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Der Lada-Philosoph

Eckehard Franke aus Zabeltitz beruft in seinem Heimatort schon seit 17 Jahren Fantreffen der kultigen russischen Automarke ein.

Von Manfred Müller
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Das Organisationsteam des Zabeltitzer Lada-Treffens vorm Barockpalais (v.l.): Eckehard Franke, Tamás Wend, Gunar Fetzer mit Lada-Fan Claudius Gebhard aus den brandenburgischen Töpchin.
Das Organisationsteam des Zabeltitzer Lada-Treffens vorm Barockpalais (v.l.): Eckehard Franke, Tamás Wend, Gunar Fetzer mit Lada-Fan Claudius Gebhard aus den brandenburgischen Töpchin. © Anne Hübschmann

Zabeltitz. Ein Autonarr ist Eckehard Franke eigentlich nicht. Außer ein paar bequemen Vordersitzen mit integrierten Kopfstützen hat sein Lada nichts Spektakuläres zu bieten. Der Zabeltitzer schraubt auch nicht pausenlos am Fahrzeug herum. Dennoch organisiert er mit zwei Freunden jedes Jahr im Januar ein Lada-Treffen. 

„Ich mache das nicht so sehr wegen der Autos, sondern wegen der Leute, die hinterm Lenkrad sitzen“, sagt er. Das sei ein ganz bestimmter Menschentyp, zu dem er sich hingezogen fühle. Bodenständig, mit einem ausgeprägten Selbstwertgefühl. Wer Lada fährt, will mit seinem fahrbaren Untersatz nicht protzen. Denn ein wirkliches Image hat die „Russenmühle“ nun einmal nicht. Sie ist preiswert, robust und kommt ohne größeren technischen Schnickschnack aus. 

Die Geländevariante Niva gilt als Lieblingsfahrzeug von Landwirten, Gärtnern und Förstern. Zumindest in den neuen Bundesländern, wo noch ein Schuss Ostalgie hinzukommt. „Lada-Fahrer durchschauen den Fetischcharakter der Ware“, doziert Lada-Philosoph Franke. „So viel haben wir vom alten Marx im Gedächtnis behalten.“

Zu DDR-Zeiten ist Eckehard Franke noch Trabant gefahren, wie die meisten im Osten. Der Lada war den Bessergestellten vorbehalten – Handwerkern, Betriebsleitern, Funktionären. „Ich erinnere mich noch genau, wie mir auf der Autobahn bei Jena mal ein schmucker Lada entgegenkam“, erzählt er. „Verchromter Kühlergrill, satte Geschwindigkeit.“ So einen muss ich haben, dachte der Gartenbauingenieur. 

Dann kam die Wende – und die Gebrauchtwagenhändler aus dem Westen fielen wie Heuschrecken ein. Sie verhökerten altersschwache Volkswagen, Opel und BMW, meist zu völlig überhöhten Preisen. Franke aber wollte nicht übers Ohr gehauen werden. Er setzte sich in den Trabbi und fuhr gen Westen. 

In Essen kaufte er beim Lada-Exklusivhändler ein fabrikneues Modell. Das diente von Anfang an als Gebrauchsfahrzeug. „Ich baute damals gerade ein Haus, und da musste das Auto schon mal einen Hänger mit einem Kubikmeter Beton ziehen“, erinnert sich der Zabeltitzer. „Das lag zwar weit über der erlaubten Nutzlast, aber der Lada ging nicht in die Knie.“

Der gemeine Lada-Fahrer gilt als Individualist, der bei einer Panne nicht gleich den ADAC ruft, sondern erst mal den Werkzeugkasten aus dem Kofferraum holt. Und wenn er schon mal angibt, dann damit, wie viele Kilometer seine Kiste bereits auf dem Buckel hat. Oder dass er mit seinem Auto zehntausend Kilometer durch Russland gefahren ist. Von so einer Reise träumte auch Eckehard Franke. 

Da er die Strapazen nicht allein auf sich nehmen wollte, suchte er bei Lada-Treffen nach Gleichgesinnten und kam hier mit dem Dresdner Niva-Verrückten Tamás Wend zusammen. Von dem stammt die Idee, im Dörfchen Zabeltitz ein kleines, aber feines Treffen zu veranstalten – gleich zu Jahresbeginn. Sibirische Kälte und vielleicht sogar Schnee, das passt so recht zu einem russischen Gefährt. Und tatsächlich gab es bei elf der bisherigen 17 Lada-Events in Zabeltitz eine weiße Kulisse.

In diesem Jahr leider nicht, trotzdem reisten am vierten Januarwochenende wieder mehr als 50 Leute an. Die meisten aus Sachsen und Brandenburg, aber auch Berliner, Bayern, Schwaben und sogar Österreicher kommen regelmäßig zu den Lada-Treffen nach Zabeltitz. 

Und sie werden nie enttäuscht. Das liegt nicht nur am speziellen Klima der Veranstaltung. Die traditionelle Ausfahrt am Samstagnachmittag hat meist sächsische und brandenburgische Kulturstätten zum Ziel, auch weniger bekannte, aber nicht minder interessante. Das Kunstgussmuseum in Lauchhammer zum Beispiel oder das Barockschloss Rammenau. 

Eckehard Franke sucht für die Tour landschaftlich besonders reizvolle Strecken abseits der Bundesstraßen aus, wo der Konvoi auch mal zu einem Fotoshooting halten kann. Und abends gibt’s in Zabeltitz meist noch ein Beisammensein, bei dem dieser oder jener musikbegabte Teilnehmer sein Instrument aus dem Kofferraum holt. 

Ladafahren hat schon von Hause aus nicht nur eine philosophische, sondern auch eine poetische Dimension. „Lada“ wird im Russischen als Kosename für Frauen gebraucht und bedeutet so viel wie „Liebchen“. Die ersten Modelle firmierten noch unter dem Namen „Shiguli“ – so heißen die kleinen Segelboote, die man heute noch auf der Wolga sehen kann. Sie zieren auch das Markenlogo des Herstellers AwtoWas. Mehr russische Seele geht nicht.

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