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„Naturschützer ist kein Unwort mehr“

Seit 25 Jahren gibt es die Grüne Liga Osterzgebirge. Gründungsmitglied Jens Weber blickt zurück und spricht über Chancen der Region.

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Jens Weber ist studierter Forstwirt und engagiert sich in der Grünen Liga Osterzgebirge.
Jens Weber ist studierter Forstwirt und engagiert sich in der Grünen Liga Osterzgebirge. © Egbert Kamprath

Osterzgebirge. Jens Weber ist für viele der Kopf der Grünen Liga Osterzgebirge. Doch das ist er nicht, beteuert der 50-Jährige. Er sei nur ein einfaches Mitglied im 60-köpfigen Verein. Das stimmt so auch nicht. Der Bärensteiner, der in Schlottwitz groß geworden ist, später in Tharandt Forstwirtschaft studiert hat und sich seit vielen Jahren für die Belange des Natur- und Umweltschutzes engagiert, ist Mitbegründer und Sprecher des Vereins, der im Osterzgebirge zwischen den Flüssen Gottleuba und Flöha tätig ist.

Die SZ traf den Bärensteiner, um über die Vereinsarbeit, ein Jubiläum und die Pläne für 2016 zu sprechen.

Herr Weber, die Grüne Liga Osterzgebirge wurde vor 25 Jahren gegründet. Wird Ihr Verein das feiern?

Vielleicht. Bisher ist das nicht geplant. Wir hatten erst 2015 zwei Feiern. Da feierten wir das 20-jährige Bestehen unseres Vereinsblattes, des Grünen Blätt´ls, sowie das 20. Heulager im Bärensteiner Bielatal.

Wie fällt Ihre persönliche Bilanz von 25 Jahren Grüne Liga aus?

Lassen Sie es mich so sagen: Durch unsere Arbeit ist nichts schlechter geworden (er lächelt). Im Ernst: Ich denke schon, dass wir wichtige Beiträge zum Umweltschutz erbracht haben. Erwähnen möchte ich die Bürgerinitiative gegen das Waldsterben Ende der 1990er-Jahre, als wir eine grenzüberschreitende Ursachenbekämpfung gegen das Waldsterben auf dem Erzgebirgskamm einforderten. Nach dem Hochwasser 2002 unterstützten wir den Protest gegen die Verlegung der B 170 in den Hochwald. Aus heutiger Sicht haben wir auch hier richtig gehandelt. Der geplante Neubau wäre eine Fehlinvestition geworden. Und die naturkundlichen Wanderungen, die wir regelmäßig anbieten, haben sicher auch mit dazu beigetragen, dass viele Erzgebirgler ihre Heimat neu entdeckt und liebgewonnen haben. Auch die Bergwiesen rund um den Geisingberg werden von vielen jetzt mit anderen Augen gesehen. Und auch die Einstellung zu unserer Arbeit hat sich verändert. Anfang der 1990er-Jahre gab es Dörfer, in denen war die Bezeichnung Naturschützer ein Unwort. Das ist sie jetzt nicht mehr. Besonders erfolgreich war unser Wildapfelprojekt. Viele haben uns Tipps gegeben, wo wir noch echte Wildapfelbäume finden können. Am Ende haben wir über 1 000 Bäume erfassen und erhalten können.

Also sind Sie zufrieden mit dem Erreichten?

Nicht ganz. Uns ist einiges leider nicht gelungen. Wir konnten weder den Bau der Autobahn Dresden-Prag verhindern, noch Einfluss auf den A-17-Streckenverlauf nehmen. Aus ökologischer Sicht ist diese Straße absolut negativ. Sie zerschneidet den Naturraum Osterzgebirge. Und das führte unter anderem dazu, dass das Birkhuhn rund um Oelsen ausgestorben ist, weil die Verbindung zu den Gebieten bei Fürstenau und Fürstenwalde durch die Autobahn unterbrochen wurde. Das ist sehr ärgerlich. Wir hatten vorgeschlagen, dass wenigstens der Kamm für die A 17 untertunnelt wird. Doch das wurde leider abgelehnt.

Umweltarbeit kostet auch Geld. Wie finanziert die Grüne Liga ihre Arbeit?

Ein Großteil läuft über Projekte, die vom Land, dem Bund oder der Europäischen Union gefördert werden. Wir sind froh, dass unser derzeit laufendes Wildobstprojekt über Bundesgeld finanziert wird. Dadurch können wir zwei Teilzeitkräfte beschäftigen. Es gab aber auch andere Zeiten, in denen wir es schwer hatten. Denn wer seine Arbeit über Projekte laufen lässt, kann das Pech haben, mal zwischen Förderperioden zu geraten. Zwischen dem Ende der einen und dem Beginn der nächsten tut sich lange nichts, weil die Behörden intern viel zu klären haben. Diesen unschönen Zustand haben wir momentan auf der Landesebene, deshalb fließt von dort kein Geld für neue Projekte. Die Umweltarbeit erlahmt in solchen Zeiträumen.

Gibt es niemanden, der ihre Arbeit sonst noch fördert?

Zum Glück haben wir viele Unterstützer, sowohl ehrenamtliche Helfer bei der praktischen Arbeit als auch eine enorme Zahl an Spendern. Über die Jahre hat sich die Zahl der Spender und Spenden erfreulicherweise erhöht. Im abgelaufenen Jahr hatten wir 170 Spender, die uns mit Minibeträgen, aber auch mit größeren Summen bedachten. Das reicht von fünf bis 1 000 Euro. Firmen sind nicht darunter. Mir persönlich ist das lieb, denn so geraten wir nicht in Abhängigkeiten. Das könnte passieren, wenn wir mal eine Stellungnahme abgeben müssen, von der diese Firma eventuell profitieren könnte. Das würde uns sicher in Schwierigkeiten bringen.

Ein 25-jähriges Bestehen ist ein guter Anlass, Neues auf den Weg zu bringen. Was hat die Grüne Liga geplant?

Neues haben wir dieses Jahr nicht geplant. Wir werden versuchen, unsere Veranstaltungen weiterzuführen. Das ist Arbeit genug. So soll es auch in diesem Jahr wieder das Heulager im Bielatal, den Pfingsterlebnistag am Geisingberg und das Naturschutzpraktikum in Schellerhau geben. Vergleichsweise neu ist unser HeuHoj-Camp. Das gibt es seit 2014 und wird in diesem Jahr zum dritten Mal stattfinden. Wieder werden wir es mit tschechischen Partnern organisieren. Wir wollen auf den Schwarzen Wiesen bei Adolfov Mäharbeiten durchführen. Fortgeführt wird auch unser Wildobstprojekt, mit dem wir seltene Wildobstarten erfassen, um später an geeigneten Orten nachzupflanzen. Und natürlich lädt die Grüne Liga Osterzgebirge auch in diesem Jahr wieder mindestens einmal im Monat zu einer naturkundlichen Wanderung ein.

Seit Jahren kümmert sich auch das Naturschutzgroßprojekt Bergwiesen im Osterzgebirge um den Erhalt der Kulturlandschaft. Jetzt steht eine Neuausrichtung in anderer Form an. Was halten Sie davon?

Das Naturschutzgroßprojekt leistet Großartiges für die Region. Gemeinsam konnten wir die Lebensräume vieler Tiere und Pflanzen erhalten, auf den Bergwiesen ebenso wie auf den Steinrücken. Aus meiner Sicht wäre es vernünftig, das Naturschutzgroßprojekt als Biosphärenreservat weiterzuführen. Dieser Name ist zwar gewöhnungsbedürftig. Doch die Idee dahinter würde am besten zum Osterzgebirge passen. Die Oberlausitz hat gezeigt, dass das funktioniert, obwohl es am Anfang dort Widerstände gab. Ich bin nicht dafür, dass ein Naturpark gegründet wird. Das ist ein sehr schwaches Schutzgebiet. Auch ein Nationalpark wäre nicht die Lösung. 75 Prozent des Gebietes dürften dann nicht mehr genutzt werden. Doch das Osterzgebirge als artenreiche Kulturlandschaft braucht die pflegliche Bewirtschaftung durch eine naturverbundene Bevölkerung.

Das Gespräch führte Maik Brückner.