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Fleisch mit gutem Gewissen

Die Zustände in Fleischfabriken wie bei Tönnies zeigen: Unser Konsum löst Elend aus. Verzicht ist für viele keine Lösung. Wie können wir das Leid beenden?

Von Franziska Klemenz
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Die Rinder auf dem Hofgut Kaltenbach hat André Noack bislang nicht auf Bio umgestellt. Zu teuer wäre ihm der Umbau des Stalls.
Die Rinder auf dem Hofgut Kaltenbach hat André Noack bislang nicht auf Bio umgestellt. Zu teuer wäre ihm der Umbau des Stalls. © SZ-Archiv / Ronald Bonß

Als Sven Krawczyk das Bilderbuch öffnet, rennt die Herde los. Wild-fröhlich trampeln die Schweine auf ihn zu. Der Landwirt stapft durch seinen Stall, vorbei an einem Knäuel rosa Rüssel. Zehn Schweinchen wuseln im Stroh durcheinander, zwei stopfen ihre Rüssel unter den Bauch eines Dritten und heben es in die Luft, bäuchlings hängt es da und wedelt mit dem Schwanz.

Vogelzwitschern wechselt sich mit Grunz- und Rülpsgeräuschen ab, manchmal übertönt Getrampel den Pegel der Stimmen. Fast alle von ihnen werden als Tellergericht enden. Aber nicht in einer Massenschlachtfabrik, sondern auf dem Hofgut Westewitz bei Döbeln. „Wir machen Bilderbuch-Landwirtschaft“, sagt Krawczyk. „Landwirte, die Schweine an den Handel andienen müssen, können sich das nicht leisten.“

Heimlich gefilmte Videos von anderen, vor allem großen deutschen Schlachthöfen zeigen das Gegenteil von Krawczyks Bilderbuch. Verstümmelte Hühnerkörper, Rinder mit aufgerissenen Kehlen, die sich winden, oder Schweine, die bei der Betäubung mit Billig-Gas aus Panik schreien. Die Logos mit fröhlichen Schweinen, die in der Grillsaison millionenfach aus Kühlregalen grinsen – sie sind ein Märchen. Der Corona-Ausbruch beim Fleischgiganten Tönnies ist nur ein weiteres Indiz für die Notwendigkeit des Wandels. Was sagen Hersteller dazu?

Die größeren von ihnen belassen es bei unkonkreten Versprechen, berufen sich auf EU-Regularien oder die „Initiative Tierwohl“, eine Absichtserklärung von Fleischproduzenten mit einzelnen Verbesserungen. Fragen nach Mängeln und konkretem Änderungsbedarf lässt der Verband der Fleischwirtschaft auf Nachfrage unbeantwortet, teilt stattdessen unter anderem mit, dass Tierschutz beim Schlachten „für die Unternehmen der Fleischwirtschaft eine wichtige Rolle“ spiele. Alle Beteiligten seien an einer stressfreien Behandlung der Tiere interessiert.

Sven und Torsten Krawczyk bieten jedem Schwein acht Quadratmeter. 100 schlachten sie im Jahr. Statt erwachsene Mastschweine zu kaufen, verbringen die Tiere ihr Leben inzwischen von Anfang bis Ende auf dem Hofgut Westewitz.
Sven und Torsten Krawczyk bieten jedem Schwein acht Quadratmeter. 100 schlachten sie im Jahr. Statt erwachsene Mastschweine zu kaufen, verbringen die Tiere ihr Leben inzwischen von Anfang bis Ende auf dem Hofgut Westewitz. © Anja Jungnickel

In Sachsen gibt es keine Riesen-Schlachthöfe mehr, die nächsten stehen in Thüringen und Sachsen-Anhalt. Rund die Hälfte seines Bedarfs deckt Sachsen mit Fleisch, das außerhalb des Freistaats produziert wird. Von bundesweit 55 Millionen geschlachteten Schweinen im vergangenen Jahr wurden in Sachsen 116.000 geschlachtet, von den 3,4 Millionen Rindern 15.000. Beim Geflügel sieht das anders aus. Mehr als 703 Millionen Vögel, der Großteil davon Masthühner, wurden 2019 in Deutschland geschlachtet – das entspricht fast der Einwohnerzahl des Kontinents Europa. Wie viel davon in Sachsen geschlachtet wurde, kann das Sozialministerium nicht sagen. „Zahlenwert unbekannt oder keine Angaben möglich“, heißt es, aus Datenschutzgründen. Neben zwei kleinen Schlachtbetrieben gebe es nur einen großen, auf den die Zahl zurückführbar sei.

Gemeint ist die Gräfendorfer Geflügel GmbH im nordsächsischen Mockrehna. 2018 hat der Standort mit zuletzt 284 Beschäftigten und 229 Fremdarbeitern allein 100.699 Tonnen Masthähnchen produziert, was mindestens 25 Millionen Tieren entsprechen dürfte. Der Schlachthof gehört zur Firmengruppe Sprehe mit Sitz in Niedersachsen, von den 738 Millionen Euro Gesamtjahresumsatz hat man in Sachsen zuletzt 177 Millionen gemacht.

Nur bei Wild auf Bio umgestellt

André Noack erwirtschaftet einen Bruchteil davon. Mit seinen sieben Mitarbeitern gehört das Hofgut Kaltenbach in Thiendorf bei Meißen zu den kleinen Schlachtbetrieben. Ein Teil ist seit Mai bio-zertifiziert. Die Rohstoffe fast aller Fleischgerichte für deutsche Teller stellt das Hofgut her. Wilde und normale Schweine, Kaninchen, Rinder, Rehe und Gänse, Fasane, Suppen- und Perlhühner. Die Haltung hat Familienunternehmer Noack bislang nur bei Wild auf Bio umgestellt. Sein Wild läuft ohnehin über weite Wiesen, für den Erhalt des Labels musste Noack vor allem das Futter, den Roggen anders anpflanzen, Schädlinge mechanisch statt mit Chemie bekämpfen. Bei den meisten anderen Tieren müsste er für viel Geld in neue Ställe investieren. „Ich habe mich für die Umstellung entschieden, weil es finanziell lukrativer ist“, so Noack. „Früher dachte ich, ich will kein Bio, weil ich da viel arbeite, um anderen Prüfgeld zu bringen. Den Kunden gegenüber hat man aber eine andere Glaubwürdigkeit.“ 

Zwei Jahre dauerte die Umstellung, so lange braucht der Boden, um sich der Pestizide zu entledigen. 7.000 Euro hat sie samt Eintragungen und Kontrollen gekostet, das Siegel kommt vom europäischen Bioverband. Für Laien wirkt die Biosiegel-Wirtschaft wie ein Urwald. Der gesetzliche Mindeststandard garantiert einem Schwein in Deutschland einen halben bis einen Quadratmeter, Bioschweine müssen 1,3 haben. Grundsätzlich unterscheidet die Bio- von der konventionellen Haltung vor allem, dass Tiere mehr Platz, Frischluft, einen komfortableren Untergrund, weniger Medikamente und vor allem Ökofutter erhalten.

Für das Wild von André Noack hat sich mit der Umstellung auf Bio nur das Futter geändert. Der Auslauf war schon vorher groß.
Für das Wild von André Noack hat sich mit der Umstellung auf Bio nur das Futter geändert. Der Auslauf war schon vorher groß. © Ronald Bonß

Als Bio gelten auch Teile von Noacks Schlachtung. Um Bio-Masthuhn anzubieten, kauft er Tiere aus Biohaltung zu und schlachtet sie. Seine eigenen Vögel hält der 45-Jährige konventionell, aber über den gesetzlichen Standard hinaus, mit Stroh und Auslauf. „Bei der Schlachtung selbst ist fast nichts anders, man muss Biohühner nur separieren.“ In einem Käfig mit Rollen warten zwölf Hühner vor einem knochenfarbenen Container, Noacks Fleischer holt sie einzeln raus. Mit festem Griff packt er ein Huhn aus dem Käfig, es protestiert, wirbelt seine Flügel durch die Luft. Der Fleischer legt den Hals auf einen Bock und hebt das Beil. Ein dumpfer Schlag, der Kopf fällt auf den Boden. Die Flügel flattern eine Weile weiter, als der kopflose Körper in einem silberfarbenen Trichter zum Abtropfen steckt. Ein Hühnchen nach dem nächsten legt der Schlachter unters Beil. Eine Katze eilt mit hastigen Schritten herbei, schnappt sich den abgeschlagenen Kopf und rennt davon. Eine andere steckt ihr Gesicht in eine rote Pfütze und leckt Blut. „Wie ein gedeckter Tisch“, sagt Noack.

Tiere zu essen, war für ihn immer normal, mit sieben erlebte er die erste Schlachtung. „Die Leute sollen sich mehr damit befassen, wie das Filet auf den Teller kommt“, sagt er. Immer wieder würden Kunden fragen, warum sein Fleisch „so teuer“ sei. „Die machen sich keine Gedanken, wie viel Arbeit dahinter steckt, geben viel Geld für Handys oder Autos aus, aber nicht für Fleisch.“ Die Nachfrage mag das Angebot bestimmen, das Angebot prägt aber auch die Nachfrager. Discounter Lidl wirbt gerade mit der 550-Gramm-Packung Hähnchenbrust für 2,99 Euro, bei Netto gibt es 600 Gramm Schweinenackensteak für 3,19 Euro, bei Aldi 800 Gramm Schnitzel für 4,99 Euro. Damit sich der Verkauf für Noack lohnt, sagt er, muss er für das Kilo Hähnchenbrust 14,95 Euro nehmen, 11,94 für das Kilo Schweinesteak. Immer wieder nutzen Supermarktketten ihre Macht, um Preise von Erzeugern zu drücken. Am Ende bleibt oft weniger als ein Fünftel vom Verkaufspreis bei ihnen hängen.

Die Folgen des Skandals bei Tönnies treffen alle

Nachdem die Hühner ausgeblutet sind, steckt der Schlachter sie in einen silbernen Kübel. Hühnerfüße ragen über den Rand und drehen sich im Kreis, das Gerät brüht Federn ab. Den Raum hinter der Schlachtzelle dürfen Außenstehende aus Hygienegründen nicht betreten. Eine Frau entnimmt Organe und spült das Huhn aus, dann ist es fertig und kommt in die Kühlung. Der Fleischer spült alles ab, schabt den Rest zusammen, Blut trocknet auf Schürze und Stiefeln. Nach einer halben Stunde ist alles vorbei. 2.500 Vögel lässt Noack jährlich schlachten, darunter die Weihnachtsgans von Ministerpräsident Michael Kretschmer, außerdem bis zu 100 Rehe, drei bis vier Rinder, fünf bis sechs Wildschweine. Aber er quält sie nicht. Die Gänse rennen den Sommer über auf Wiesen umher, Wildschweine wühlen im Schlamm. Ganz auf Bio will Noack wegen der Kosten und der Unsicherheit nicht umstellen, lieber erst mal abwarten.

„Wenn wir wollen, dass sich die Produktion grundlegend verändert, sollten wir auch akzeptieren, dass die Lebensmittel-Preise steigen“, sagt Krawczyk. Dass die Folgen des Skandals nun auch die Landwirte treffen, ärgere und frustriere viele. „Wir alle leiden unter den Entgleisungen bei Tönnies und bleiben jetzt auf Ware sitzen, auch wenn wir nicht verantwortlich sind. Auch bei Landwirten gibt es schwarze Schafe, aber das ist nicht die Regel.“

Zwölf Hühner in einer halben Stunde: Nachdem der Schlachter ihre Köpfe abgehackt hat, bluten sie in silbernen Trichtern aus.
Zwölf Hühner in einer halben Stunde: Nachdem der Schlachter ihre Köpfe abgehackt hat, bluten sie in silbernen Trichtern aus. © Ronald Bonß

Was kann die Politik dagegen tun? Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) verspricht seit Langem ein neues Tierwohllabel. Es soll drei Stufen umfassen, ein Schwein hätte bei Stufe 1 fortan 0,9 Quadratmeter garantiert, bei Stufe 3 hätte es 1,5 inklusive Auslauf. Das Label soll auf Freiwilligkeit basieren.

Kritiker monieren, dass Schweine weiterhin zu wenig Platz hätten. „Das ist kaum genug, um sich umzudrehen oder hinzulegen. Durch den Reizentzug leiden sie oft an so viel Stress, dass sie zu gegenseitigem Kannibalismus getrieben werden“, sagt Anna-Lena Klapp vom Vegetarierbund ProVeg. „Initiativen wie das staatliche Tierwohllabel werden langfristig nicht genügen, um den Anforderungen Tierwohl, Klimaschutz, Ressourcenschonung gerecht zu werden.“ Martin Hofstetter, Landwirtschaftsexperte von Greenpeace, sieht das ähnlich: „Besser als Freiwilligkeit wäre eine verpflichtende Kennzeichnung wie bei Eiern.“ Er fordert eine Abgabe von 50 Cent pro Kilogramm Fleisch, die Landwirten bei der Umstellung helfen soll. Die Mehrwertsteuer auf tierische Produkte solle man erhöhen, die auf pflanzliche senken, sagt Hofstetter. Das könnte Anreize schaffen.

Fleisch in Zahlen

763 Millionen Tiere wurden 2019 in Deutschland geschlachtet: 703 Millionen Vögel, 55 Millionen Schweine, 3,4 Millionen Rinder.

0,75 Quadratmeter Platz muss einem Schwein laut derzeitiger Gesetzeslage mindestens zur Verfügung stehen.

10 Prozent der Deutschen essen Umfragen zufolge kein oder nur in Ausnahmen Fleisch.

Millionen Tonnen Fleisch wurden in Deutschland 2019 durch Schlachtung hergestellt. Insgesamt ist der Trend leicht rückläufig.

Bis zu 10 Prozent der Rinder sind Forschern zufolge bei der Schlachtung nicht betäubt. Bei den Schweinen sind am Tag etwa 800 nicht betäubt, wenn sie getötet werden.

7 Prozent der Landwirtschaftsflächen in Sachsen werden ökologisch betrieben.

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Der Agrarexperte der Grünen im Landtag, Volkmar Zschocke, empfiehlt, dass Deutschland seine EU-Ratspräsidentschaft ab Juli nutzen soll, um sich fürs Tierwohl einzusetzen. „Wir brauchen europaweit geltende, verpflichtende Standards.“ Dass mehr Vorgaben und weniger Geld für Landwirtinnen und Landwirte kaum die Lösung sein können, zeigt nicht nur ihr Protest. Zehntausende haben in den vergangenen Jahrzehnten aufgegeben, der Trend tendiert zu großen Schlachthöfen.

Der Griff ins Kühlregal geht schnell und tut nicht weh. Was hinter dem Steak steckt, verdrängen viele Konsumenten lieber.
Der Griff ins Kühlregal geht schnell und tut nicht weh. Was hinter dem Steak steckt, verdrängen viele Konsumenten lieber. © Rawpixel Ltd.

Bio gilt vielen Bauern noch nicht als Strategie, auf die sich setzen lässt. Bei den nötigen Investitionen, die sie dafür auf sich nehmen, brauchen sie Planungssicherheit. Der Marktanteil von Bio steigt zwar stetig, aber verhalten. Der Anteil von Biofleisch beträgt bundesweit rund 1,5 Prozent, nach knapp zwei Jahrzehnten gibt es in Sachsen statt knapp zwei rund sieben Prozent Ökofläche. Bislang scheint die Mehrheit noch auf Masse statt Qualität zu setzen. 400 bis 600 Gramm Fleisch empfiehlt die Gesellschaft für Ernährung bei Erwachsenen pro Woche. Höchstens. Tatsächlich isst Deutschland pro Kopf im Durchschnitt 60 Kilogramm im Jahr. Und dabei wurden Vegetarier statistisch mitgezählt.

Angesichts der Zahlen hält Birgit Brendel von der sächsischen Verbraucherzentrale die volle Umstellung auf Bio für unrealistisch. „Zielführender, als sich von sieben Prozent Ökofläche vorzuarbeiten, ist es, die restlichen 93 zu verbessern. Es wäre gut, wenn die Standards dort höher gesetzt würden. Es bringt nichts, wenn nur ein kleiner Teil der Tiere ein besseres Leben genießt.“ Auch Torsten Krawczyk, Präsident des sächsischen Bauernverbands, Bruder und Mitbetreiber von Schweinelandwirt Sven, sieht das Problem in der Nachfrage. „Ich kenne viele Bauern, die über die Umstellung nachdenken, aber zu viel Angst haben, dass der Markt nicht da ist“, sagt er.

Besseres Fleisch kein Statussymbol

„Ich habe das Gefühl, der politische Diskurs ist größer als das Interesse der Verbraucher. Die Wahrheit passiert beim Griff ins Kühlregal, wo viele sich doch lieber für Billigfleisch entscheiden, die sich öffentlich ganz anderes äußern.“ Tausend Würste für je einen Euro auf einem Webergrill für 1.000 Euro. Besseres Fleisch, erklären Soziologen, sei eben kein Statussymbol.

Torsten und Sven Krawczyk haben sich aus dem Kreislauf verabschiedet. Seit 20 Jahren vermarkten sie ihre Ware selber, im Hofladen und aus Ständen. Vereinfachte Direktmarktzugänge für kleinere Höfe, sie könnten noch häufiger ein Teil der Lösung werden. Statt Schweine zur Mast zu holen, züchten sie die Tiere seit Februar nun auf dem eigenen Hof und schlachten sie auch dort. Etwa ein Fünftel teurer als im Discounter ist ihr Fleisch, ihren Tieren geht es ungleich besser. „Die wollen sich bewegen“, sagt Krawczyk über die rennenden Rüssel. Der Nachteil ist, dass sie mehr Energie verbrennen und weniger zunehmen. In der Pfanne behält das Fleisch dafür seine Größe, weil es nicht nur aus Wasser besteht.“ Eine 300 Kilo-Sau rüsselt im Stroh herum, die Kleinen umschwänzeln Krawczyk. Auch mit neuem Tierwohllabel wäre es noch erlaubt, ihnen die Schwänze abzuschneiden. Wenn Schweine zu wenig Platz haben, beißen sie einander daran. Bei Krawczyks dürfen Schwänze bleiben. Dabei produzieren sie gar nicht Bio, sondern konventionell. „Die Kunden wollen aber sehen, wie wir die Tiere halten. Wenn ich die Schweine nicht auf Stroh halten würde, könnte ich Kunden vielleicht nicht so erreichen.“ Auf Bio haben die Brüder auch ihre Rinder und die 400 Hektar Ackerland nicht umgestellt. Zu teuer und zu kompliziert sei das gewesen. Gründe, die das neuerdings grün geführte Landwirtschaftsministerium Sachsens bei Befragungen häufiger hört: Die Förderung sei zu gering, um den Aufwand mit Antrag, Dokumentation und Kontrollen zu kompensieren, es fehle Erfahrung und Wissen zu Ökoprodukten. Manche gaben auch Anforderungen an die Tierhaltung als Gründe an.

"Der Preis muss geklärt werden"

Durch Gesetzesänderungen mit weiteren Vorgaben, meint Krawczyk, könnten die Grenzen zwischen Bio und konventionell in 20 oder 30 Jahren ohnehin verschwommen sein. Auf ihrem Hof hat jedes Schwein acht Quadratmeter, Antibiotika verwenden sie nicht. Wenn alles ein Kreislauf sei, man alles auf dem Weg in den Stall desinfiziere, seien Keimerkrankungen kaum ein Problem. Sven Krawczyk hat eine Reihe von handwerklichen Berufen gelernt, vor fünf Jahren ließ er sich dann noch zum Schlachter ausbilden. Den Sommer über schlachtet er nicht, nach Eisen riecht es in dem gefliesten Raum trotzdem. Mit einer Zange betäubt er die Schweine per Stromschlag; ein Messerstich durchtrennt die Halsschlagader, Blut strömt dann wie ein Wasserfall aus der Kehle. Binnen einer Minute ist das Schwein tot.

Sven und Torsten Krawczyk betreiben ebenso wenig wie André Noack repräsentative Höfe. Sie vermarkten direkt, nehmen mehr Geld ein, können bessere Bedingungen bieten. „Im selben Atemzug wie Nutzungsbedingungen muss der Preis geklärt werden“, sagt Torsten Krawczyk. „Ansonsten werden wir uns in Deutschland von der Tierhaltung verabschieden und nehmen es nur noch billig aus dem Ausland. Ich weiß nicht, ob wir die Ernährungssicherheit in Deutschland wirklich aufgeben wollen. Zu Corona-Zeiten haben wir gemerkt, wie wichtig es ist, sich nicht von anderen Ländern abhängig zu machen.“

Anm. der Redaktion:  In einer früheren Version dieses Artikels war zu lesen, dass der Bundesverband der Deutschen Fleischwarenindustrie keiner der gestellten Fragen geantwortet habe. Wie sich nach Veröffentlichung herausgestellt hat, hat die Anfrage von Sächsische.de den Verband nicht erreicht.