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Dresdner Mordprozess: Rätsel um Bauschaum

Ein 56-jähriger Dresdner soll seine beiden Kinder erwürgt haben. Tat er dies mit besonderer Grausamkeit? Er hat nun eine Aussage angekündigt.

Von Alexander Schneider
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Laurent S. mit seinem Anwalt Andreas Boine. Der Angeklagte soll zwei Kinder umgebracht haben.
Laurent S. mit seinem Anwalt Andreas Boine. Der Angeklagte soll zwei Kinder umgebracht haben. © Archiv/Ronald Bonss

Dresden. Seit Anfang Februar muss sich Laurent F. wegen zweifachen Mordes vor dem Landgericht Dresden verantworten. Der aus Frankreich stammende Mann soll am 9. Mai 2019 seine beiden zwei und fünf Jahre alten Kinder erwürgt haben. Hintergrund der Tat ist ein Trennungskonflikt mit seiner Ehefrau, einer 27-jährigen Senegalesin, und der Streit um den Umgang mit den gemeinsamen Kindern. Am Tattag habe F. darüber hinaus auch versucht, die 27-Jährige zu ermorden.

Bislang hat sich der Angeklagte nicht zu den Vorwürfen geäußert. Allerdings kommentiert er hin und wieder die Aussagen von Zeugen. Das Schwurgericht hat bislang eine ganze Reihe Menschen aus dem privaten Umfeld des 56-Jährigen vernommen, Mieter aus seinem Anwesen in der Stetzscher Straße, Nachbarn, Freunde. So entstand ein recht schillerndes Bild des Angeklagten, der einmal Koch gelernt hatte und sein Geld in seiner eigenen Firma mit Bauarbeiten, Abriss und Entrümpelungen verdient hatte. Offenbar liefen die Geschäfte schlecht, denn im Winter 2018/19 habe F. für einen Freund im großen Stil - knapp zwei Kilogramm - Crystal aus Polen eingeschmuggelt. Ihm werden daher auch drei Kurierfahrten vorgeworfen.

Was hat das Mädchen mitbekommen?

Laut Anklage hat F. seine Kinder zunächst bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt und ihnen anschließend Bauschaum in den Mund gesprüht, der die Atemwege verschließen sollte. Bei der Sektion fanden die Rechtsmediziner auch Bauschaum im Magen des zweijährigen Mädchens. War das Kind möglicherweise bei Bewusstsein, als ihr der Schaum in den Mund gesprüht wurde? In der Verhandlung am Donnerstag sagte die Medizinerin, von diesem Fund könne man nicht ableiten, ob das Mädchen noch bei Bewusstsein gewesen ist.

Bei einem Erwachsenen dauere der Tod durch Ersticken mehrere Minuten und laufe in vier bis fünf Phasen ab. Nach dem Anhalten des Atems (1) setzt zunächst Atemnot (2) ein. Bei Erwachsenen gehen Mediziner im Durchschnitt von ein bis eineinhalb Minuten dieser Phase aus. Darauf folge ein Krampfstadium (3), das ebenfalls eineinhalb Minuten dauern könne. Hier setze die Bewusstlosigkeit ein.

In der nächsten Phase herrscht Atemstillstand (4) und der Betroffene fällt in eine tiefe Bewusstlosigkeit, in der keine Reflexe mehr feststellbar seien. Als letztes stellen Mediziner noch Schnappatmungen (5) fest. In dieser Phase springe das Atemzentrum im Gehirn noch einmal an, doch es komme kaum zu einer effektiven Luftbewegung, sagte die Sachverständige. Ein Herzstillstand jedoch setze oft erst wesentlich später ein, nach zehn bis 20 Minuten.

Mordmerkmal besondere Grausamkeit

Auf Kinder ließen sich diese Werte jedoch nicht ohne Weiteres übertragen. Vieles ließe sich nicht sagen, weil es dazu schlicht an wissenschaftlichen Erkenntnissen fehle. Fakt sei jedoch, dass bei einer tiefen Bewusstlosigkeit auch der Schluckreflex ausgeschaltet ist. Für die Juristen wären diese Fragen interessant gewesen, weil unklar ist, ob und wie lange die Kinder leiden mussten - und ob man dem Angeklagten daher auch als Mordmerkmal eine besondere Grausamkeit anlasten muss. Das könnte zu einer höheren Strafe führen.

Nach Angaben von F.'s Verteidiger Andreas Boine möchte sich sein Mandant nun doch einlassen. Wann, ist jedoch noch unklar. Der Prozess wird Montag, 27. April, um 15 Uhr fortgesetzt – wieder coronabedingt im Gerichtssaal am Hammerweg. Dann wird als Zeuge auf Antrag der Verteidigung ein Psychiater vernommen, bei dem F. vor der Tat in Behandlung war.

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