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"Es fängt mit massenhaftem Nadelfall an"

Der Borkenkäfer attackiert weiter die Wälder im Landkreis. Experte Andreas Geschu sagt, wie dagegen angekämpft wird.

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Untrügliches Zeichen für das Ende einer Fichte: Braunes Borkenkäfermehl und Nadelteppich am Fuße des Baumes.
Untrügliches Zeichen für das Ende einer Fichte: Braunes Borkenkäfermehl und Nadelteppich am Fuße des Baumes. © Marion Doering

Herr Geschu, trockene und warme Witterung wie im Frühjahr ist ganz nach dem Geschmack des Schädlings Borkenkäfer. Wie stark haben wir zurzeit mit einer Plage zu tun?
Wir haben ein Monitoringsystem mit borkenkäferspezifischen Lockstoffen, an denen wir Prognosen über die Entwicklung des Schädlings ableiten können. Die höchsten Fangzahlen in diesen Fallen waren Ende Juni/Anfang Juli zu verzeichnen. Damit muss mit einem weiteren Populationsanstieg gerechnet werden.

Wie hat sich die Borkenkäferpopulation im Vergleich zu den letzten Jahren entwickelt?
Im Vergleich zu den Vorjahren haben wir jetzt in den Fallen die sechsfachen Fänge festgestellt. Das ist eine enorme Populationsentwicklung des Borkenkäfers wie wir sie bisher noch nicht kannten.

In welchen Wäldern im Landkreis schlägt der Borkenkäfer besonders hart zu?
Betroffen sind vor allem Fichtenwälder in Höhenlagen unter 500 Metern, aber auch bis in die Gipfellagen des Osterzgebirges ist ein massiver Anstieg der Borkenkäferpopulation festzustellen.

Wie lange dauert es, bis ein vom Borkenkäfer befallener Baum stirbt?
Wir rechnen für eine Generation fünf bis sechs Wochen. Der erste Befall des Käfers erfolgte bis Anfang/Mitte Mai. Ende Juni/Anfang Juli ist die erste Generation ausgeflogen, diese enormen Mengen an Käfern haben sich eingebohrt und bilden jetzt eine zweite Generation. Diese zweite Generation wird im ersten Drittel des Augusts ihre Kinder entlassen und wieder neue Bäume befallen.

Das heißt, jetzt werden noch mehr Schäden sichtbar?
Ja, es werden mehr Schäden sichtbar. Der Borkenkäfer hat bislang im Verborgenen gefressen, aber inzwischen sind die Bäume tot. Man kann es optisch noch nicht so richtig erkennen. Es fängt aber dann an mit starkem Nadelfall. Man sieht grüne Nadelteppiche auf dem Boden, und die Kronen werden langsam braun, die Rinde fällt nach und nach ab. Die neuen Käfer bohren sich in noch gesunde Bäume ein. Sichtbar wird das dann an dem braunen Bohrmehl, der wie Kaffeesatz aussieht.

Andreas Geschu ist Leiter des Referates Forst im Landratsamt Sächsische Schweiz-Osterzgebirge.
Andreas Geschu ist Leiter des Referates Forst im Landratsamt Sächsische Schweiz-Osterzgebirge. © Daniel Förster

Das Landratsamt hat Anfang Juli eine zweite Allgemeinverfügung erlassen. Für welche Gebiete gilt diese?

Wir haben drei Vorrangsgebiete. Zum ersten um die beiden Talsperren Klingenberg und Lehnmühle, zum zweiten das obere Müglitztal und zum dritten der Großraum um die Talsperre Bad Gottleuba. Hintergrund ist die Sicherung des Waldes für die Trinkwasserversorgung, außerdem spielt der Wald eine große Rolle für den Hochwasserschutz. Der Verlust an diesen Steilhängen würde erhebliche Auswirkungen auf die Trinkwasserbereitstellung haben. So würde der Regen mehr Stickstoff aus dem Waldboden auswaschen, was im Wasser landet. Algenbefall könnte die Folge sein.

Die privaten Waldbesitzer sind nun verpflichtet, die befallenen Bäume aus dem Wald zu holen.
Generell ist der Waldbesitzer verpflichtet, seinen Wald zu schützen und es liegt ja auch in seinem eigenen Interesse, wirtschaftliche Schäden zu reduzieren und seine Nachbarn nicht negativ zu beeinflussen. In diesen Vorrangsgebieten gibt es umfangreiche Hilfsangebote vom Staatsbetrieb Sachsenforst. Gleichzeitig können private und kommunale Waldbesitzer auch auf ein umfangreiches Förderangebot zurückgreifen.

Bekommen also die privaten Eigentümer die nötigen Kapazitäten? Die sind ja bekanntlich knapp.
Es ist Technik gebunden, also Unternehmerkapazitäten und Maschinen, allerdings ist es so: Wenn der Borkenkäfer auftritt, dann tritt er überall gleichzeitig auf wie etwa ein Hochwasser. Alle befallenen Bestände gleichzeitig zu beräumen ist ein Ding der Unmöglichkeit.

Es kommt also darauf an, dass sich der Waldbesitzer kümmert und das seine Bemühungen glaubhaft machen kann? Sonst wird ja gedroht, dass das Landratsamt handelt und dem Eigentümer alles in Rechnung stellt.
Die Ersatzvornahme ist der Ausnahmefall. So einen Fall hatten wir bislang auch nur einmal. In dem Fall hat jemand nicht reagiert. Allerdings war es so, dass er krankheitsbedingt nicht erreichbar war. Im Nachhinein war er dankbar, dass die nötigen Maßnahmen in seinem Wald ergriffen wurden.

Es fällt jetzt eine riesige Menge Holz an ohne entsprechende Nachfrage.
Ja, das ist so. Die Kapazität der Sägewerke ist an die Grenze gelangt. Der Staatsbetrieb Sachsenforst hat große Zwischenlager eingerichtet, wo das Holz weit weg vom Wald gelagert wird. Allerdings löst das oft nicht alle Probleme.

Zumal der Preis für das Holz im Keller ist...
Ja, die Aufarbeitungskosten sind teilweise höher als der Holzerlös, obwohl die Preise bei Schnittware auf den Märkten nicht gesunken sind. Die niedrigen Aufkaufpreise schlagen leider nicht auf das Endprodukt durch. Das ist der Ärger aller Beteiligten hier vor Ort.

Kann man den Kampf gegen den Borkenkäfer überhaupt gewinnen oder geht es nur noch um die Abmilderung der schlimmsten Folgen?
Die Hoffnung stirbt zuletzt. Diese Frage wird offen bleiben. Das Positive ist aber, es wird alles fachlich, organisatorisch und kapazitätsmäßig Mögliche getan, um den Borkenkäfer in den Griff zu bekommen. Allerdings sind die Rahmenbedingungen wie die Niederschläge und die Widerstandskraft der Bäume von uns nicht beeinflussbar. Die Widerstandskraft der Bäume hängt von den Niederschlägen ab. Man kann davon ausgehen, dass in den letzten drei Jahren seit 2017 fast ein kompletter Jahresniederschlag fehlt.

Kämpfen damit alle Baumarten gleichermaßen?
Die Absenkung des Grundwassers ist dermaßen hoch, dass nicht nur die flach wurzelnden Baumarten wie Fichte Probleme haben. Auch tief wurzelnde Bäume wie Kiefer, Lärche und die meisten Laubbaumarten haben keinen Kontakt mehr zum Grundwasser.

Das Gespräch führte Domokos Szabó.

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