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Der Syphilis-Heilige – Bischof Benno

Dem Meißner Kleriker wurden im Mittelalter unzählige Wunder zugesprochen.

Von Udo Lemke
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Figur des Heiligen Benno. Er war der erste Heilige aus dem heutigen Sachsen.
Figur des Heiligen Benno. Er war der erste Heilige aus dem heutigen Sachsen. ©  Wolfgang Wittchen (Archiv)

Am 23. Juni 1270 wurden die Priester im Meißner Dom plötzlich bei der Morgenmesse gestört: „Mit eynem iamerlichen geschrey und hewlenn stürzten Heinrich Preuß und seine Ehefrau in die Kirche und begehrten Zugang zum Grab des Bischofs Benno. Preuß trug auf seinen Armen den leblosen Körper seiner fünfjährigen Tochter Kunigunde. Die Priester erkannten die Notsituation, unterbrachen ihre Liturgie und erlaubten den Eheleuten, das Kind zu Bennos Grab zu bringen. Dort wurden sie Zeuge eines Wunders: Das totgeglaubte Mädchen erwachte zum Leben, stand auf und ging mit den glücklichen Eltern gesund und frisch nach Hause.“ 

So steht es im Jahrbuch des Dombau-Vereins 2002 im Aufsatz „Die Heiligenverehrung Bennos von Meißen im ausgehenden Mittelalter“ von Christoph Volkmar. Das Jahrbuch wiederum steht in einem der Wandschränke des historischen Lesesaals der Meißner Stadtbibliothek und zählt dort zum festen Präsenzbestand.

Volkmar schreibt, dass Wunder wie die Erweckung des Mädchens Kunigunde, von den mittelalterlichen Menschen nicht angezweifelt wurden: „In einer Welt, in der der Tod ein ständiger Begleiter war, die bis in den Alltag hinein von der Präsenz und der Einflussnahme himmlischer wie dämonischer Mächte bestimmt wurde, lag in der wundertätigen Kraft der Heiligen oft die einzige Hoffnung auf Heilung von Krankheiten und Schutz vor Gefahren.“

Als Heilige galten Christen, die wegen ihres tugendhaften und sündenfreien Lebens nach dem Tod sofort in den Himmel, also das Reich Gottes, kamen. Die Menschen schrieben ihnen das Vermögen zu, ihren Bitten bei Gott Gehör verschaffen zu können. Was das betraf, bemühte sich die Kirche, den Eifer der Gläubigen zu bremsen, indem sie ihnen immer wieder erklärten, dass nicht die Heiligen oder ihre Reliquien magische Kräfte besäßen, sondern Gott durch sie wirke.

Was die Wunder Bennos betrifft, so gab es Zeiten mit wenigen und solche mit vielen. „Allein für 1394 sind 34 Wunder überliefert. Den spektakulären Auftakt machte im Jahre 1391 Bischof Nikolaus I., als er vor dem Domkapitel seine wunderbare Rettung aus einer Gefangenschaft sechs Jahre zuvor der Fürbitte Bennos zuschrieb.“ 

Schon ein gutes Jahrhundert zuvor, in den 1270er Jahren, wird von einer Heilung nach dem Genuss des Weines, mit dem die Gebeine Bennos gewaschen worden waren, berichtet. Und 1444 soll der Merseburger Bischof Johannes Bose ein Modell des Merseburger Domes ans Grab Bennos im Meißner Dom habe bringen lassen. Er gab an, „dass seine Bischofskirche durch die Anrufung Bennos vor der Zerstörung im Stadtbrand bewahrt worden war“.

Aktuelle Wunder Bennos wurden vom Meißner Domklerus in Mirakelbücher eingetragen. „Wie ein Panoptikum der Ängste und Nöte des spätmittelalterlichen Menschen liest sich die Liste seiner Wunder. Tote wurden zum Leben erweckt, Unfälle und Feuersbrünste glücklich überstanden, geraubtes Gut wiedererlangt. Auf der Elbe, die er zu Lebzeiten trockenen Fußes überquert haben soll, rettete Benno vor den Gefahren der Fluten. 

Die wundersame Heilung von langen Leiden, wie Blindheit und Verkrüppelung , bis hin zu akuten Erkrankungen, etwa schweren Fiebern oder Seuchen wie der Pest, erwiesen eindrucksvoll Bennos Stand im Heiligenhimmel. Auffällig ist die Häufung von Syphilis-Heilungen in den Protokollen der Zeugenbefragungen von 1515 und 1518. Anscheinend erhoffte man sich von Benno in Fällen der sogenannten Französischen Krankheit, die um 1500 die Bewohner des Reiches verstärkt heimsuchte, eine besonders wirksame Führsprache.“

Was die Zeugenbefragungen betrifft, so versammelten sie Wunderberichte, die schließlich Papst Hadrian VI. überzeugten, Benno am 31. Mai 1523 heiligzusprechen.