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Der zurückhaltende Rückhalt

Dynamos Torwart Janis Blaswich mag die große Bühne nur, wenn es sich dabei um einen Fußballplatz handelt.

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© Robert Michael

Von Tino Meyer

Vielleicht liegt es an der Müdigkeit verbunden mit dieser gewissen Trägheit im Kopf, die immer erst in den Tagen nach einer großen Anstrengung so richtig rauskommt. Vielleicht aber kokettiert Janis Blaswich auch einfach nur und betreibt bewusst Understatement. Das würde schließlich ebenfalls gut passen, zur Mannschaft im Allgemeinen und zu ihm, dem stets so ruhig und in sich gekehrt wirkenden Torwart, ganz besonders.

Seine Vermutung ist jedenfalls falsch. Dynamo Dresden hat in dieser Saison nicht erst sechsmal keinen Gegentreffer hinnehmen müssen. Acht wäre nach der 3:0-Demonstration im Spitzenspiel gegen Osnabrück am Mittwoch die richtige Antwort gewesen, davon vier in der Rückrunde, was Blaswich aber nicht sonderlich zu interessieren scheint. Solche statistischen Details sind ihm allerdings nicht etwa egal, selbst wenn Mimik und Gestik darauf schließen lassen und er nicht mal die Anzahl der Gegentreffer draufhat.

Dabei sollte er sich als Torwart gerade damit doch besonders intensiv befassen. Macht er auch, wie er glaubhaft versichert. „Trotzdem schaue ich nicht jeden Tag auf die Tabelle. Es gibt Zwischenziele, die ich mir stecke. Und am Ende der Saison kann man dann auch über Details und Statistik reden“, entgegnet der 24-Jährige, der in Osnabrück einmal mehr zu den stillen Helden des Alltags gehört hat. Der Reflex, mit dem er aus Nahdistanz den Schuss von Ex-Dynamo Halil Savran abwehrte, verdient durchaus das Prädikat Weltklasse. Damit steht Blaswich nicht nur stellvertretend für die in der stetig wachsenden Huldigung des dynamischen Duos Pascal Testroet und Justin Eilers fast in Vergessenheit geratene, nicht minder überzeugende Dynamo-Defensive. Der Torwart ist das Paradebeispiel.

Die Ruhe und Sicherheit, die er ausstrahlt, und seine rein fußballerischen Qualitäten – viel besser geht es nicht. Der Torwart kann wirklich rechts wie links, was ihn selbst von manchem Feldspieler unterscheidet und vor allem Dynamos Möglichkeiten in der Spieleröffnung auf ein sehr hohes, den allermeisten Drittligisten deutlich überlegenes Level stellt. „Ich glaube, das ist eine Grundvoraussetzung im modernen Fußball, das gehört inzwischen dazu.“ Mehr kann, mehr will er dazu nicht sagen.

Und ein Problem, nach dem Heimspiel am Sonntag gegen die Stuttgarter Kickers womöglich die Fortsetzungsgeschichten des internen Duells um die Torjägerkrone zwischen Eilers und Testroet zu sehen, hören und sehen, hat er gleich gar nicht. Sollen sie nur. „Die Offensivspieler sind vielleicht interessanter. Da kann man ein paar Storys mehr machen. Wir bringen dennoch unsere Leistung, machen unsere Zu-Null-Spiele und pushen uns auch gegenseitig“, meint Blaswich, der nun seinen persönlichen Hattrick schaffen will: nach Köln und Osnabrück auch das dritte Spiel hintereinander ohne Gegentreffer. „Rekorde nehme ich gerne mit. Aber so eine Serie ist immer auch eine Leistung der gesamten Mannschaft. Und wenn wir gegen Stuttgart 2:1 gewinnen, unterschreibe ich das sofort“, betont Blaswich, dessen Stimme sich jetzt tatsächlich anhebt, eine halbe Oktave zumindest. Auch gegen die Stuttgarter Kickers, bei denen die Diskrepanz zwischen Potenzial und Tabellenplatz in dieser Liga mit Abstand am größten ist, sei die Defensivleistung wieder nur ein Teil des Erfolgs. Und damit muss es gut sein, zu einer Kampfansage, einem markigen Spruch lässt sich einer wie er nicht hinreißen. Blaswich genügen die 90 Minuten im Tor, um nachhaltig Eindruck zu machen.

Dynamos Spielweise kommt ihm dabei unbedingt entgegen. Die langen Ballbesitzphasen, in denen Rückpässe zum Torwart geradezu erwünscht, ja sogar Teil des Systems sind, hat die Leihgabe von Borussia Mönchengladbach bei den Transfergesprächen im vergangenen Sommer maßgeblich beeinflusst, für eine Saison in die 3. Liga zu wechseln. Und nun möchte er am liebsten nicht mehr weg, aus Dresden natürlich. Nach dem Aufstieg einfach wieder gehen – Blaswich soll den Satz beenden und entscheidet sich für „kann man nicht“. So oder ähnlich hat er das auch Gladbachs Manager Max Eberl mitgeteilt.

Der Ausgang der Gespräche zwischen den Vereinen und seiner Beraterfirma, die auch Manuel Neuer vertritt, ist jedoch offen. „Ziele habe ich auch für die nächste Saison, doch die behalte ich erst mal für mich“, erklärt Blaswich. Und er findet, damit ist genug gesagt, was nichts mit Müdigkeit oder Trägheit zu tun hat, sondern eher an der Komplexität des Themas liegt.