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Der Plan des Frank Brinkmann

Wie der Chef von zwei Energieversorgern in Ostsachsen etwas vollenden möchte, was ihm zu Hause im Westen nicht gelang. Dabei hilft ihm jetzt die Farbenlehre.

Von Ulf Mallek
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Der gebürtige Braunschweiger Frank Brinkmann (52) ist verheiratet und hat drei Kinder. Er ist Diplom-Physiker und promovierter Betriebswirt. Seit Januar 2018 steht er an der Spitze der Technischen Werke Dresden, der Drewag und der Enso.
Der gebürtige Braunschweiger Frank Brinkmann (52) ist verheiratet und hat drei Kinder. Er ist Diplom-Physiker und promovierter Betriebswirt. Seit Januar 2018 steht er an der Spitze der Technischen Werke Dresden, der Drewag und der Enso. © Ronald Bonß

Ostsachsen. Als der neue Chef zum ersten Mal auf dem Neujahrsempfang im Dresdner Kulturkraftwerk sprach, gab es anerkennende Blicke und zustimmendes Murmeln. „Genau. Der macht es richtig. Mutig.“ Das sagten die Gäste. 

Frank Brinkmann ist seit reichlich einem Jahr in Personalunion Chef der beiden großen Energieversorger Drewag und Enso. Der erste ist für die Stadt Dresden zuständig und hat ein grünes Logo. Der zweite bringt die Energie aufs Land und hat ein blaues Logo. Brinkmann möchte die Farben mischen. Aber so, dass sie nicht verschwinden.

Diese Idee hatte er früher schon einmal, in einer anderen Stadt, in einem anderen Land. Brinkmann war Chef des städtischen Dortmunder Energieversorgers DEW21. „Es gab unterschiedliche strategische Auffassungen“, erklärt Brinkmann seinen Weggang aus dem Ruhrgebiet. Eine Integration des Versorgers über die Stadt hinaus war für ihn dort nicht möglich. Er sah zwar als Fachmann die Chancen, scheiterte aber an den Strukturen.

Deshalb hatte sich Brinkmann auch über das Angebot aus Dresden gefreut. Hier, so schien es ihm, betrachten die Entscheider seine Ideen nicht nur wohlwollender, sondern sie denken sogar ähnlich. Der Fusionsgedanke existiert in der Region schon länger. Doch ihn zu verwirklichen, ist ziemlich schwierig. 

Ein Hinderungsgrund ist die Aufteilung der Gewerbesteuer, die Einigung der Anteilseigner. 160 Gemeinden und die Landeshauptstadt Dresden müssen sich verständigen. Deshalb geht Brinkmann den umgekehrten Weg: Er will erst die Betriebsfusion, dann die Legalfusion.

Denn der große Gewinn einer Fusion ist die Integration, das Zusammenlegen von Strukturen. Die Managementintegration hat schon begonnen. Es gibt nur noch zwei Vorstände und einen Arbeitsdirektor, anstatt wie bisher drei bei der Drewag und drei bei der Enso. Es gibt acht Bereichsleiter und nicht mehr 15. 

Auch die Zahl der Abteilungsleiter hat sich fast halbiert. Jeder im Management ist immer für beide Unternehmen zuständig, was quasi das Management halbiert. Daneben haben Drewag und Enso nur noch eine gemeinsame Netzleitwarte. Das macht zusammen eine zweistellige Millionensumme aus, die jetzt schon eingespart wird.

Just do it. Legen wir los. Das ist Brinkmanns Weg. Die sächsische politische Farbenlehre kommt ihm da sehr entgegen. Die Interessen eines bislang rot-rot-grün dominierten Stadtrates in Dresden, eines FDP-gelben Oberbürgermeisters und einer tiefschwarzen Region lassen sich gut kombinieren, besser als die einer einzigen dominierenden politischen Kraft wie im Ruhrgebiet. Das ist Brinkmanns Erfahrung.

Und er kommt gut voran. Die Betriebsintegration würde bereits jetzt die Rückabwicklung seiner Fusion teuer und unsinnig machen. „Das wäre dann wie Staatentrennung“, sagt Brinkmann. Oder vielleicht Brexit. Auf jeden Fall würde es Chaos bedeuten.

Die Beschäftigten haben einen gemeinsamen Betriebsrat gewählt. Die Fusion verändert so einiges auch bei der Mitbestimmung. Allein durch die Größe des neuen Unternehmens. Es hat plötzlich 3 300 Mitarbeiter. Deshalb musste laut Gesetz ein Arbeitsdirektor eingestellt werden und im Aufsichtsrat wächst der Einfluss der Mitarbeiter beträchtlich. Statt wie bisher ein Drittel, stellen zukünftig die Arbeitnehmer die Hälfte der Mitglieder im Aufsichtsrat. Nämlich zehn.

Brinkmann vergleicht das Zusammengehen von Drewag und Enso mit einer Partnerschaft ohne Trauschein. Alles ist genauso wie in einer richtigen Ehe, nur der Schein fehlt. Der wird irgendwann schon von ganz allein kommen. Da ist er sich sicher. Als Belohnung für die gute Betriebsintegration, die Drewag und Enso jetzt leisten.

Wirtschaftliche Chancen sieht Brinkmann noch eine ganze Menge. Zum Beispiel auch durch den Braunkohleausstieg. Der Ausstieg, der jetzt beschlossenen wurde, kann seiner Meinung nach nicht allein mit Solartechnik oder Windrädern kompensiert werden. „Eine komplette Dekarbonisierung ist nicht realistisch“, sagt er. 

Moderne Gaskraftwerke – wie gerade eins in Dresden-Reick gebaut wird – werden sicher noch länger benötigt, und zwar dezentral im Freistaat verteilt. Sie können auch mit Biogas betrieben werden. Hier haben Drewag und Enso große Erfahrungen, können bei solchen dezentralen Erzeugungszentren mitmischen. Die Riesen von heute, wie Boxberg und Co., wird es dann nicht mehr geben.

Ob der Strompreis mit dem Ausstieg aus der Braunkohle steigen wird, vermag Brinkmann nicht genau vorherzusagen. Vermutlich wird der Rohstrompreis tatsächlich steigen, die EEG-Umlage der Verbraucher für die erneuerbaren Energien aber sinken. Im besten Fall hält sich das die Waage.

Brinkmann ärgert sich aber über die schlechte Verkehrsanbindung der Region durch Bahn und Flugzeug. Möglicherweise sei das mittelfristige Herausforderung für die Kohlekommission, die Geld für die Infrastruktur in Kohlegebieten zur Verfügung stellen möchte. Eine Ansiedlung von neuen Start-ups und Forschungseinrichtungen benötigt einen funktionierenden Bahn- und Flugverkehr. „Das Oberzentrum Dresden muss besser angebunden werden“, so Brinkmann. Anders kommen keine blühenden Landschaften in die Lausitz.

Eine zweite Chance für sein Unternehmen sieht Brinkmann beim Trinkwasser. Die parzellierten Strukturen auf dem Land hatten im vergangenen Sommer bereits zu ersten Versorgungsproblemen geführt. Einige Brunnen von kleineren Zweckverbänden liefen trocken. Drewag und Enso halfen elbaufwärts und elbabwärts aus. Wasserknappheit war bisher nie ein sächsisches Thema. Aber das ändert sich gerade durch den Klimawandel.

Aktuell steht ein anderes Thema ganz im Mittelpunkt: das Glasfasernetz. Die Drewag und Enso beteiligen sich – wie die Telekom – am Ausbau der Glasfaserinfrastruktur. Sie ist auch nötig, um den neuen Mobilfunkstandard 5G aufzubauen. Die neuen 5G-Masten (es werden fünfmal so viele benötigt wie für das aktuelle Mobilfunknetz) erfordern eine Glasfaseranbindung. Damit ist das Glasfasernetz zukunftsbeständig für viele Jahrzehnte.

„Wir sind für die Region der Infrastrukturpartner“, sagt Brinkmann. „Wenn wir einen Graben aufbaggern, um Strom- oder Wasserleitungen zu verlegen, können wir ja auch gleich die Telekommunikation anbinden.“ Die Deutsche Telekom ist in diesem Geschäft natürlich ein starker Wettbewerber.

Brinkmann sagt, dass es auch Vorteile hat, wenn man als Ex-Ruhrpottler und neuer Enso-Chef in die Region fährt. Man wird nämlich nicht als besserwisserischer Dresdner betrachtet. Sondern irgendwie neutral. Das helfe ihm, sagt Brinkmann, bei seiner großen Sache, der Fusion. 

Und irgendwie war dann auch der Gedanke aus der Farbenlehre nicht fern. Warum grün und blau überhaupt vermischen? Da kommt vermutlich eh nur ein verwaschenes Blaugrün heraus. Die Farben können doch bleiben, wie sie sind. Schön strahlend nebeneinander, auch auf dem geplanten gemeinsamen Verwaltungsneubau in Dresden, aber dennoch vereint.