SZ +
Merken

Doppelter Einsatz

Jan Nezmar ist Sportdirektor bei Slovan Liberec – und Torjäger in der fünften deutschen Liga beim OFC Neugersdorf.

Teilen
Folgen
NEU!
© Thomas Knorr

Von Jürgen Schwarz

Ein Hauch von Champions League in der Oberlausitz. Wenn heute Abend Neugersdorf die Rasenballer aus Leipzig zum Halbfinale im Fußball-Sachsenpokal empfängt, sind die Rollen klar verteilt: Der gastgebende Oberligist ist krasser Außenseiter gegen den Zweitligisten in spe. Doch Jan Nezmar kennt das Gefühl, als der vermeintlich Kleine gegen den Großen über sich hinauszuwachsen. Der 36-Jährige spielte wie FCO-Kapitän Jan Flachbart, dessen Marktwert vor ein paar Jahren rund eine Million Euro betrug, sogar um den Einzug in die Königsklasse. Sie ragen aus der deutsch-tschechischen Spielgemeinschaft – gegen Halle II kamen für Neugersdorf acht Akteure aus dem Nachbarland zum Einsatz – noch heraus.

Kurz vor der Sensation gegen Milan

Nezmar war im August 2002 mit Slovan Liberec nah dran an einer Riesensensation. „Wir verloren beim AC Mailand mit 0:1 und gewannen das Rückspiel 2:1“, erinnert er sich an die Ergebnisse. Was sie bedeuten, wird aber erst klar, wenn er die Geschichte weiter erzählt. „Am Ende wurden die Italiener, die mit Nesta, Maldini, Seedorf, Pirlo und dem zweifachen Torschützen Inzaghi ausnahmslos Weltklasse-Kicker in ihren Reihen hatten, Champions-League-Sieger.“ Nezmar erzielte 104 Tore in der ersten Liga Tschechiens, bildete mit Ex-Auswahlspieler Jiri Stajner bei Slovan Liberec ein Sturmduo und stand mit den heutigen Profis Gebre Selassie (Werder Bremen), Martin Jiranek (Spartak Moskau) und Erik Jendrisek (Hannover) in einer Mannschaft.

Doch im Dezember 2012 beendete er seine Profi-Laufbahn, „weil mir die Position des Sportdirektors bei Slovan angeboten wurde“. Wenige Wochen später stand er in Neugersdorf auf dem Trainingsplatz, „um abzutrainieren und uns im Aufstiegskampf zu helfen“, erzählt FCO-Trainer Manfred Weidner, der natürlich vor dem Spiel des Jahres gegen RB Leipzig auch auf den Routinier setzt. Bereits im Vorjahr trafen beide Teams im Halbfinale aufeinander. Die „Bullen“ setzten sich erst im Elfmeterschießen durch. „Wir hoffen, dass das Glück diesmal auf unserer Seite ist“, sagt Weidner, mit dem der FCO 2013 den Aufstieg schaffte.

Auch Nezmar, der an der Technischen Hochschule in Ostrava Betriebswirtschaft und Management studiert hat, gibt sich optimistisch: „In einem von zehn Spielen kann man sie schlagen.“ Der zweifache Vater – verheiratet mit Vladimira, Tochter Tereza ist elf, Sohn Jan drei Jahre – verdient sich mit seinen Schusskünsten in der fünften deutschen Liga noch ein paar Euro dazu. Aber vor allem hat er weiter Spaß am Spiel. Es ist für ihn auch so etwas wie ein Ausgleich zum verantwortungsvollen Job als Sportdirektor bei Slovan Liberec.

Sein Terminplan ist randvoll. „Eine typische Arbeitswoche gibt es nicht. Als wir mit Slovan in der Europa League spielten und drei Partien in einer Woche anstanden, war es wirklich hektisch“, erzählt er. „Zu einigen Cupspielen wie in Zürich oder Udine bin ich erst am Spieltag mit dem Auto gefahren und gleich nach der Partie wieder zurück.“ Trotzdem hat er an Treffsicherheit nicht eingebüßt.

Die Neugersdorfer haben den Einzug ins Halbfinale in erster Linie Nezmar zu verdanken, der im Viertelfinalspiel in Bautzen mit einem spektakulären Fallrückzieher das Tor des Tages erzielte. „Der Mann ist eine Klasse für sich. Der macht auch aus keiner Chance ein Tor“, geriet selbst Budissas Trainer Thomas Hentschel in Verzückung. Nezmar hatte es gerade so noch pünktlich zum Anstoß geschafft, nachdem er in der Woche zuvor erst für Slovan in Argentinien unterwegs war, danach einmal in Neugersdorf mittrainierte, um schließlich zum Euro-League-Spiel der Liberecer nach Portugal zu fliegen. Wenige Stunden vor dem Pokalspiel landete er wieder in Deutschland.

Ist auch Stajner noch ein Thema?

Ob er auch in der nächsten Saison für die Oberlausitzer am Ball sein wird, kann Nezmar nicht sagen. „Wir sind derzeit in Gesprächen.“ Vielleicht könnte es helfen, sollte dem OFC mit der Verpflichtung des 37-jährigen Jiri Stajner ein weiterer Transfercoup gelingen. Bereits im Vorjahr war der Ex-Nationalspieler ein Thema, wechselte dann aber zu Mlada Boleslav. „Vielleicht ist er immer noch ein Thema, aber diese Frage müssen andere beantworten“, meint Jan Nezmar, der 2002 und 2012 zusammen mit Stajner tschechischer Meister wurde.