Dresden. Sein T-Shirt mit der Aufschrift "Kraft durch Freunde", das offenbar auf die Nationalsozialistische Gemeinschaft "Kraft durch Freude" anspielt, sorgte für großes Entsetzen. Immer wieder wird Uwe Steimle mit rechten Zusammenhängen in Verbindung gebracht.
Dabei ist Steimle bekennender Linke-Wähler. Er fühlt sich "missverstanden und missbraucht" - sogar von einer Unterstützungs-Petition und dem Vorschlag, ausgezeichnet zu werden, sagt er im Gespräch mit der SZ.
Herr Steimle, wie bewerten Sie die Petition, Ihnen die Ehrenmedaille der Stadt zu verleihen?
Es ist unglücklich, wie das gelaufen ist. Ich verstehe Barbara Lässig, dass sie diese Petition einreicht. Aber sie hätte vorher mit mir sprechen müssen. Man darf nicht mit einer fremden Sache kommen und sie als seine eigene wegtragen.
Bedeutet das, Sie wollen die Medaille gar nicht?
Dafür gibt es Gremien. Wenn die Gemeinschaft es will, dann ja. Aber ich frage mich, weshalb ich immer benutzt werde. Ich mache meine Arbeit und fertig. In dem Moment, in dem eine Petition bemüht werden muss, wird es schwierig.
Sehen Sie das generell so?
Nein. Die Petition zum Erhalt der ehemaligen Herkuleskeule würde ich sofort unterschreiben. Das ist Bauhaus in Reinkultur und sollte unbedingt erhalten bleiben, auch für die Menschen in dem Viertel.
Sie kämpfen auch für die Sanierung des Fernsehturms.
Als Bürger dieser Stadt werbe ich für meine Ideen. Wenn andere bessere haben, schließe ich mich dem an. Toleranz ist die Einsicht, dass der andere auch Recht haben kann. Wenn aber viele Dresdner den Fernsehturm haben wollen, darf sich der Oberbürgermeister nicht dagegen stellen. Oder anders ausgedrückt: Demokratie ist kräftezehrend, da ist Diktatur schon einfacher, aber nur, weil alles vorgegeben wird.
Hat die AfD Sie ohne Ihr Wissen für die Medaille vorgeschlagen?
Frau Lässig hat mit mir gesprochen. Aber die ist ja nicht in der AfD. Ich habe erst später erfahren, dass sie für die AfD arbeitet und es der Vorschlag der AfD ist.
Stört es Sie, dass die AfD Sie vorgeschlagen hat?
Nein. Ich meine, man muss mit der AfD reden. Sie auszuschließen, halte ich für falsch. Wenn man feststellt, dass es unvereinbar mit den eigenen Positionen ist, dann kann man das beenden. Die AfD ist für mich eine konservative bürgerliche Partei. Wenn die AfD Mist erzählt, bekommt sie von mir auch eine drauf.
Was mich gestört hat ist, dass die Fraktionsvorsitzende der Grünen mir Sympathie für Reichbürgerthesen unterstellt und das „Kraft durch Freunde“-T-Shirt kritisiert, dann aber zu keinem Gespräch mit mir bereit ist.
Hätten Sie denn die Medaille verdient?
Das kann ich nicht beurteilen. Da bin ich demütig. Glaube aber, dass die Person, die es öffentlich gemacht hat, mir einen Bärendienst erwiesen hat. Vor allem aber die Person, die es öffentlich gemacht hat. Die Medaille wäre eine schöne Sache, aber ich werde dadurch nicht reicher oder klüger. Was mich ehrt, ist wenn nach einer Vorstellung ein älterer Mann zu mir kommt, um ein Autogramm bittet und sagt: „Schön, dass Sie mit Edding unterschreiben. Die werden nämlich in Bautzen hergestellt und ich stehe jeden Tag hinter der Maschine.“ Das ist mir jetzt in Cunewalde so gegangen.
Ich verstehe nicht, dass man sich die Chance entgehen lässt und immer diese Einordnung in rechts und links vorgenommen wird. Ich bin nicht links, ich bin nicht rechts - ich bin vollständig. Aber ich bin auch kein Chamäleon, dass sich immer anpasst. Ich habe im übrigen immer öfter das Gefühl: Sie können in diesem Land selbstverständlich alles sagen, was sie denken. Sie müssen nur das Richtige denken.
Ich denke, Sie wählen Die Linke?
Ja, weil es die einzige Partei ist, die sich ernsthaft für Frieden einsetzt. Da nehme ich andere Dinge in Kauf.
Dennoch wird Ihnen eine Nähe zu rechten Gedanken vorgeworfen.
Die Leute wissen, dass ich nicht rechts bin. „Kraft durch Freunde“ kann man nicht missverstehen. Klar war da ein Funken Provokation dabei, aber auf dem Rücken stand es auf Russisch. Soweit guggen aber selbsternannte Sehrgutmenschen nicht. Innerhalb kürzester Zeit wurde es in sozialen Medien verbreitet. Aber mit mir hat niemand gesprochen. Wenn ich rechts wäre, würde sich mein Publikum von mir abwenden.
Was ist denn die Geschichte dahinter?
Ich hatte beim MDR eine Verpflichtungserklärung abgegeben, dass ich ein Jahr lang keine Interviews gebe, keine Satire in meiner Sendung mache und keine Botschaften auf T-Shirts schreibe. An dem Tag war das Jahr genau rum. „Kraft durch Freunde“ war das Motto des Kabarettisten Werner Finck und der landete unter den Faschisten sogar einige Zeit im Konzentrationslager.
Wurden Sie missverstanden?
Wenn Satire nicht verstanden wird, muss sich nicht der Satiriker fragen, ob er etwas falsch gemacht hat. Aber ich hinterfrage mich selbstverständlich. Mich macht das alles eher traurig als zornig.
Auch weil Sie Ihre Sendung im MDR verloren haben?
Wenn 100 Leute in Teheran demonstrieren, macht die ARD einen Brennpunkt dazu. Wenn 52.000 Menschen eine Petition unterschreiben, dass sie „Steimles Welt“ wieder sehen wollen, wird das totgeschwiegen. Die Zuschauer bezahlen den Sender. Da kann es nicht sein, dass die Intendantin einfach Nein sagt. Da ist die Demokratie am Boden.
Würden Sie denn wieder zur Verfügung stehen?
Unbedingt. Immerhin waren wir die beliebteste Sendung. Und wer Liebe ausschlägt, ist verloren.
Was sagen Sie zu dem Vorwurf, Sie würden dem Volk nach dem Maul reden – auch Rechten?
Ich schaue dem Volk aufs Maul und möchte immer Teil des Volkes sein. Aber ich mache mir natürlich Gedanken darüber, was einige Leute behaupten.
Und?
Ich habe nichts mit rechts zu tun, aber ich ahne, wo es herkommt. 2015 habe ich aus Zorn in einer Sendung gefragt, warum Israelis und Amerikaner einen Krieg anzetteln und wir dafür bezahlen dürfen. Da wurde ich sofort als Antisemit bezeichnet. Auslöser war, dass Israel Bomben auf Krankenhäuser in Palästina geworfen hat. Ich habe erst später erfahren, dass die Palästinenser Granatwerfer in ihre Krankenhäuser gestellt haben, um die Bombardierung zu provozieren. Das hatte ich mir einfach nicht vorstellen können. Seitdem werde ich gejagt.
Sind Sie ein Sprachrohr für Rechte?
Nein. Vielleicht für Menschen, die nicht gehört werden von der Politik. Viele wollen gar nicht radikal sein. Sie wollen ihre Ruhe. Bei meinen Auftritten gilt: Hass und Hetze sind fehl am Platz. Ich möchte nicht als falsche Stimme von jemandem missbraucht werden.
Trifft das auch auf Pegida zu?
Pegida ist meiner Meinung nach daraus entstanden, dass hier in Dresden die Haltung immer lautete: Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus. Das ist in den Leuten drin. Als verantwortlicher Politiker kann man Menschen nicht pauschal als Nazis abstempeln, um nicht mit ihnen reden zu müssen. Sie haben 2015 gesehen, was passiert. Es war ein Ruf gegen Gewalttätigkeit. Was daraus geworden ist, ist falsch. Man hätte früher mit den Teilnehmern reden müssen. Wenn sich heute Leute bei Pegida hinstellen und den Holocaust leugnen, ist für mich Ende der Debatte. Mit diesen Menschen möchte ich nicht mehr reden.
Hatte sich nicht Pegida-Frontmann Lutz Bachmann mal explizit bei Ihnen bedankt?
Dort wurde ich ebenfalls missbraucht. Herr Bachmann hat sich ein T-Shirt nachmachen lassen, mit dem ich aufgetreten war. „Mir san mir“ in kyrillischen Buchstaben, was im Russischen Frieden bedeutet. Ich habe eine Unterlassungserklärung gefordert. Darauf hat er bis heute nicht reagiert.
Sie sagen, sie werden missverstanden und missbraucht. Was lernen Sie daraus?
Ich habe daraus gelernt, achtsamer zu sein, aber keine Kreide gefressen. Ich werde in Zukunft, da die Zeiten hochemotional sind, unmissverständlicher sein. Also so agieren, dass ich erkennbar bin. Einiges davon werde ich auch in meinem Buch aufgreifen, das im Herbst erscheint.
Sie sind auch Opfer des Coronavirus?
Ja, das Programm "Gedanken sind frei" in der Dresdner Ballsportarena kann nicht wie geplant am 25. März stattfinden. Die Halle ist ausverkauft, mit 2.300 Zuschauern. Wir holen das am 3. Juli nach.
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