Die zwei vom Webstübchen

Großröhrsdorf. Alice Gäbler räumt den Staubsauger weg. Aus der Küche bei Nicole Haase duftet es schon nach Wildgulasch. In einer Stunde erwarten die zwei Frauen vom Webstübchen die ersten Gäste. Das Restaurant ist eine Neugründung in Großröhrsdorf auf dem Areal des Domizils „Alte Weberei“ an der Bandweberstraße. Im Flachbau, wo früher Garagen waren, wird jetzt gekocht. Die beiden jungen Frauen – 32 und 34 Jahre alt – sind damit den Schritt in die Selbstständigkeit gegangen. Aus dem gesamten Fabrikkomplex ist in den vergangenen Jahren ein schicker Wohn-, Gesundheits- und Gewerbestandort geworden. Das Webstübchen gehört nun dazu.
Für den Flachbau auf dem Areal hatte Miteigentümer Thomas Schöne etwas länger nach Interessenten gesucht und mehrere Varianten in Erwägung gezogen – vom Hofladen bis zum Eiscafé. Nun ist es mit dem Webstübchen ein Restaurant geworden. Der Name passt zur Geschichte der Fabrik. Hier wurden einst Verbandsstoffe gewebt. Im Webstübchen speisen jetzt Gäste.
Die Kartoffeln stehen schon auf dem Herd, und Nicole Haase bereitet den Tafelspitz vor. Sie wirkt hinter den Kulissen. Restaurantfachfrau Alice Gäbler kümmert sich im Gastraum um die Wünsche der Kundschaft. Die beiden Freundinnen kannten sich schon aus ihrem früheren Job als Angestellte in einer anderen Gaststätte. Eher zufällig waren sie auf die Räume aufmerksam geworden. Das war Anfang 2019, als die Physiotherapie loslegte: „Da war ich bei der Eröffnung“, erzählt Alice Gäbler. Damals war das heutige Webstübchen ein Rohbau. Der Gedanke ans eigene Restaurant setzte sich im Kopf fest. Schließlich stand der Entschluss fest: „Jetzt oder nie.“ Das war die Chance und wollte gut überlegt sein. Von den Löffeln bis zur Kücheneinrichtung mussten die beiden Frauen eine ganze Menge investieren.
Eigene Ideen statt Designer
„Wir haben uns dann mit unserem Konzept bei Thomas Schöne vorgestellt.“ An der Speisekarte getüftelt, Cocktails kreiert und das Restaurant eingerichtet: Modern sollte es sein und trotzdem persönlich. So stehen Hell und Dunkel im Kontrast mit warmen Beige- und Brauntönen. Dazu Petrol als Blickfang und Trendfarbe. Einen Designer brauchten die Großröhrsdorferinnen nicht. Es sind eigene Ideen. So fallen auch die Lampen ins Auge. Über die hatten beide Frauen lange nachgedacht. Sie erinnern an Weberschiffen. Das hätten inzwischen schon etliche Gäste gesagt. Das war Zufall, gibt Alice Gäbler zu.
Alles andere war genau überlegt. Ohne die Familie, Freunde, Bekannte wäre es aber nicht zu schaffen gewesen. „Vor allem ohne die Unterstützung unserer Männer.“ Die müssen jetzt auch daheim etwas mehr ran – im Haushalt helfen, sich um die Kinder kümmern. Besonders in der Startphase sei es wichtig, die Familie an der Seite zu haben. Die Männer packten gerade bei der Inneneinrichtung kräftig mit an und bauten auch den schicken Bar-Tresen. Dort können die Gäste auf ein Bier Platz nehmen, ein Schwätzchen halten oder Cocktails genießen. Dabei gibt es durchaus etwas zu entdecken wie den fruchtigen Gage-Punsch und den „Who the fuck is Alice!“-Cocktail in Anspielung auf den Song von Smokie – auf gut Deutsch: „Wer zum Teufel ist Alice!“. Das erfahren jetzt die Gäste im neuen Restaurant. Alle Cocktails sind im Familien- und Freundeskreis getestet.
Erwartungen übertroffen
In der Vergangenheit waren eher Schließungen von Gaststätten im Rödertal angesagt. Das macht die Neueröffnung umso interessanter. Was wohl auch die Gäste finden. Denn mit den ersten Wochen seit dem Start sind die Inhaberinnen sehr zufrieden. Es habe kaum einen Abend gegeben, an dem es etwas luftiger im Gastraum mit seinen 25 Plätz blieb. Bis aus Dresden und Freital kommen die Gäste. „Die ersten Wochen haben unsere Erwartungen übertroffen“, sagt Alice Gäbler. Vielleicht ist das Webstübchen ja mit seinem Konzept genau in eine Marktlücke gestoßen. Da mag die Speisekarte ebenso eine Rolle spielen. Die orientiert sich an der deutschen Küche – „weil es die Leute mögen“. Aber mit dem Besonderen, Überraschenden. Eine ältere Dame war jüngst so begeistert und formulierte: „Traditionelles ein bissel aufgemotzt.“ Das ist die Spezialität von Nicole Haase. Da gibt’s den Tafelspitz natürlich mit Meerrettichsoße. Den Kick bringen Rote Bete und eine überraschende Farbe auf den Teller. Den Wolfsbarsch gibt’s mit Süßkartoffelstampf und die Hähnchenbrust mit Blauschimmelporree. Klassiker wie Rindsroulade oder das Steak mit Würzfleisch dürfen nicht fehlen. „Wir wollen ja auch eine Begegnungsstätte für alle Generationen sein.“
Der Anspruch passt zum Weberei-Domizil mit Kita und betreutem Wohnen. So sind auch alle Räume barrierefrei. Und sobald die ersten wärmeren Sonnenstrahlen den Frühling ins Rödertal bringen, verspricht Alice Gäbler, soll dann auch ein Biergarten vor dem Restaurant öffnen. Dort können die Gäste dann ein Weberbier genießen mit Rum, Gingerale und Limette – ebenfalls eine Eigenkreation.
Geöffnet ist Freitag bis Mittwoch 11 bis 22 Uhr, Donnerstag ist Ruhetag.
Mehr Nachrichten aus Bautzen lesen Sie hier.