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Döbeln noch nicht reif für Senioren-WG

Eine Umfrage von Laura Gutschow zeigte wenig Interesse an der Wohnform. Das hat auch mit fehlender Erfahrung zu tun.

Von Jens Hoyer
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Laura Gutschow hat für ihre Bachelorarbeit Senioren befragt, ob sie sich das Leben in Wohngemeinschaften vorstellen können. Sie koordiniert bei der Caritas auch das Projekt „Gemeinschaft erfahren“. Die dafür verwendete Rikscha hat jetzt einen Namen
Laura Gutschow hat für ihre Bachelorarbeit Senioren befragt, ob sie sich das Leben in Wohngemeinschaften vorstellen können. Sie koordiniert bei der Caritas auch das Projekt „Gemeinschaft erfahren“. Die dafür verwendete Rikscha hat jetzt einen Namen © Jens Hoyer

Döbeln. Wohngemeinschaften für Senioren? Drei, vier ältere Leute, die sich eine Wohnung teilen? Für die Wohnungsgenossenschaft Fortschritt ist das derzeit keine Option. Und das hat handfeste Grundlagen. Laura Gutschow, die bei der Caritas im Bereich Leben und Wohnen im Alter arbeitet, hat für ihre Bachelorarbeit ältere Mitglieder der Genossenschaft befragt.

„Das ist ein sehr interessantes und zukunftsweisendes Projekt“, sagte Vorstand Sven Viehrig. Trotzdem war das Ergebnis für die Genossenschaft ernüchternd. In Döbeln gebe es für die Wohnform der Senioren-WG derzeit keinen Bedarf, sagte Viehrig. „In den Ballungszentren funktioniert so etwas gut. Dort haben viele Menschen aber in ihrer Jugend vielleicht schon mal in einer WG gelebt. Hier bei uns können sie es sich aber schlecht vorstellen.“

Eigenes Bad muss sein

Die individuellen Wünsche machen die Senioren WG nur schwer umsetzbar. Beispiel: Viele der befragten Leute wollen ein eigenes Bad. Und das ist unüblich in einer Wohngemeinschaft. „In einem unserer Wohngebäude ist eine WG schwierig zu realisieren. Man müsste eine komplette Etage zusammenlegen“, sagte Viehrig. Die Mitglieder der Genossenschaft hätten jetzt schon viele Möglichkeiten, wo sie sich begegnen können.

Der Altersdurchschnitt der Mitglieder bei der Wohnungsgenossenschaft Fortschritt liegt bei knapp 64 Jahren. Seit Jahren ist die Genossenschaft deshalb in Projekte fürs Wohnen im Alter involviert, sie hat Musterwohnungen umbauen lassen, die auf ältere Mieter zugeschnitten sind. Und manchmal ist das Ergebnis auch, dass sich bestimmte Vorstellungen nicht umsetzen lassen.

Laura Gutschow studiert berufsbegleitend Soziale Gerontologie an der Katholischen Hochschule für Sozialwesen in Berlin. Ihre Bachelorarbeit hat sie mit dem Schwerpunkt „Wohngemeinschaften im Alter“ geschrieben. Bei ihrer Befragung hatte die 29-Jährige eng mit der Genossenschaft zusammengearbeitet. Von 100 Fragebögen, die sie unter den älteren Mitgliedern verteilte, kamen 39 zurück – ein guter Wert. 

Reichlich 15 Prozent der Befragten können sich demnach ein Leben in einer WG vorstellen. Fast 39 Prozent würden „vielleicht einziehen“. Männer seien der WG aufgeschlossener gegenüber als Frauen, sagte Laura Gutschow. Menschen, die mit einem Partner zusammenleben, könnten sich den Einzug eher vorstellen als Leute, die alleine leben.

Wenig Erfahrung mit WGs

„Ich habe gute Erfahrungen mit einer Wohngemeinschaft gemacht und könnte mir das im Alter gut vorstellen“, sagte Laura Gutschow. Viele der Befragten hatten diese Erfahrungen nicht. Gerade zwei hätten in Wohngemeinschaften gelebt.Die Befragten würden gern in ihren vertrauten Wohngebieten wohnen bleiben. Eine gute Anbindung durch öffentliche Verkehrsmittel ist ihnen wichtiger, als ins Zentrum zu ziehen.

Ein paar Erkenntnisse sind durchaus überraschend. „Viele können sich erst für den Fall einer Demenz vorstellen, in eine Wohngemeinschaft einzuziehen. Sie wollen nicht mit ihren Familien leben, aber wegen der hohen Kosten auch nicht in ein Pflegeheim gehen“, sagte Laura Gutschow. 

In der WG würden nur die normalen Mietkosten anfallen, es könnten Pflegedienste der freien Wahl die Betreuung übernehmen. Das habe Vorteile, erklärt Laura Gutschow. „Wenn vier Leute in einer WG zusammenwohnen, kann man gewährleisten, dass fast den ganzen Tag immer ein Pflegedienst vor Ort ist.“

Als Mitarbeiterin der Caritas ist Laura Gutschow für die Sturzpräventionskurse zuständig, die bei der Wohnungsgenossenschaft angeboten werden. Sie koordiniert auch das Projekt „Gemeinschaft erfahren“, in dem Senioren mit der Fahrradrikscha ausgefahren werden. Elf Freiwillige treten für die Senioren in die Pedale.

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