Drei Anschläge auf AfD-Mitglied seit August

Vor etwa eineinhalb Jahren hat Hans-Joachim Klaudius ein Areal an der Kurt-Beyer-Straße im Gewerbegebiet in Reick gekauft. "Als zweite Dresdner Adresse", sagt der AfD-Mann. Seit einigen Monaten hat er Probleme mit dem Grundstück.
Drei Anschläge gab es bereits auf die Gebäude dort. Während des letzten Angriffs schlief er gerade in dem Haus. Es hätte für ihn auch schlimmer ausgehen können, vermutet er. Und er weiß auch, weshalb das Objekt so zwiespältig gesehen wird.
Nachdem er eine Weile herumdruckst und sagt, er würde auf seinem Areal keine Leute unterbringen, die auf der "Unvereinbarkeitsliste" der AfD stehen, erzählt Klaudius irgendwann: "Ich habe Büroräume an Herrn Philip Stein vermietet." Philip Stein ist der Chef der Bewegung "Ein Prozent", ein rechtsextremer Verleger, der als Netzwerker und ultrarechter Buschenschaftler gilt.
Steins Leute würden "journalistischer Arbeit" nachgehen, sagt Klaudius. Auf Nachfrage handele es sich um "investigative Recherchen zu Straftaten der Antifa". Linksextremisten sähen das Umfeld von "Ein Prozent" als Feindbild. "Deswegen richten sich die Anschläge nicht primär gegen mich", vermutet Klaudius. Er werde nicht persönlich angefeindet, sondern nur persönlich mit genannt.

Seit August vergangenen Jahres gab es drei Attacken, möglicherweise auch vier, sagt Klaudius. Die Polizei bestätigt die drei Angriffe. In der Nacht vom 23. zum 24. August gab es eine Stein-Attacke. Unbekannte warfen zwei Fensterscheiben ein, dabei wurden die Balkonverglasung und der Putz beschädigt. Am 8. Oktober zeigte Klaudius dann den nächsten Übergriff an. Dieses Mal warfen die Täter mehrere Ballons mit roter Farbe gegen die Hauswand. In der Nacht zum 30. Oktober zündeten die Täter ein Carport aus Holz von Klaudius an. Dabei brannte sein Skoda Octavia komplett aus.
"Die Ermittlungen zu den Sachbeschädigungen werden durch unseren Staatsschutz geführt und sind noch nicht abgeschlossen", erklärt Polizeisprecher Stefan Grohme. "Die Ermittlungen zur Brandstiftung wurden durch das PTAZ übernommen." Das PTAZ ist das Polizeiliche Terrorismus- und Extremismus-Abwehrzentrum. Staatsschutz und PTAZ ermitteln, weil ein politischer Hintergrund vermutet wird, laut Polizei, weil Klaudius in der AfD ist. Zumal sich Linksextreme auf einschlägigen Internetseiten zu den Taten bekannt haben.
Dann gab es auch noch einen eventuellen Anschlag auf den jetzt abgebrannten Skoda. Dort habe mal jemand die Muttern von den Rädern gelöst. Das sei ihm noch rechtzeitig aufgefallen, weil beim Fahren eine Felge abgefallen sei. "Ich will da niemandem etwas unterstellen, aber es könnte ein Anschlag auf mich gewesen sein", sagt Klaudius.
Angezeigt habe er das aber nicht. Insgesamt spricht er von einem Schaden von mehreren Tausend Euro. Mit seiner Versicherung sei er in Verhandlung. Eventuell werde er einen Teil des Schadens selbst tragen, damit ihm nicht gekündigt werde. "Was die Antifa nicht versteht: Solche Anschläge fördern innerhalb der AfD nur den Zusammenhalt", sagt Klaudius. Er habe Spenden erhalten, ein AfD-Mitglied, der ein Autohaus hat, habe den ausgebrannten Wagen abgeschleppt.
"Tonangeber" der AfD
Klaudius beschreibt sich selbst als "ernsthaften und programmatischen" Menschen. "Ich mache keine Ideologie, sondern will die Programmarbeit der AfD voranbringen." Vor allem im Gesundheitswesen. Denn Klaudius ist Arzt, genauer Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurg. Geboren wurde er vor 60 Jahren in Stuttgart, der Vater war Arzt. Seine Tante, eine Zahnärztin, holte ihn 1990 nach Dresden, zum Studium. In Dresden machte er auch seinen Facharztabschluss und arbeitete bis 1995 in der Uniklinik.
Als Arzt könne ihn auch niemand kritisieren. "Der hippokratische Eid steht über allem", steht für Klaudius fest. "Ich behandle alle und alle gleich, auch Migranten", betont er, als sei das besonders hervorzuheben. Das Arztgelöbnis bedeute für ihn, Patienten bestmöglich und möglichst schmerzfrei zu behandeln. "Da mache ich keine Unterschiede."
Eigentlich wohnt der ledige Mann in Briesnitz, weshalb er in Cotta erneut zur Stadtbezirksbeiratswahl für die AfD angetreten ist und gewählt wurde.
Klaudius sei der "Tonangeber" der AfD im Stadtbezirksbeirat, schätzt Alexander Bigga ein, der für die Grünen im Beirat sitzt. "Herr Klaudius fühlt sich als Fraktionsvorsitzender, obwohl es gar keine Fraktionen gibt." Anfangs sei Klaudius "wirr" gewesen. "Er hat aber mittlerweile verstanden, dass man die Bundeskanzlerin nicht in den Stadtbezirksbeirat zitieren kann." Klaudius habe zunehmend gelernt, sich in Zaum zu halten. "Früher hat er jedes Thema auf Flüchtlinge gebracht, das hat sich gebessert", meint Bigga.
Dann sei aber diese Sache mit einer Förderung gewesen, erinnert sich Bigga. "Herr Klaudius lehnte eine Förderung für den "Roten Baum" ab, weil es 2011 mal eine Razzia dort gegeben habe. Das war wieder etwas wirr." Die Polizei hatte nach Krawallen beim Aufmarsch von Neonazis am 19. Februar 2011 die Zentrale der Dresdner Linke an der Großenhainer Straße gestürmt, wo auch der Jugendhilfe-Verein "Roter Baum" sitzt. Es wurde vermutet, von dort werde illegaler Protest gegen Rechtsextreme koordiniert. Am Ende stellte sich heraus, dass die Razzia illegal war.
Partei ein Jahr lang beobachtet
Klaudius sieht sich aber gar nicht als großer Kritiker der Flüchtlingspolitik, schon gar nicht als rechts oder rechtsextrem. Er sei konservativ, wertkonservativ. "Ich war vorher auch nie in einer Partei, habe mal die CDU, mal die FDP und auch mal gar nicht gewählt." Er habe die AfD ein Jahr lang beobachtet, bevor er 2014 eintrat.
Dann führt er, wie es AfDler gerne machen, die "Verschiebung der Werte" an. "Die konservativen Werte sind verloren gegangen." Deshalb bedürfe es der AfD. Dass diese sich immer weiter radikalisiert und Kontakte zu rechtsextremen Netzwerken hat, stört ihn nicht. "Aber ich will die AfD auch nicht den Rechten überlassen, deshalb bleibe ich ja drin."
Und dann verfällt er doch ins AfD-Schema und kommt zu seinem offensichtlichen Lieblingsthema: Flüchtlinge, verknüpft mit seinem Spezialgebiet Gesundheit. Klaudius hebt auf die Tuberkulose-Ausbrüche in Dresden ab Ende 2017 ab. "Es ist nicht richtig, dass beim Familiennachzug von Flüchtlingen die Angehörigen nicht medizinisch untersucht werden." Damit impliziert er, Flüchtlingsfamilien hätten Tuberkulose eingeschleppt.

Dabei ist bis heute nicht klar, wie es zu dem Ausbruch kam und von wem die Infektion ausging. Zumal es jedes Jahr Tuberkulose-Fälle in Dresden gibt. 2017 und 2018 allerdings gehäuft. Im Allgemeinen finde tatsächlich keine Gesundheitsuntersuchung auf Infektionen beim Familiennachzug statt, bestätigt der Sprecher des Sozialministeriums Andreas Friedrich. Das sei bei Ankünften von Asylbewerbern anders. "Hauptgrund dafür ist, dass diese bis zur Entscheidung über den Aufenthalt in Sammelunterkünften untergebracht werden", erklärt Friedrich. Dort wolle man keine Infektionen. Angehörige ziehen aber beim Familiennachzug nicht in Sammelunterkünfte, deswegen sind Untersuchungen nicht notwendig.
Seine Hobbys lassen darauf schließen, dass Klaudius Militarist ist. Er ist Oberfeldarzt der Reserve, war lange Truppenarzt, ist im Verein Deutsche Kriegsgräberfürsorge und Mitglied im Verein "Old Manitou", der sich an den Karl-May-Festspielen in Radebeul beteiligt. In einer speziellen Sektion, deren Mitglieder in sächsischen Uniformen auch zu internationalen Treffen fahren, Schlachten nachstellen und Opfern gedenken.
Klaudius selbst trägt eine Uniform, die 1863/64 getragen wurde, sein Dienstgrad auf diesen Reisen ist "Jäger". Er sei aber kein Kriegsverherrlicher, betont Klaudius. "Es geht ja darum, der Opfer zu gedenken." Und um deutsche Geschichte. Aber er sei kein Nationalist. "Ich bin Sachse", sagt der gebürtige Stuttgarter.
Update 21.01.2020 16:49: In einer früheren Version dieses Textes haben wir fälschlicherweise berichtet, der Verein "Old Manitou" würde die Karl-May-Festspiele ausrichten. Die Mitglieder beteiligen sich lediglich daran. Das haben wir korrigiert. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.