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„Es gibt auch Skepsis gegen eine Kenia-Koalition“

Der abgewählte CDU-Landtagsabgeordnete Jens Michel aus Lohmen gibt einen weiteren Posten auf und plant seine Zukunft.

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Jens Michel geht selbst in Interviews sehr sparsam mit Worten um. „Ich mache nicht gern viel Aufhebens um meine Person“, sagt er.
Jens Michel geht selbst in Interviews sehr sparsam mit Worten um. „Ich mache nicht gern viel Aufhebens um meine Person“, sagt er. © Norbert Millauer

Nach zehn Jahren muss Jens Michel (CDU) den Sächsischen Landtag als Abgeordneter verlassen. Der 52-jährige Lohmener verlor das Direktmandat im Wahlkreis 51 an Ivo Teichmann (AfD), der 968 Stimmen mehr von den Wählerinnen und Wählern erhielt. Im SZ-Gespräch erzählt Michel, wie es nun mit ihm in der Politik weitergeht und welche Zukunft er für sich und die CDU sieht.

Herr Michel, haben Sie Ihr Büro im Landtag schon geräumt?

Nein, dazu gab es jetzt noch viel zu viel zu erledigen. Vom Landtagspräsidenten wurden wir jedoch aufgefordert, bis 1. Oktober die Büros frei zu machen.

Mit einer Wahlanalyse tut sich der CDU-Kreisverband offenbar schwer. Außer drei schriftlichen Sätzen kam wenig.

Dazu hatten wir noch gar nicht genügend Zeit. Es stand doch sofort die Frage an: Wie gehen wir mit dem Ergebnis um? Das war auch das Thema der gemeinsamen Parteiversammlung mit dem Dresdner Stadtverband, bei der auch Ministerpräsident Michael Kretschmer dabei war und über den Fahrplan der Sondierungen informierte.

Der Ministerpräsident will die Partei wohl auf die neue Regierungskoalition einschwören?

Jetzt gibt es erst mal Sondierungsgespräche. Ich bin auch dafür, dass man mit jedem erst mal alles abklärt und sondiert. Aus unserem Kreisverband ist mit der Vorsitzenden der Frauenunion, Sandra Gockel, jemand ganz nah dabei. Es wurde bei der gemeinsamen internen Mitgliederversammlung aber schon deutlich, dass es im CDU-Kreisverband Sächsische Schweiz-Osterzgebirge auch Skepsis zu einem Kenia-Bündnis gibt.

Was wäre denn die Alternative, Neuwahlen oder Gespräche mit der AfD?

Der AfD-Fraktionschef, Jörg Urban, hat ja jetzt gesagt, die CDU muss sich unterordnen. Das passt insofern jetzt nicht. Auf Neuwahlen spekuliere ich aber auch nicht. Ich bin Realist.

Wie geht es mit Ihnen persönlich weiter? War das das Ende in der Politik?

Nein, ich bin ja zum Beispiel weiter Mitglied im Kreistag und im Gemeinderat. Aber ich möchte auch nicht viel Aufhebens um meine Person machen.

Werden Sie zur turnusmäßigen Neuwahl am 5. Oktober wieder als Kreisvorsitzender kandidieren?

Der Kreisverband ist so groß, das kann man nicht mehr ehrenamtlich machen. Das wäre ja dann bei mir der Fall. Ich habe Innenminister Roland Wöller für das Amt vorgeschlagen, und er steht zur Verfügung. Das wurde nun auch einstimmig vom erweiterten Vorstand so vorgeschlagen. Ich biete der Partei aber an, im geschäftsführenden Kreisvorstand mitzuarbeiten.

Nehmen Sie nach der Abwahl aus dem Landtag Ihr Rückkehrrecht als Mitarbeiter in die Landesverwaltung wahr?

Dazu muss ich mich bis Dezember erklären, ob ich in den Staatsdienst zurückgehe. Diese Zeit nehme ich mir auch.

Sie haben von 2015 an die Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel kritisiert. War das angesichts Ihrer Wahlniederlage ein Fehler?

Wenn es etwas zu kritisieren gibt, dann kritisiere ich das. Das war auch relativ eindeutig die Position im Kreisverband. Und was gut läuft, das versuche ich auch, als gut zu benennen.

Sie wurden als Finanzpolitiker der Regierungskoalition im Wahlkampf dafür kritisiert, dass die Finanzausstattung der Kommunen so schlecht ist. Was sagen Sie dazu?

Typisch Opposition. Der Vorwurf ist mit keinen Zahlen zu halten. Die Finanzlage ist wesentlich besser als früher. Jeder kann doch nachschauen, wie das Finanzvolumen bei den Kommunen gewachsen ist.

Wie stark ist der CDU-Kreisverband aktuell?

Wir haben etwa 830 Mitglieder. In den vergangenen zwei Wochen sind zehn neue dazugekommen. Vor 2015 waren es aber schon mal knapp eintausend. Die Talsohle haben wir aber inzwischen durchschritten.

Unter den Ausgetretenen waren langjährige Mitglieder. Trauern Sie denen nicht nach?

Das ist natürlich schade. Jeder ist ein Verlust für die CDU. Der eine oder andere musste sich aber schon fragen, ob er richtig bei uns ist. Aus meiner Sicht geht es aber nicht ohne Parteien. Wir brauchen stabile Verhältnisse. Ich bin kein Freund von politischen Bewegungen und einer Entwicklung hin zu punktuellen Engagements.

Wie will die CDU zu alter Stärke finden?

Wir freuen uns über jedes neue Mitglied. Zehn Leute – das ist aber noch nicht die große Welle. Es gibt aber weitere Anfragen, und das macht mich optimistisch. Wir müssen auch wieder dorthin gehen, wo wir derzeit schwach sind, dann können wir auch verlorenes Terrain wieder zurückgewinnen. Außerdem bin ich für klare Verhältnisse. Dazu sollte die CDU beispielsweise wieder überall zur Kommunalwahl antreten. Auch in den sogenannten Sozialen Medien waren wir viel zu schwach vertreten und haben sie erst auf den letzten Metern bedient. Derzeit befinden wir uns ja in einem faktenlosen Zeitalter, da muss man auf allen Ebenen was tun. Dazu gehört auch, die Prozesse mit abzubilden, wie es zu Entscheidungen oder Baumaßnahmen kommt.

Die Basis dafür hat sich verschlechtert. Nach dem verlorenen Direktmandat zur Bundestagswahl ging schon ein Büro in der Region verloren, jetzt fehlen zwei weitere nach der Landtagswahl. Wie will die CDU das kompensieren?

Ohne die Büros und die Mitarbeiter geht ein Anlaufpunkt für die Bürger verloren. Um das etwas abzufedern, hat beispielsweise der Dresdner Bundestagsabgeordnete Andreas Lämmel zu Sprechstunden im Landkreis eingeladen. Ich gehe davon aus, dass die Landtagsabgeordneten aus unserem Landkreis, Andrea Dombois und Roland Wöller, ähnlich verfahren. Da sind wir aber noch dabei, zu gucken, wie wir das am effektivsten gestalten. 

Es gibt aber auch talentierte, engagierte, junge Parteimitglieder, die sich stärker einbringen wollen und werden. Der Regionalverband Bastei hat seit Kurzem mit Björn Schwedes einen Vorsitzenden, der jünger als 30 ist. Wir hatten auch zur Kommunalwahl junge Leute weiter vorn auf den Listen platziert. Gewählt worden sind von den Wahlberechtigten allerdings ältere, bekanntere Kandidaten. Da ist ein großer Wandel schwer.

Im Herbst nächsten Jahres wird die Kreis-CDU ihre Kandidatin oder ihren Kandidaten für den Bundestag aufstellen. Kann man mit Ihnen rechnen?

Die Frage hat sich für die Partei noch nicht gestellt.

Es fragte: Gunnar Klehm