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„Die Lok muss bleiben“

Zwei Bautzener haben die historische Lokomotive lange Zeit selbst gefahren. Jetzt kämpfen sie für den Erhalt des Denkmals am Bahnhof.

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© Uwe Soeder

Von Madeleine Arndt

Bautzen. Jedes Mal wenn Winfried Sommer von der schwarz-roten Lokomotive vor dem Bahnhof spricht, strahlen seine Augen. Die 136 Tonnen schwere Dame, die auf dem umzäunten Platz schräg vorm Bahnhofsgebäude Gäste und Einheimische grüßt, ist ihm sehr gut vertraut. Als sie noch schnaufend durch die Oberlausitz dampfte, war Winfried Sommer in ihrem Führerstand. „23 Jahre habe ich die Lok gefahren“, sagt der Bautzener mit Stolz.

Für Winfried Sommer gilt: einmal Eisenbahner, immer Eisenbahner. „Ich habe als Kind an der Spreetalbahn gewohnt – da sprang der Funke über“, erinnert sich der 83-Jährige. Begeistert bewarb er sich als junger Bursche 1949 beim Bahnbetriebswerk um eine Stelle. Der Chef bremste ihn. „Drei Jahre Schlosser sollte ich lernen, zwei Jahre in der Lokwerkstatt arbeiten und noch einmal fünf Jahre als Heizer“, sagt der Bautzener. „Danach bin ich ja alt, habe ich gedacht.“ Doch die Lehrzeit ging letztlich schneller vorbei. Winfried Sommer wurde Lokführer und bald der Fahrer von Bautzens bekanntester Lokomotive.

Zu Beginn Kriegslok

„Die 80er“ wurde sie von den Kollegen des Bautzener Bahnbetriebswerks genannt, da die Reichsbahnlokomotive aus der 52er-Baureihe eine 80 in ihrer Betriebsnummer hatte. 1943 in Wien gebaut, ging die Zugmaschine zunächst als Kriegslok mit der Nummer 526778 in die Spur. Nach dem Ende des Weltkriegs wurde sie bis 1947 im Werk in Dresden-Friedrichstadt eingesetzt und leistete im Anschluss bis 1962 in Cottbus ihre Dienste. Dann wurde sie rekonstruiert, nach den damals besten Standards aufgemöbelt und unter der Nummer 528056-5 nach Bautzen in die Oberlausitz verlegt.

Sie galt für damalige Zeiten als äußerst modern: „Es war der letzte Schrei einer Dampflok.“ Mit ihr bewegte Winfried Sommer über viele Jahre Güterzüge durch Sachsen. „Gelegentlich bin ich auch Reisezüge gefahren“, sagt der Bautzener. „Sie hat immer brav ihren Dienst gemacht.“ – Seit ihrer Überführung vom Bahnbetriebswerk Lübbenau ins Bautzener Werk im Juni 1964 bis zur Ausrangierung Ende der 80er Jahre. Wegen eines Kesselrisses musste schließlich die Lok abgestellt werden. Bis dahin war sie 10 186 Tage unterwegs gewesen und hatte mehr als zwei Millionen Kilometer auf den Schienen zurückgelegt.

Knifflige letzte Fahrt

Als das Bahnbetriebswerk im April 1988 mit einer Abschiedsfahrt die Dampflokära beendete, hatte der damaligen Chef die Idee, mit einem Dampfross dieser Zeit ein Denkmal zu setzen. Es war eine gewagte Aktion: „Wir haben extra Gleise gelegt und eine Weiche eingebaut“, berichtet Winfried Sommer. Eine andere Lok schob zuerst die ausgediente „80er“ so weit es ging in Position. Die letzten Meter waren Handarbeit. Zehn Männer rollten den Stahlriesen auf die Ausstellungsrampe. Heute ist die Lok auf der Liste der sächsischen Kulturdenkmale aufgeführt. „Die Lok ist für das Bahnbetriebswerk Bautzen ein Symbol gewesen. Sie muss am Bahnhof stehen bleiben“, betont Winfried Sommer.

Zumal die Nächste ihrer Art erst wieder in Falkenberg zu besichtigen ist, wirft sein Kollege Dieter Grosche ein. Der 65-jährige Bautzener fuhr früher ebenfalls ab und an die Dampflok. Im Vergleich zu den heutigen Zugmaschinen sei sie etwas ganz Besonderes. „Weil man an ihr die Urgewalt der Kraft sieht“, erklärt Dieter Grosche und zeigt auf das schwere Gestänge, das mit Hilfe von Wasserdampf die Räder in Bewegung versetzt.

Verschrotten kommt nicht infrage

Der Rentner, der Vereinsmitglied bei den Ostsächsischen Eisenbahnfreunden ist, will die Lok unbedingt in Bahnhofsnähe belassen. Zumal an ihr noch alle Teile erhalten sind. Die Perfekta-Brache wäre geeignet. Die Stadt müsse sich hier einsetzen, fordert der Bautzener. Die Pflege der Lok wäre durch den Eisenbahnverein denkbar, so Dieter Grosche. Verschrotten komme gar nicht infrage, fügt er hinzu. Allerdings ist auch das eine denkbare Option, seit klar ist, dass die künftigen Eigentümer des Bahnhofs die Lok im Sommer vom Platz haben wollen, unter anderem um dort Parkplätze zu errichten. Da kommt Dieter Grosche eine Idee: Man könnte die Lokomotive doch ins Parkhaus integrieren, dann wäre sie dank eines Dachs sogar wettergeschützt“, schlägt er vor.

Denn in den fast drei Jahrzehnten, in denen die historische Dampflokomotive Wind und Wetter ausgesetzt war, habe das Material ganz schön gelitten. Eine Generalüberholung sei dringend nötig. „Auch darum ist es ein gewagtes Ding, die Lok umzusetzen“, findet Winfried Sommer. „Wir wollen, dass sie hierbleibt, betont Dieter Grosche. Auf dem Bürger-Forum am 3. März befürwortete Oberbürgermeister Alexander Ahrens (SPD) den Erhalt der Lok. „Wir arbeiten daran, dass eine Lösung gefunden wird“, so der Oberbürgermeister.