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Facebook steht in Görlitz vor Gericht

Darf das Unternehmen die Accounts des rechten "Ein Prozent e.V." mit Sitz in Oybin sperren? Mit dieser Grundsatzfrage befasst sich jetzt das Landgericht.

Von Anja Beutler
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Ein Verein, dem Verbindungen zu rechtsradikalen Kreisen nachgesagt werden, geht juristisch gegen Facebook vor.
Ein Verein, dem Verbindungen zu rechtsradikalen Kreisen nachgesagt werden, geht juristisch gegen Facebook vor. © dpa

Die Szenerie im Gerichtssaal Nummer 32 am Görlitzer Landgericht sieht unspektakulär aus: Richter Hans-Jörg Gocha sitzt zwei Anwälten in einem Zivilverfahren gegenüber, Kläger oder Beklagte sind nicht zugegen, doch handelt es sich durchaus um bekannte Namen: Einer der Anwälte vertritt den Internetriesen Facebook. Hinter dem anderen steht ein Verein, dem in Medienberichten eine Nähe zur vom Verfassungsschutz beobachteten Identitären Bewegung nachgesagt wird - der Ein Prozent e.V. besteht  eigenen Angaben zufolge aus sieben Mitgliedern. 

Was nach einer Auseinandersetzung wie bei David gegen Goliath klingt, ist tatsächlich keine einfache Sache, denn das Thema, um das es sich bei dieser zivilrechtlichen Auseinandersetzung dreht, ist "so noch nicht an Gerichten Thema gewesen", macht Richter Gocha deutlich. Es gehe nämlich nicht nur um die Löschung eines Posts in einem sozialen Netzwerk, sondern um den kompletten Ausschluss eines Vereins aus dem Netzwerk selbst, das durchaus eine Monopolstellung hat. 

Verein prangert Journalist an

Ende August hatte der Verein Ein Prozent auf seiner Facebookseite einen Post veröffentlicht, in dem er sich über einen Redakteur des Rundfunks Berlin Brandenburg ärgerte. Der Journalist hatte bei der Stadt Potsdam angefragt, warum städtische Werbetafeln an einen Verein vermietet wurden, der mit der Identitären Bewegung zu tun habe. Zwar stand auf den Plakaten des Vereins nichts Verfängliches - nur die Aufforderung, bei den anstehenden Wahlen als Wahlbeobachter tätig zu werden. Dennoch kritisierte der Journalist, dass die öffentliche Hand nicht genau hingesehen habe. In dem Post des Ein Prozent e.V. wurde der Redakteur deshalb unter anderem als Denunziant bezeichnet und seine Kontaktadresse angegeben.

Facebook reagierte sensibel und nahm diesen Post des Vereins aus dem Rennen, ließ ihn nach einer Prüfung einige Tage später doch wieder zu. "Strafrechtlich Relevantes war in dem Post auch nicht zu finden, Beleidigungstatbestände hingegen schon, aber das ist im politischen Geschäft nicht unüblich", erklärt der Görlitzer Richter Gocha. Doch Facebook reagierte kurz darauf erneut und sperrte den kompletten Account des Vereins - sowohl bei Facebook als auch bei Instagram. Dagegen wehrt sich der Verein mit einem Verfahren zur Einstweiligen Verfügung seit 18. September. "Natürlich ist es für einen Verein eine erhebliche Einschränkung, wenn die Hauptverbreitungskanäle nicht zur Verfügung stehen", pflichtet Gocha dem Anwalt des Vereins bei. Dennoch sehe er hier grundsätzlichen Klärungsbedarf gerade auch mit Blick auf das juristisch noch frische Netzwerkdurchsetzungsgesetz, das auch den Netzwerkbetreibern mehr Verantwortung zuschreibt. "Ich wäre dafür, das in einem Hauptsacheverfahren zu klären", sagte der Richter und skizzierte damit die Brisanz des Falles.

Als Hass-Organisation eingeordnet

Prinzipiell, so machte Hans-Jörg Gocha deutlich, definiere Facebook, welche Spielregeln in seinem Netzwerk gelten. Breche jemand diese Regeln, dann könne das Unternehmen auch zur Accountsperrung greifen. Ob dies hier der Fall ist, wäre zu klären. Facebook ordnet den Verein als Hass-Organisation mit Verbindungen zu rechtsradikalen Kreisen ein und belegt diese Einschätzung mit Medienberichten. So soll der Vereinsvorsitzende in einem dieser zitierten Artikel auch diese Verbindungen bestätigt haben.

Die Anwaltskanzlei des Vereins widerspricht vehement: In einer eidesstattlichen Erklärung, die erst wenige Tage vor dem Gerichtstermin an Gericht und die von Facebook beauftragte Kanzlei ging, dementiert der Vereinsvorsitzende Philipp Stein genau diese Vorwürfe: Keines der Mitglieder des Vereins sei Mitglied der Identitären Bewegung - es gebe generell weder persönliche noch finanzielle Verbindungen. Außerdem verherrliche der Ein Prozent e.V. keinen Terrorismus oder Hass gegen bestimmte Gruppierungen, zitierte der Anwalt aus der Erklärung weiter. Deshalb gebe es keinen Grund, dass die Accounts gelöscht und ein Verein mit "mehr als 100.000 Abonnenten" gesperrt werde. Das schränke die Meinungsfreiheit ein.

Da eine gütliche Einigung nicht möglich war, erhält der Anwalt von Facebook nun noch einmal bis 19. November Zeit, zur Erklärung des Vereins Stellung zu nehmen. Am 29. November wird dann das Gericht entscheiden. Dass der Fall vor dem Görlitzer Landgericht gelandet ist, hat übrigens einen einfachen Grund: Eines der Vereinsmitglieder von Ein Prozent lebt im Süden des Landkreises und somit hat der Verein seinen Sitz im Zuständigkeitsbereich des Görlitzer Gerichts.

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