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Liverpool-Fans im Dynamo-Land?

In Dresden haben sich Anhänger des Teams von Trainer Jürgen Klopp organisiert. Ihnen geht es nicht nur um Fußball.

Von Cornelius de Haas
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André Fleischer (Mitte) und die Dresden-Kopites-Mitglieder präsentieren ihre Liebe.
André Fleischer (Mitte) und die Dresden-Kopites-Mitglieder präsentieren ihre Liebe. © Jürgen Lösel

Es ist eigentlich ganz einfach: Geht es in Dresden um Fußball, dann geht es in erster Linie um Schwarz-Gelb. Und selbst wenn Dynamo keine Rolle spielt, irgendeine Verbindung gibt es doch fast immer. So ist es auch bei den Kopites. Deren Herz schlägt für den FC Liverpool (LFC), der in den besonders ruhmreichen Jahren der SGD dreimal als Europapokal-Gegner an der Elbe zu Gast war. Der letzte Auftritt der Reds liegt allerdings mehr als 40 Jahre zurück.

Dennoch hat der Verein aus dem Nordwesten Englands seit Sommer 2018 einen eigenen Fanklub in der Stadt. Inzwischen zählt dieser 25 Mitglieder. "Darunter sind auch einige, die die Spiele gegen Dynamo in den 70er Jahren miterlebt haben", sagt André Fleischer, der Vorsitzende des Vereins. Mit seinen 32 Jahren kennt er die Begegnungen selbst nur aus Erzählungen. 

Fleischer haben die deutschen Vereine nie so richtig interessiert, obwohl Fußball immer ein Thema war. Dass er sich irgendwann doch für einen Klub entschied, lag am Fernsehen. Es muss so um 2001 gewesen sein, zu einer Zeit als Sport1 noch Deutsches Sportfernsehen hieß. "Da lief montags immer die Zusammenfassung der Premier League", erinnert sich Fleischer. Je öfter er sich diese ansah, umso mehr erwärmte sich sein Herz für den 18-maligen englischen Meister.

Die Dresden Kopites feiern ein Liverpooler Tor im Champions-League-Heimspiel gegen den KRC Genk.
Die Dresden Kopites feiern ein Liverpooler Tor im Champions-League-Heimspiel gegen den KRC Genk. © Jürgen Lösel

Doch bis zur Fanklub-Gründung war es noch ein weiter Weg. Bis vor zwei Jahren schaute sich der gebürtige Freitaler die Spiele meist allein in seinem Stammpub an. Erst die 125-Jahr-Feier von Hertha BSC konnte daran etwas ändern. Ende Juli 2017 war ein Testspiel gegen das Klopp-Team der Höhepunkt der Berliner Festwoche - und Fleischer mit von der Partie. Dort suchte er den Kontakt zu Gleichgesinnten und fand ihn in der Hauptstadt bei den Berlin Reds.

Von ihnen erfuhr Fleischer, dass er nicht der erste Dresdner war, der sich nach organisiertem Fansein erkundigt hatte. Die Verbindungen waren schnell hergestellt, das erste Spiel zusammen geguckt. Eine Stammkneipe aber fehlte noch. Ein Tipp aus der neuen Runde brachte die Lösung: den Irish-Fiddler-Pub in der Neustadt.

Dessen Chef Derek ist zwar Anhänger von Tottenham Hotspur, hat aber in seinem Keller ausreichend Platz für die Kopites, die sich derart eng mit ihrem Klub verbunden fühlen, dass sie gleich den Namen wählten, mit dem die härtesten LFC-Fans auf der Tribüne The Kop im Stadion an der Anfield Road genannt werden.

Ein Hauch von Anfield

Wer noch nie in diesem legendären Stadion war, dürfte im Irish Fiddler bei Spielen des amtierenden Champions-League-Siegers zumindest eine Ahnung davon bekommen, wie es dort zugeht. Geschmückt mit Liverpool-Fahnen, Jürgen-Klopp-Schals und Dresden-Kopites-Transparenten wird in dem gemütlichen Gewölbe schon mal klar, wer hier unterstützt wird. Zudem sind die meisten Fanclub-Mitglieder an den roten Trikots als Unterstützer des 1892 gegründeten Vereins zu erkennen.

Vor dem Anpfiff singen sie selbstverständlich die Hymne "You'll never walk alone", wenn auch mehr schief als harmonisch. Der Stimmung tut das aber keinen Abbruch, man subsummiert das unter "Lokalsport". Während der Partien kommen darum auch viele Fan-Lieder über ihre Lippen, die sonst nur im Stadion zu hören sind und in denen unter anderem die Qualitäten von Mohammed Salah, Virgil van Dijk oder Sadio Mané gepriesen werden. Zumindest aus dem erweiterten Stammspielerkreis dürfte jeder Profis seine eigene Hymne haben.

Woher die Textsicherheit kommt, kann Fleischer leicht erklären: "Das liegt an den langen Fahrten zu den anderen Fanclubs. Da könnten wir zwar auch fünf Stunden Radio hören, aber Singen macht einfach mehr Spaß." Und der gehört bei den Kopites zwingend dazu. Wie eben auch der Austausch mit anderen Fanclubs, vor allem mit denen, die der Dachorganisation Redmen Family angehören. In Deutschland sind das bislang sieben. So sind zum Beispiel Besuche in Karlsruhe, Hamburg oder München fester Bestandteil des Vereinslebens.

Was natürlich nicht fehlen darf, sind Ausflüge an die Mündung des Mersey. Fleischer war erst jüngst beim Spitzenspiel gegen Manchester City in Anfield. "Näher dran ist nur die Startelf", kommentierte er bei Facebook seinen Besuch. Auch das ist ein Vorteil als Dresden Kopite, also als Mitglied des Redmen Family: Für viele Heimspiele erhält das Bündnis Tickets. Vergeben werden die nach einem Fairness-Prinzip.

Davon profitierte Fleischer, der sich "jetzt erst mal wieder hinten anstellen" muss , aber trotzdem diebisch darüber freut, dass er für 50 Euro beim 3:1 gegen das Team von Pep Guardiola dabei sein konnte. "Als ich das erste Mal zu einem Spiel dort war, habe ich auf dem Schwarzmarkt 250 Pfund bezahlt."

Dieses Glück wissen die Dresden Kopites zu schätzen. Und deswegen wollen sie auch etwas davon abgeben. Bei den Liveübertragungen gibt es eine Spendenbüchse, in die reichlich eingezahlt wird. Momentan wird für das Liverpooler Projekt Fans Supporting Foodbanks - vergleichbar mit den Tafeln in Deutschland - gesammelt. Dabei vergessen die Anhänger der Reds und des Stadtrivalen Everton für den guten Zweck ihre Rivalität. Die erste Übergabe fand vor dem Duell gegen City statt, die zweite soll im Dezember folgen.

Im neuen Jahr ist laut Fleischer angedacht, ein lokales Projekt zu unterstützen. "Das muss jetzt nicht zwingend einen sozialen Hintergrund haben", sagt er. "Politische Bildung wäre auch ein mögliches Thema." Vor dem Hintergrund der Debatte um den "Nazi-Notstand?" und dem eigenen Anspruch als weltoffener und freundlicher Verein eine nachvollziehbare Überlegung.