch egal.“

Klaus Härtel wiederum hat die Frage oft bewegt, ob BSG-Mannschaften im Wettstreit mit den „großen“ DDR-Clubs benachteiligt wurden. Er erinnert sich an eine Aufstiegsrunde, bei der fünf Staffelsieger der DDR-Liga um zwei Plätze im Oberhaus spielten. Hansa Rostock war dabei. „Und der DFV hatte angewiesen: Rostock muss gegen Stahl Riesa gewinnen.“ Doch die Riesaer taten den Gefallen nicht, siegten 3:0.

In der Saison darauf, jetzt in der Oberliga, erwischte Stahl einen Traumstart. Doch nach vier Spielen ohne Niederlage und gemeinsam mit Dynamo Dresden an der Tabellenspitze „durften wir in Erfurt nicht gewinnen“, so Härtel vielsagend. 

In der darauffolgenden Begegnung kam dann der BFC Dynamo ins Grube-Stadion. 1:2 ging die Partie aus. Reinhard „Mäcki“ Lauck, inzwischen verstorbener Ex-Nationalspieler, erzielte den Siegtreffer für die Berliner – „Er stand gefühlt 15 Meter im Abseits“, so Klaus Härtel. „Da hat man sich dann schon mal gefragt: Warum machst Du das eigentlich?“

Während der Riesaer 1981 seine Karriere als Spieler letztlich wegen Knieproblemen an den Nagel hängte, blieb der Böhlener weitgehend von Verletzungen verschont. Einzige Ausnahme: Vor einer weiteren Aufstiegsrunde zog er sich eine Kapselverletzung zu. 

Ausgerechnet vor der Begegnung gegen den Erzrivalen Chemie Leipzig! Trotzdem wurde er auf die Auswechselbank gesetzt. „Die haben den Gips einfach aufgeschnitten, eine Spritze gegeben“, lacht Havenstein. Und „obwohl ich nicht laufen konnte“, musste er in der 78. Minute aufs Feld, schoss ein Tor zum 2:2 und damit zum Oberliga-Aufstieg der BSG.

Dynamo-Offerte ausgeschlagen

„Das sind Geschichten, die nur in Böhlen möglich waren“, kommentiert Gert Zimmermann. Was kaum jemand weiß: Klaus Havenstein hatte auch mal ein Angebot von Walther Fritzsch und Dynamo Dresden. Er sagte ab. „Da war meine dritte Tochter unterwegs. Und ich war doch in Böhlen gut versorgt“. 

Fußball hat er auch nach der Zeit bei den Chemikern gespielt. Mit fast 40 war er noch Libero bei der BSG Motor Grimma. Und nahe Heidelberg spielte er kurz „im Westen“. Nach einem Spiel, in dem er vier Tore erzielte, sei er dort als „Ossi-Schwein“ betitelt worden ...

Sowohl Härtel als auch Havenstein versuchten sich nach der Wende als Trainer unterklassiger Mannschaften. Den Blick für den „großen“ Fußball haben sie nicht verloren. Er ist nicht unkritisch, wenn es zum Beispiel um die aktuelle Situation bei Dynamo Dresden geht. „Ich hoffe, dass sie die Kurve kriegen“, sagt Klaus Havenstein. Mit Bezug auf Spielergehälter: „Was die verdienen, passt nicht in diese Welt.“ Klaus Härtels Gesicht wird ernst. Er nickt.

„Zwei Männer, die einfach ihren Job gemacht haben“, nennt Gert Zimmermann seine Gäste des Abends. Fußballabend-“Erfinder“ Hans-Joachim Weigel kündigt derweil den nächsten „Knaller“ in seinem Schloss an. Am 28. November kommt Dr. Gisela Passehr zum Talk. Unter ihrem Mädchennamen Israel war die 85-Jährige langjährige Mannschaftsärztin bei Dynamo Dresden. Beginn 19 Uhr.

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