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Eine fröhliche Musikschule

Vor 20 Jahren hat Andreas Wendler sein Orchester aus Akkordeonspielern gegründet. Obwohl ihn Kollegen manchmal belächelten, hat sein Konzept Erfolg.

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© nikolaischmidt.de

Von Ines Eifler

Ein Kind steht auf der Bühne. Die Trompete in der Hand, die Noten vor Augen, doch Lampenfieber bis zur Panik im Herzen. Was, wenn der Ton verrutscht? Was, wenn der Einsatz misslingt? Was, wenn alle lachen? Andreas Wendler hat diese Szene als Kind oft erlebt. Und so intensiv, dass er schon damals wusste: „Sollte ich jemals Kinder unterrichten, dann ohne diesen Druck. Sie sollen nicht ängstlich auf der Bühne stehen und sich vor Publikum beweisen müssen.“ Bis heute ist der Musikpädagoge davon überzeugt, dass Zwang die Freude am Musizieren zerstört. Seine Schüler lieben ihn dafür. Und seine Haltung hat sich bewährt.

20 Jahre ist es jetzt her, dass Andreas Wendler sein Akkordeon-Orchester mit 120 Kindern und Jugendlichen und einem großen Konzert vor dem Rathaus gegründet hat. Und noch ein paar Jahre länger liegt es zurück, dass er sich in Görlitz mit der Musikschule Fröhlich selbstständig machte. „Ich ging damals ganz unbefangen heran“, erzählt der 52-Jährige, „und nutzte eine Chance, die sich auftat.“ In der DDR war er Berufsmusiker beim Militär gewesen, eine Zeit lang auf Rügen, zuletzt, seit 1986, in Görlitz. Nebenbei hatte er immer in Bands gespielt, Unterhaltungsmusik gemacht, als Sänger und am Keyboard, und Instrumentalunterricht gegeben. 1991 wäre seine Zeit beim Militär vorbei gewesen. Danach wollte er mit seiner Frau in die gemeinsame Heimat Thüringen zurückgehen und dort Musikschullehrer werden, Kinder unterrichten, eigene Musikprojekte aufbauen. „Es war alles schon vorbereitet“, erzählt er. Mit der Wende aber wurde alles anders. Zur Bundeswehr wechseln wollte er nicht, die Pläne in Thüringen zerschlugen sich. Also blieb er in Görlitz. Tingelte in den ersten Nachwendejahren von einer Veranstaltung zur nächsten, verdiente sein Geld mit Unterhaltungsmusik, gab etwas Unterricht an der Musikschule Niesky. „Das waren harte Jahre“, erinnert sich Andreas Wendler.

Die Vorbehalte der Kollegen

Doch dann las er eines Tages eine Annonce: „Gründen Sie Ihre eigene Musikschule.“ Dem ging er sofort nach, besuchte seitdem die dafür nötigen Seminare in Chemnitz und Leipzig, qualifizierte sich und war bald mit der Musikschule Fröhlich in Görlitz präsent, einem Teil dieses in ganz Deutschland aktiven Franchise-Unternehmens. Zu erwähnen, dass er an die Gründung unbefangen heranging, spielt eine Rolle für ihn. Denn die Musikschule Fröhlich hat ein Konzept, das sich von klassischen Lehrmethoden unterscheidet. Die Kinder lernen ab der Grundschule zunächst Melodika, später Akkordeon spielen, aber nicht im Einzelunterricht, sondern in Kleingruppen. Manche Musikpädagogen haben deshalb Vorbehalte, bemängeln fehlenden Anspruch. Andreas Wendler hatte von Anfang an mit diesem Image seiner Schule zu kämpfen und tut das bis heute.

Dennoch wich er nicht von seinem Vorhaben ab, sondern nutzte die Vorteile des nicht-autoritären Konzepts und entwickelte es weiter, besonders nach der Orchestergründung. Leistungsbereite Schüler wollte er fördern, aber auch Kindern den Spaß nicht verderben, die mehr aus Freude an der Gemeinschaft dabei waren und sozial vom Zusammenhalt profitierten. Deshalb teilte er das Ensemble in ein altersunabhängiges Nachwuchs- und ein Leistungsorchester. Letzteres ist der heutige Verein JugendShowOrchester Görlitz. Als durchlässige Grenze zwischen den beiden Ensembles richtete Andreas Wendler eine Prüfung ein, die er selbst entwickelte und deren Anforderungen er Jahr für Jahr höher setzte. Die Schüler können sich für das Leistungsorchester qualifizieren, aber wieder zurückwechseln, wenn sie sich dem Niveau nicht gewachsen fühlen.

Außerdem bietet Andreas Wendler den Schülern mehr als nur Akkordeonspielen. Besonders die Mitglieder des JugendShowOrchesters können sich neben dem Musizieren in Bereichen wie Konzertmanagement, Showgestaltung oder Öffentlichkeitsarbeit engagieren. Auch kooperiert Wendler von Beginn an eng mit Matthias Hahns Musikschule „Time2groove“. Gemeinsam unterstützen sie die Bandprojekte ihrer Schüler und unternehmen zusammen Tourneen. In mehreren Bundesländern waren sie schon, viermal davon an der Ostsee. In diesem Sommer wird es an die Mosel gehen. Fast die Hälfte der 30 Konzerte, die das Orchester pro Jahr gibt, erklingt innerhalb dieser Tourneen.

Erfolgreiche Konzerte

Aber auch daheim in Görlitz und Umgebung können die Kinder und Jugendlichen ihr Können zeigen. Besonders bei den Jahreskonzerten, die früher vor Weihnachten in der Stadthalle 1 400 Zuhörer begeisterten und heute immer nach Neujahr im Theater erklingen. Auch das diesjährige Jubiläumskonzert war ein großer Erfolg. Unter anderem dank der Solisten und kleinen Besetzungen, die es natürlich auch an der Musikschule Fröhlich gibt. Aber die nicht aus Zwang aus der Menge hervortreten, sondern weil sie es möchten.