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Nachruf auf Stephan Trepte: Die Kerzen sind erloschen

Er war verrückt nach dicken Bohnen: Stephan Trepte, der Sänger von electra, Lift und Reform, ist tot. Er starb zwei Tage nach seinem 70. Geburtstag. Ein Nachruf.

Von Birgit Grimm
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Die Electra-Combo 1973 vor der Ruine der Dresdner Frauenkirche: Hans-Peter Dohanetz, Peter Sandkaulen, Bernd Aust, Stephan Trepte, Michael Demmnitz und Peter Ludewig (v.l.).
Die Electra-Combo 1973 vor der Ruine der Dresdner Frauenkirche: Hans-Peter Dohanetz, Peter Sandkaulen, Bernd Aust, Stephan Trepte, Michael Demmnitz und Peter Ludewig (v.l.). © Privat/ Bernd Aust

Dresden. Seine Stimme war so ausdrucksstark wie wandelbar. Am Mittwoch ist sie verstummt. Stephan Trepte starb zwei Tage nach seinem 70. Geburtstag in seiner Wohnung in Plenketal. „Mit dem Song ‚Seh in die Kerzen‘ hatte sich Stephan Trepte in den letzten Jahren bei den Konzerten mit electra stets von unserem Publikum verabschiedet. Nun sind die Kerzen erloschen“, schreibt der Dresdner Musiker und Konzertveranstalter Bernd Aust im Nachruf. Er und seine Bandkollegen von electra trauern „um eine große Sängerpersönlichkeit, einen aufrichtigen Musikerkollegen und geradlinigen Freund“.

Bernd Aust war es auch, der den gelernten Maschinenbauer als Sänger zu electra – damals noch Electra-Combo – holte. Trepte, der in Biehla bei Kamenz geboren wurde, hatte als Kind eine klassische Klavier-Ausbildung bekommen und Gitarre gelernt. Nach Abitur und Ausbildung machte er nebenher in den Amateurbands Quintanas und Stereo-Club Musik. Auf einer dieser Tanzveranstaltungen mit Live-Musik, es war 1972 in Pockau, wurde Aust auf Trepte aufmerksam.

Ein Quasi-Verbot machte electra populär

Die erste Rockballade, die Trepte mit der Band im Studio einspielte, war „Tritt ein in den Dom“. Das Zehn-Minuten-Stück war in vielerlei Hinsicht etwas Besonderes. Es begann schon damit, dass Trepte lispelte. Bernd Aust, der den Song komponiert hat, soll deshalb alle „s“- und „z“-Laute gesungen haben. Es wurde anfangs im Rundfunk gespielt, kam auf den ersten Platz in diversen Wertungssendungen, aber nicht auf die erste Langspielplatte der Electra-Combo.

Irgendwann hatten die SED-politischen Sittenwächter festgestellt, dass der Text Werbung für die Institution Kirche mache. So etwas konnte freilich nicht hingenommen werden. Dieser Text sendet keine missionarische Botschaft, aber er setzt das Kopfkino in Gang, indem er auf kongeniale Weise grandiose sakrale Architektur zum Klingen bringt. Die eine hat beim Hören den Meißener Dom vor Augen, der andere eine Kathedrale irgendwo anders in der Welt. „Tritt ein in den Dom“ war lange Zeit nur auf Konzerten zu hören. Dieses Quasi-Verbot machte die Band natürlich erst so richtig populär. 1980 wurde die Rockballade endlich auf einen Tonträger gepresst. Es war die dritte Amiga-Langspielplatte der Band, die sich inzwischen electra nannte und zu der Stephan Trepte längst nicht mehr gehörte. Schon 1974 hatte er nach Unstimmigkeiten die Band verlassen und war bei Lift eingestiegen – auch hier blieb er wiederum zwei Jahre.

"Mein Herz soll ein Wasser sein"

„Mein Herz soll ein Wasser sein. Ein salziges Wasser, das aus den Augen rinnt, wenn es überläuft“, heißt es in einem Lift-Titel, aus dem Treptes Sohn Ludwig jetzt zitierte: „Am letzten Montag noch bist du 70 Jahre alt geworden und morgen wollten wir gemeinsam mit deinen Enkelkindern in den Urlaub fahren“, schrieb er weiter. „Du warst ein begnadeter Sänger voller Emotionen und deine Stimme ging mir direkt ins Herz.“ Der Schauspieler Ludwig Trepte ist der jüngste der vier Söhnen des Sängers.

Am längsten hielt es Stephan Trepte bei der Band Reform. Er sang nicht nur, sondern schrieb Songs und produzierte. Viele Reform-Songs erlangten in der DDR Kultstatus: „Wenn die Blätter fallen“, „He, Schwester küss mich“, „Dicke Bohnen“, „Wie im Film“ oder „Drachentöter“, um nur einige zu nennen.

1986 löste sich Reform auf. Trepte sang anschließend in diversen Projekten und auch mit den ehemaligen Kollegen von Lift und electra. Er spielte in Produktionen wie „The Rocky Horror Show“, veranstaltete Lesungen und stieg schließlich 1989 wieder bei electra ein. Kurz vor der Wende nahmen sie die LP „Der aufrechte Gang“ auf. Der Platte erging es wie Treptes erstem Song für und mit electra: Sie blieb in der Schublade und erschien erst Jahre später in einer Box mit allen Alben der Band.

Gemeinsam mit electra gab der begnadete Sänger am 26. September 2015 in Obervogelgesang an der Elbe sein letztes Konzert. Danach löste sich die Gruppe auf. Stephan Trepte ging in den Ruhestand und zog sich aus Berlin zurück. Die aktuelle Musikszene interessierte ihn kaum, weil es seiner Ansicht nach heutzutage keine richtige Rockmusik mehr gibt. In einem Interview mit Deutsche Mugge bekannte er, privat selten Musik zu hören. Das hänge damit zusammen, dass er nie eine wirklich gute Anlage und auch keine CD-Sammlung besessen habe. „Das liegt daran, dass ich das ein Leben lang selbst gemacht habe. Wenn ich dann nach Hause komme, will ich nicht auch noch Musik hören müssen“, sagte er. „Das hat kein Mensch verstanden, zu keiner Zeit, aber es ist eben so. Unser Ziel war immer: Unsere Musik muss im Autoradio gut klingen. Wenn es im Autoradio gut klingt, klingt es überall gut, dann ist es gut gemixt.“ Also: Macht die Autofenster weit auf, wenn Stephan Trepte singt. Ehre, wem Ehre gebührt.