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Die Mega-Kornkammer

Das Agroterminal Heidenau baut weitere vier Getreidesilos. Das Geschäft läuft gut, aber ein Partnerland macht Sorgen.

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© Daniel Schäfer

Von Heike Sabel

Heidenau. Als an der S 172 an der Stadtgrenze zwischen Heidenau und Pirna die ersten vier silberglänzenden Silos in die Höhe wuchsen, sahen kleine Jungs darin eine Ritterburg. Das war vor sechs Jahren. Dann folgte die zweite Reihe Silos. Nun sind die nächsten vier dran. Als die Fundamente dafür in den Boden gerammt wurden, bebte die Erde, und das Wummern dröhnte weit durchs Elbtal. Nun wird Segment für Segment eingefügt, bis 35 Meter Höhe erreicht sind. Der Riese auf dem Gelände ist der Anlieferungsturm mit 49 Metern und dem gelb-grünen „Agroterminal“-Schriftzug.

Jedes der zwölf Silos fasst 7 500 Tonnen Getreide. Insgesamt können in den bald zwölf Silos 90 000 Tonnen lagern. Hinzu kommen kleinere, im großen Betonsilo versteckte Vorratsbehälter, deren Zahl auch noch einmal erweitert wird. Insgesamt ist dann Platz für 135 000 Tonnen Getreide. Das entspricht 135 Millionen Tüten Mehl zu je einem Kilogramm.

Heidenau ist zu einem Umschlagplatz im weltweiten Getreidehandel geworden. Die Körner werden mit Lkws angeliefert, auf Züge verladen, nach Hamburg gebracht und von dort aus in die ganze Welt verschifft. Im Schnitt fahren täglich 100 Lkws auf das Heidenauer Gelände, in den Spitzenzeiten der Ernte sind es bis zu 180. Sie stehen dann oft auch entlang der S 172 und warten aufs Entladen.

Habema in Heidenau

Gestartet 2012 auf dem ehemaligen Nehlsen-/Enso-Gelände an der S172 zwischen Heidenau und Pirna.

Abgefertigt werden täglich rund 100 Lkw, in Spitzenzeiten bis zu 180.

Beladen wird täglich ein Zug mit 2100 Tonnen.

Geliefert wird über Hamburg unter anderem nach Saudi-Arabien sowie Nord- und Südafrika. In Hamburg befindet sich der Hauptsitz der Habema, die Niederlassung Heidenau zahlt auch in Heidenau Steuern.

Beschäftigt sind derzeit 16 Personen, zwölf davon in zwei Schichten. Angekündigt waren maximal 20. (SZ)

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Noch mehr Silos, noch mehr Lkw? „Nein“, sagt Niederlassungsleiter Martin Teply. „Wir wollen die Gesamtmenge nicht steigern, sondern flexibler reagieren können.“ Im August passierte es bisher schon mal, dass alle Silos randvoll waren. Dann konnte nichts mehr angenommen werden. Das war schlecht für die Landwirte in Deutschland, Tschechien und Polen, die über Händler ihr Getreide an die Habema verkaufen wollen. Schlecht auch fürs Habema-Geschäft.

Nach Afrika und in den Nahen Osten

Das Getreide geht von Heidenau per Zug auf große Reise, oft noch am Tag der Anlieferung. Es geht an das eigene Mischfutterwerk in Hamburg, als Futtergerste zum Beispiel nach Saudi-Arabien oder als Mahlweizen nach Nord- und Südafrika und in den Nahen Osten. Es dort anzubauen, sei wegen des Wetters nicht möglich oder ökologischer Wahnsinn, sagt Teply. Aber die Kritik am vielen Transportieren, nicht nur bei Getreide, ist groß. Bei Habema versucht man zumindest, die Züge nicht zu oft leer fahren zu lassen. Wenn sie von Heidenau nach Hamburg Getreide transportieren, nehmen sie Sojaschrot aus Südamerika von Hamburg nach Heidenau mit zurück, der dann hier wiederum auf Lkw verladen wird. „Es wird viel vom kombinierten Verkehr geredet, wir leben es“, sagt Teply.

Der Gleisanschluss war deshalb auch ein wichtiges Argument für die Entscheidung der Hamburger Habema für Heidenau. Doch nur bei maximal einem Drittel der Fahrten könne die Leerfahrt verhindert werden. „Mehr geht marktbedingt nicht“, sagt Teply.

Der junge Mann, der deutscher und tschechischer Staatsbürger ist, der in Usti, Dresden und Heidelberg unter anderem Betriebswirtschaft studiert hat und dessen Vater und Opa Pfarrer waren, redet begeistert über Getreide, dessen bombastische Proteinwerte, sein Ideal-Gewicht und weitere Qualitäten. „Ich liebe meine Arbeit.“

Nur die Russen machen ihm derzeit das Leben schwer. „Die haben eine Rekordernte eingefahren und bieten das Getreide billig auf dem Weltmarkt an.“ Noch leidet Heidenau nicht darunter. „Die Russen haben die Menge, wir die Qualität.“ Die wird als erstes geprüft, wenn die Lkw ankommen. Für Tierfutter gelten andere Maßstäbe als für menschliche Nahrung.

Die Ritterburg-Kinder sind älter geworden, Spekulationen über den Zweck der Stahl-Silos gibt es aber auch noch heute. Raketenstützpunkt war bisher das Verrückteste, was Teply hörte. Die Sorge sei wirklich unbegründet, sagt er und nimmt es mit Humor. „Der Schriftzug Agroterminal ist keine Tarnung.“